Ein besonderer Familienmensch

12. Dezember 2025 | von Catrin Kuhlmann

Wie Heinrich Prinz von Hannover mit seinen Ahnen neu ins Gespräch kommt

Prinz Heinrich vor einer Pferdeskulptur im Freien Foto: Frank Wilde

Hannover hat ein Talent dafür, große Geschichten an stillen Orten zu verstecken. Wer heute zwischen dem Reiterstandbild vorm Hauptbahnhof, Leineschloss und Georgengarten unterwegs ist, achtet meist wenig auf die Spuren des Königreichs der Welfen. Dieses politische Machtmonopol verschwand in den politischen Wirbeln, obwohl die Welfen nie offiziell abgedankt hatten. In diese historische Leerstelle stößt einer der Nachfahren der Welfen, Heinrich Prinz von Hannover, mit seinem neuen Buch „Das Haus Hannover – Abgedankt?“  

Ein Treffen mit den Vorfahren

Ortstermin mit Prinz Heinrich am Hauptbahnhof. Sollte der Prinz sich einmal echt hannoversch „unterm Schwanz“ verabreden, dann würde er damit zugleich das Standbild seines Ur-Ur-Urgroßvaters Ernst August von Hannover meinen. „Kennen Sie Ihren eigenen Ur-Ur-Urgroßvater?“ fragt er im Vorbeigehen, denn „bei den meisten hört es ja spätestens bei den Urgroßeltern auf.“ Seine Vorfahren hingegen lassen sich bis zu Heinrich dem Löwen und noch weiter zurückverfolgen.  

Über diese beeindruckende Ahnenreihe spricht Heinrich Prinz von Hannover ganz sachlich und ohne jedes Pathos, dabei hat die lange und hervorragend dokumentierte Geschichte seiner Familie dieses neue Buch erst möglich gemacht. Das Herzstück von „Abgedankt?“ bilden fiktionale Interviews mit drei Generationen seiner Ahnen, dem Vater, Großvater und Urgroßvater. Zu Wort kommen der letzte Kronprinz Ernst August und dessen Sohn Ernst August, Herzog von Braunschweig, dessen Herrschaft 1918 abrupt endete. Im dritten Interview führt Prinz Heinrich ein (ebenfalls fiktionales) Gespräch mit seinem Vater, der als ehemaliger Erbprinz keine Thronrolle mehr innehatte.  

Prinz Heinrich hält das Buch 'Das Haus Hannover: Abgedankt?' in der Hand
„Das Haus Hannover – Abgedankt?“ (MatrixMedia Verlag, 175 Seiten, 22 Euro) Foto: Frank Wilde

Historie prägnant und nachvollziehbar

Die Inhalte arbeitet der Autor aus unzähligen historischen Dokumenten und Archivalien heraus. So entsteht ein eingängiges, spannendes und präzises Familienportrait und zugleich eine Erzählung über Macht, Machtverlust, Selbstbehauptung und über die innere Dynamik eines einflussreichen Adelshauses. Prinz Heinrich: „Ich wollte die Historie zugleich prägnant und für alle verständlich nachvollziehbar gestalten, aber dabei historisch korrekt bleiben.“

Im Gespräch ist Prinz Heinrich offen und wirkt hellwach. Er spricht schnell und ahnt die nächste Frage immer schon voraus. Die Gegenwart seziert er mit einem analytischen und bemerkenswert nostalgiefreien Blick. Das gilt auch hinsichtlich der anderen schleichenden Abdankung, die die Familie im 20. Jahrhundert selbst vollzog: durch den Verkauf der Herrenhäuser Gärten und des Evangeliars Heinrichs des Löwen sowie weiterer historischer Wertgegenstände aus der umfangreichen Sammlung. Entscheidungen, die jeweils nachvollziehbare Gründe hatten, aber dennoch wichtige Verbindungen kappten.  

Der Blick auf Hannover

Der Prinz formuliert es ganz nüchtern: „Als Familie man sollte sich klarmachen, dass mit jedem verkauften Kunstwerk oder jeder verkauften Anlage auch ein Stück Geschichte verschwindet. Das Objekt wird entwurzelt und existiert ab dann in neuen Zusammenhängen. Es bekommt eine neue Bedeutung, auf die man keinen Einfluss mehr hat.“ Ein Beispiel dafür: Die Marienburg, einst der private Familiensitz der Welfen, hat sich nach der Auktion von 2005 in der öffentlichen Wahrnehmung zunächst zu einem Ausflugsziel gewandelt und dann erneut zu einem quasi-Pilgerort für die Fans der Fernsehserie Maxton Hall. „Auf diese Weise wandelt sich auch das kollektive Gedächtnis der Menschen, was dieser Ort bedeutet und wie sie ihn erinnern werden,“ resümiert der Prinz, auch hier wieder im analytischen Ton und ohne Sentimentalität.

Bleibt die Frage, wie Prinz Heinrich als Nachfahr der Welfenkönige eigentlich auf Hannover blickt, die Stadt, deren Namen er trägt? „Nun, Hannover war Residenzstadt. Als große Teile angelegt wurden, gab es hier noch die Monarchie. Die breiten Straßen und Sichtachsen, die aristokratisch geprägte Architektur, die über die Stadt verstreuten Palais, Wangenheim, Laves, Grote – all das ist gewachsene Substanz, die heute noch die Prägung durch das Königreich Hannover sichtbar macht.“

Die Antwort auf die Frage, welche Orte er in Hannover besonders mag, fällt dann doch zunächst überraschend aus: „Ich bin gerne in Linden und in der List. Die List mag ich besonders, die hat so etwas Natürliches und Nahbares, und außerdem gibt es dort einige gute Buchläden.“ Außerdem – und hier blitzt einmal kurz der familienverbundene Aristokrat auf – schätzt er das Hotel Luisenhof. Nicht, weil für ihn der Luxus im Vordergrund steht, sondern: „Das ist ein familiengeführtes Hotel, das schafft eine besondere Atmosphäre und verleiht dem Ort eine eigene Identität. So etwas schätze ich.“

Zur Person

Heinrich Prinz von Hannover (*1961 in Hannover) stammt aus der Dynastie der Welfen, die bis 1866 als Könige über das Königreich Hannover herrschte. Sein älterer Bruder Ernst August von Hannover ist heute Oberhaupt des Hauses.

Heinrich Prinz von Hannover studierte in Frankfurt am Main und Salzburg Sportwissenschaften, Publizistik und Psychologie und schloss als Magister ab. Im Jahr 2000 gründete er in Göttingen den MatrixMedia Verlag, der sich unter anderem auf niedersächsische Landesgeschichte sowie die Geschichte des Hauses Hannover und der Welfen spezialisiert hat. 

Zwei Personen bei einer Besprechung am Tisch im Prinz Heinrich Hotel
Autorin Catrin Kuhlmann mit Heinrich Prinz von Hannover beim nobilis-Interview. Foto: Frank Wilde