Vegane Schwangerschaftstests: Der Test ohne Tiere

29. Juli 2025 | von Stefanie Nickel

Kaum ein Produkt ist so eng mit Hoffnung, Angst und Aufregung verknüpft wie ein Schwangerschaftstest. Was viele nicht wissen: Herkömmliche Tests beinhalten tierische Antikörper. Ein Start-up aus Hannover hat nun erstmals einen veganen Test entwickelt – und könnte eine ganze Branche verändern.

Drei Personen im Freien mit Phaeosynt-Logo auf T-Shirts Phaesynt

Forschen ohne Tier – geht das überhaupt?

Alina Eilers hatte Naturwissenschaften schon immer geliebt. In der Schule wählte sie Biologie als Leistungskurs, interessierte sich für Chemie und tauchte später im Studium tief ein in die Molekularbiologie und Bioprozesstechnik. Als sie ihren Abschluss in der Tasche hatte, hatte die promovierte Chemikerin viele Möglichkeiten. Aber da stand auch die Frage im Raum, wie sie ihren zukünftigen Job mit ihren Werten vereinbaren sollte. Denn vegan essen, das ist Eilers wichtig. Vegan forschen als Biotechnologin, das ist schwer.

Einige ihrer Kommilitoninnen entschieden sich für Jobs in der Arzneimittelentwicklung oder in der Veterinärmedizin und -diagnostik. In einem Bundesland wie Niedersachsen, das stark von Landwirtschaft, Tierhaltung und veterinärmedizinischer Forschung geprägt ist, sind Tierversuche in vielen wissenschaftlichen und industriellen Bereichen fest verankert. Für die vegan lebende Naturwissenschaftlerin war das keine Option.

Während Alina Eilers sich also um die Frage drehte, wie sie Werte und Forschungsdrang zusammenbringen könnte, hörte sie von einer Forschungsgruppe um Thomas Reinard und Maren Wichmann an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Leibniz-Universität, die für die Arbeit an pflanzlichen Antikörpern Verstärkung suchte. Vegane Antikörper? Alina Eilers horchte auf.

Laborversuch mit Phaeosynt-Flüssigkeit in Erlenmeyerkolben
Foto: Phaesynt 

Warum Tiere sterben müssen – und warum es auch anders geht

Eilers wusste natürlich, dass Antikörper normalerweise in Tieren oder in tierischen Zellkulturen gewonnen werden - und dafür mitunter Mäuse, Ziegen oder Kaninchen sterben müssen. Und sie wusste auch, dass man Antikörper in der Medizin an jeder Ecke braucht, für Labortests, Therapien und die Impfstoffentwicklung. Kein Schwangerschaftstest, kein COVID-19-Schnelltest und keine Krebsdiagnostik funktioniert ohne diese kleinen Proteine, die im Körper gezielt Krankheitserreger oder Hormone erkennen.  

Alina Eilers war sofort klar: „Wenn es gelingt, vegane Antikörper herzustellen, könnte das ein großer Hebel für mehr Tierwohl in Medizin und Forschung sein.“

Für Veränderung braucht es Mut – aus der Forscherin Eilers wurde im Mai 2021 die Impact-Unternehmerin. Eilers und ihren Mitstreitenden Stephanie Pfeil-Coenen und Stas Hans gründen ein Start-up und nennen es Phaeosynt, eine Wortschöpfung aus „Phaeodactylum", dem Namen ihrer Kieselalge, und „Synthetisieren“. Das Ziel: hochwertige, tierfreie Antikörper in Kieselalgen produzieren.

„Ich würde mich selbst eher als risikoavers beschreiben“, erzählt Eilers in ihrem Büro unter dem Dach der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Leibniz-Uni Hannover, das sie nutzt, wenn sie sich mit dem Laborteam trifft. „Gegen eine sichere Festanstellung nach dem Studium hätte ich nichts einzuwenden gehabt.“ Aber der Reiz, etwas zu bewegen, war größer.

