Bunt, laut, lebendig und voller besonderer Momente
Hannovers Nacht der Museen 2025 lockte am 14. Juni mit einem vielfältigen Programm in 19 Museen, Galerien und Kulturinstitutionen. Für einmalig 7 Euro (Kinder bis 14 Jahre frei) konnten Besucherinnen und Besucher ab 18 Uhr bis tief in die Nacht entspannt durch Ausstellungshäuser flanieren und Kultur in ungewohnter Atmosphäre erleben. Erstmals wurde das bewährte Konzept um ein umfangreiches Musikprogramm erweitert, sodass Kunst diesmal buchstäblich mit allen Sinnen genossen werden konnte.
Kulturdezernentin Eva Bender sprach von einer „Museumsnacht für alle Sinne – visuell, kulinarisch und klanglich. Hannovers Herzschlag pulsiert im Takt der Musik.“ Auch Hans Christian Nolte, Geschäftsführer der Hannover Marketing & Tourismus GmbH, betonte den besonderen Charakter der Nacht im Jubiläumsjahr „10 Jahre UNESCO City of Music“: Man habe den Ausstellungsräumen mit Live-Musik „eine Seele geben“ wollen und so ein Event geschaffen, das klassische Kultur mit urbanem Lifestyle verschmelzen lässt. Den krönenden Abschluss bildete dann auch eine große Open-Air-Party ab 23 Uhr im Kulturhof des Schauspielhauses.
Wir waren für Sie mittendrin und haben stellvertretend drei Stationen besucht, um die Stimmung dieser langen Kulturnacht einzufangen. Von einer historischen Villa mit jüdischer Musik und interaktiver Kunst über antike Tattoos zum Anfassen bis hin zu einem Museum voller Wasserspiele. Lassen Sie sich mitnehmen auf unseren nächtlichen Rundgang!
Villa Seligmann: Jüdische Kultur zum Anfassen
Unsere erste Station führte uns in die Villa Seligmann, das Haus für jüdische Musik und Kultur in Hannover. Schon beim Betreten des prachtvollen, früh-20. Jahrhundert-Villenbaus spürte man die besondere Atmosphäre: In Marmorhalle und historischem Salon vereinte sich an diesem Abend musikalisches Erbe mit moderner Kunst. Eliah Sakakushev-von Bismarck, Direktor der Villa Seligmann, begrüßte zusammen mit Prof. Dr. Joachim Schachtner (Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur) persönlich die ersten Gäste. Er dankte dem Publikum dafür, die Villa Seligmann als Startpunkt der Museumsnacht gewählt zu haben, und hob den einzigartigen Zusammenhalt der Kulturszene in Hannover hervor: „Das ist keine Konkurrenzveranstaltung, sondern genau das Gegenteil: Jedes Haus ist Teil des Ganzen. Und so ist auch die Villa Seligmann das jüdische Gewürz in unserer Kulturlandschaft in Hannover.“ Mit dieser charmanten Metapher machte Sakakushev-von Bismarck deutlich, welchen Beitrag sein Haus im Gesamtgefüge der städtischen Kultur leistet.
Ein besonderes Highlight in der Villa Seligmann war in diesem Jahr die Ausstellung „Hebräische Kalligraphie“ mit Werken des jungen Künstlers Akiva Roszkowski. In einem der prachtvollen Räume waren fein gearbeitete hebräische Schriftkunstwerke zu bestaunen, die traditionelle Technik und moderne Ästhetik verbinden. Diese exklusive Schau läuft noch bis zum 10. September 2025 und kann immer montags und mittwochs von 10 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt besichtigt werden. Wer tiefer eintauchen möchte, hat sogar Gelegenheit, Roszkowski persönlich zu treffen: Regelmäßig bietet die Villa Seligmann geführte Besichtigungen mit dem Kalligraphen an. Die Termine finden Interessierte auf der Webseite des Hauses.
Doch nicht nur fürs Auge wurde etwas geboten: In der Villa Seligmann lud auch das interaktive Kunstwerk „All You Need is Touch“ des israelischen Konzeptkünstlers Avi Albers Ben Chamo dazu ein, tatsächlich berührt zu werden. Dieses Werk fordert die Besucherinnen und Besucher auf, mit den Händen aktiv zu fühlen und so der eigenen wahren Schönheit im Spiegel zu begegnen. Viele zögerten anfangs, ein Kunstwerk tatsächlich anzufassen, doch neugierig wagten sich schließlich doch alle heran. „Take your time“, möchte man ihnen zurufen, denn im persönlichen Gespräch mit Nobilis verriet uns Ben Chamo, dass viele Menschen sein Werk nur kurz berühren. Der eigentliche Zauber entfalte sich jedoch erst, wenn man sich darauf einlässt und Gefühle zulässt. Und tatsächlich: Wer innehielt und sanft das Werk berührte, erlebte einen unerwartet emotionalen Moment der Selbstreflexion. So wurde die Villa Seligmann an diesem Abend ihrem Anspruch gerecht, ein Ort lebendiger jüdischer Kultur zu sein: Offen, zum Anfassen und voller inspirierender Begegnungen.
