So war die Premiere vom GOP-Wintervarieté „Wilderness“ in der Orangerie Herrenhausen.
Text: Heike Schmidt, Foto: Hennig Steffen
In diesem Wald ist was los: Da wird Holz aus vollem Flug heraus gehackt. In einer Sauna scheint ein Pärchen zu leben, das nur dann herauskommt, um sich beim Kopfstand-Wetttauchen im Wassereimer zu messen. Und zwischendrin musiziert ein skurriles Paar, das sich aus dem schottischen Hochland nach Hannover verirrt zu haben scheint: Willkommen in der Wilderness, einem wunderbar abgedrehten Treffen im Wald. Diesen findet man derzeit in der Orangerie Herrenhausen. Dort ist das GOP-Wintervarieté zum 19. Mal zu Gast.
Sie ist schrill. Sie ist laut. Sie ist so natürlich wie ein künstlicher Tannenbaum. Doch wie schön, dass sich auch Rachel Ponsonby in diese Wilderness verirrt hat. Wenn sie im roten Tüllkleid als Carmen über die Bühne wirbelt, das Publikum wie ein Orchester dirigiert oder mit Ganzkörpereinsatz musiziert – sie spielt zwei Flöten auf einmal mit den Nasenlöchern! – dann kann sich ihrem Charme niemand entziehen. Sie passt so perfekt in diesen Wald wie Stilettos zu einer Bergwanderung. Also eigentlich genauso gut wie die wundersamen Typen, auf die sie dort trifft.
Da ist beispielsweise Jacques Schneider, den einige Besucher schon kennen dürften. Jacques war schon öfter einmal in der GOP-Welt zuhause. Er macht noch immer Salti mit seinem Fahrrad auf einem Trampolin und rasiert sich die Achseln mit der Motorsäge. Dass er jedoch eine sehr zarte Seite hat, zeigt er gegen Ende der Show. Es ist eine der schönsten Nummern, wenn er auf dem Rad und Silvana Sanchirico am Vertikalseil zusammen zu einem Liebes-Duo werden.
Kopfstand-Wassereimer-Wetttauchen
Das Duo Brothers Zapata hingegen sind schon von Natur aus aufeinander angewiesen. Brian und Johann Zapata geben einander Schwung. Hinter dem Pärchen aus der Sauna verbergen sich Matias Salmenaho und Erika Ahola. Die beiden stammen aus Finnland. Dort fing sie bereits mit fünf Jahren an zu turnen und entfloh den strengen Wettkampfregeln, indem sie sich mit 16 der Zirkuswelt zuwandte. Matias jongliert nicht nur und verkörpert sehr authentisch den Naturburschen in der Wilderness, er trägt seine Partnerin auch auf Händen – wenn er sich mit ihr nicht gerade im Kopfstand-Wassereimer-Wetttauchen misst. Ebenfalls aus Finnland stammt Sirje Tolonen. Sie spielt mit Emotionen wie mit ihren Reifen: vom zarten Mädchen hin zur Rockröhre, bei ihr ist zwischen sanften Klängen und Heavy Metal alles drin. Das gilt auch für Perry Rose. Der passionierte Musiker ist für den Sound der Show zuständig. Irischer Folk oder Hard Rock – Perry kann’s. Und manchmal sollte man sich den Augenblick gönnen, ihm während der einzelnen Acts, die er begleitet, ins Gesicht zu schauen. Es ist wunderbar zu sehen, wie er selbst in dieser Wilderness dem poetisch-professionellen und auch immer wundersam skurrilen Treiben der anderen Waldbewohner begeistert und erstaunt zugleich zusieht.