Zwei Personen halten einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand
Foto: Phaesynt 

Hannover als Gründungshilfe

Zum Glück trifft sie in Hannover auf ein passendes Gründungsumfeld. Eine Stadt mit technischer Pioniergeschichte – hier wurde der Profilreifen erfunden, die erste CD der Welt gepresst und seit 1947 ist Hannover Heimat der größten Industriemesse der Welt. Jetzt also auch vegane Antikörper.

Unterstützt von der Wirtschaftsförderung der Stadt und Hannover Impuls beginnen Eilers und ihr Team, ihr unternehmerisches Wissen aufzubauen. Später ziehen sie in die „VentureVilla“ – ein Start-up-Zentrum in einer historischen Villa am Rand der Eilenriede. Hier hat das junge Unternehmen seinen Hauptsitz. Die Neugründenden nehmen an Coachings und Mentoringprogrammen teil, bauen ihr Netzwerk aus – und wachsen Schritt für Schritt in ihre neue Rolle hinein. „Es ist sehr erfüllend, so selbstbestimmt zu arbeiten, im Team, etwas zu gestalten“, sagt Eilers.

Alina Eilers und ihr Team lernen schnell, was es heißt, ein Start-up zu führen. 2023 erhält Phaeosynt den ersten Platz in der Kategorie ‚Hochschul-Start‘ beim Gründungswettbewerb Startup-Impuls, der jährlich vielversprechende Geschäftsideen aus Hannover prämiert.  Und dann gelingt es ihnen auch, Investoren mit ins Boot zu holen. Zwei Finanzierungsrunden bringen sie auf den Weg: Im November 2023 holen sie 720.000 Euro rein, im Februar 2025 folgen weitere 1,7 Millionen. „Das klingt erstmal nach viel“, sagt Eilers. „Aber wer in der Biotech-Branche gründet, weiß: Bis ein Produkt wirklich auf den Markt kommt, braucht es vor allem eins – Ausdauer und ordentlich Forschungszeit.“ Und die hat ihren Preis.

Ein Test, der berührt

Ursprünglich wollten sie ihre veganen Antikörper direkt an Labore und Pharmafirmen in der Diagnostik-Branche verkaufen – doch dort zählte vor allem der Preis. Denn als Start-up war es für Phaesynt in einer sehr traditionellen Branche nicht leicht, hinzu kamen Punkte wie bestehende Strukturen und Lieferketten, die Herausforderungen mit sich brachten.

Zunächst ging es für die Naturwissenschaftlerin und ihr Team darum, grundsätzlich herauszufinden, welche Art von Tests sich vegan herstellen lassen -  bei der Entscheidung für ein Fokus-Produkt musste es dann ein greifbares, ein emotional berührendes Produkt sein, für das man bereit ist, auch etwas mehr Geld auszugeben. So entstand die Idee für den veganen Schwangerschaftstest.

„Hey mela“ heißt der Test und soll im Spätsommer auf den Markt kommen. Die Antikörper auf dem Teststreifen, die das Schwangerschaftshormon hCG erkennen und die Linien auf dem Streifen sichtbar machen, werden nicht in Tieren oder tierischen Zellkulturen gewonnen. Sie sind komplett pflanzlich, hergestellt in Kieselalgen. Das ist eine kleine Weltneuheit – made in Hannover. An der Qualität ändert der Grundstoff ohne Tiere nichts - bis zu vier Tage vor dem Ausbleiben der Periode kann getestet werden. Über eine App kann der Test angeleitet durchgeführt werden und das Ergebnis wird digital angezeigt.

Lächelndes Paar mit Schwangerschaftstest in der Hand
Foto: Phaesynt 

Nächste Schritte, große Pläne

Es ist das erste Produkt des mittlerweile zehnköpfigen Teams – und es soll lange nicht das letzte sein. Das ehrgeizige Ziel:„Wir streben die Revolutionierung der Antikörper-Produktion und ein flächendeckendes Umdenken in der Branche an“, sagt Eilers.

Und Hannover? Bleibt mehr als nur der Ort, an dem alles begann. Für Alina Eilers und ihr Team ist hier nicht nur die Idee gewachsen, sondern auch das Unternehmen selbst. Aktuell ziehen sie zum Medical Park – ein Standort für Medizin- und Gesundheitsunternehmen. Noch mehr Raum für noch mehr Impact.