Museum August Kestner: Tattoos mit Geschichte
Als nächstes ging es für uns ins Museum August Kestner, wo die Sonderausstellung „Tattoo. Antike, die unter die Haut geht“ bis zum 17. August läuft. Tattoos gehören heute zum alltäglichen Straßenbild und sind Ausdruck individueller Persönlichkeit. Doch in der griechisch-römischen Antike hatten Hautmarkierungen einen ganz anderen Stellenwert: Sie dienten vor allem der Kennzeichnung sozialer und kultureller Unterschiede. Die Kestner-Ausstellung schlägt einen spannenden Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart und stellt die Frage: Was passiert, wenn Motive aus längst vergangenen Kulturen plötzlich auf der Haut des 21. Jahrhunderts auftreten? Dieser Frage widmet sich die Schau mit vielen eindrucksvollen Beispielen.
Schon beim Eintreten begrüßt einen ein Mix aus antiken Originalobjekten und modernen Inszenierungen: Marmorne Statuen und Büsten der römischen und griechischen Götterwelt stehen neben großformatigen Fotografien tätowierter Haut. So sieht man etwa die berühmte Venus von Milo und direkt daneben das Abbild ihres Kopfes als tätowiertes Motiv auf einem menschlichen Bein. Zahlreiche Leihgaben (darunter Gipsabgüsse und archäologische Objekte) ermöglichen Vergleiche zwischen Vorlage und tätowierter Umsetzung. Begleittexte erläutern die Bedeutungen: In manchen Fällen wurden antike Symbole aus religiöser Verehrung gewählt, in anderen ironisch gebrochen.
Die Ausstellung selbst ist in Kooperation mit dem Antikenmuseum der Universität Leipzig entstanden und wurde in Hannover um regionale Aspekte ergänzt. Besonders originell: Historische Postkarten aus der Sammlung eines hannoverschen Historikers zeigen tätowierte Schaustellerinnen der Vergangenheit. Eine frühe lebende Bildergalerie der Tattoo-Kunst, die an einigen Stellen ausgestellt ist und schmunzelnd mit der heutigen Tattoo-Popularität kontrastiert. Für Neugierige fanden während der Museumsnacht halbstündlich Führungen mit Kuratorinnen und Kuratoren statt, die Einblicke in die Geschichte und Motive des Tätowierens gaben.
Landesmuseum Hannover: Mitmachaktionen rund ums Wasser
Unsere dritte Station führte uns ins Landesmuseum Hannover, wo die Nacht ganz im Zeichen des Elements Wasser stand. Rund um die aktuelle Sonderausstellung „Grundwasser lebt. Ein verborgener Kosmos“ im ersten Stock zeigte das Museum eindrucksvoll, wie vielfältig das flüssige Element ist. Die interaktive Erlebnisausstellung, entwickelt vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz und mit lokalen Bezügen angereichert, präsentierte die geheimnisvolle Welt des Grundwassers.
Viele wissen nicht, dass sich im verborgenen Nass unter uns zahlreiche Lebewesen tummeln: Winzige Krebse, Würmer, Wasserflöhe und mehr. An Multimedia-Stationen konnten Besucherinnen und Besucher diese unsichtbare Tierwelt entdecken und erfahren, wie wichtig und zugleich fragil unser Grundwasser als Lebensraum ist. Besonders Kinder hatten ihren Spaß: Sie durften an Experimentierstationen selbst zu kleinen Forschern werden. Überall wurde gestaunt, gefragt und ausprobiert – genau so, wie es in einer Nacht der Museen sein soll. Für Familien bot das Landesmuseum an diesem Abend somit ein ideales Programm. Die Kleinen konnten spielerisch lernen, während die Großen interessante Fakten über Wasserkreisläufe, den Klimawandel und Naturschutz mitnahmen. Zwischendurch lud das Museumscafé mit einem speziellen „Wasser-Menü“ (inklusive himmelblauer Cocktails) zur Stärkung ein.
Fazit: Eine Stadt im Kulturfieber
Nur einmal im Jahr gibt es die Gelegenheit, Hannovers Museumslandschaft auf diese entspannte und gleichzeitig aufregende Weise zu erleben. Trotz subtropischer Temperaturen strömten die Massen: Laut Stadt Hannover wurden etwa 20.200 Besuche in den 19 Häusern gezählt, was die Besucherzahl vom Vorjahr sogar übertraf. Rund 5.200 Tickets wurden verkauft. Ein Beleg dafür, dass dieses Format fest im Herzen der Hannoveraner verankert ist. Wer es verpasst hat, kann sich schon jetzt auf die nächste Ausgabe freuen, wenn es wieder heißt: Nacht der Museen in Hannover.
Text und Fotos: Roksana Leonetti