Hannovers Silicon Valley

03. Juli 2025 | von Stefanie Nickel

Conti, VW Nutzfahrzeuge oder die MHH: Beim Thema Innovationen denken viele an die großen Akteure aus Hannover. Doch fast unbemerkt hat sich im Nordwesten der Landeshauptstadt ein echtes Innovationszentrum entwickelt: das Marienvalley.

Architektur im Marienvalley bei Abenddämmerung Björn Rolle-Brögger

Hohe Kosten, Platzmangel und fehlende Kapazitäten: Start-ups und Hochschulausgründungen stehen oft vor Herausforderungen, wenn es darum geht, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. In Marienwerder hat sich jedoch eine Hochburg für technologische und unternehmerische Innovationen etabliert. Und Hannovers kleines Silicon Valley lockt kreative Köpfe aus der ganzen Republik an.

Einer davon ist Sergey Stepanyuk. Sein Unternehmen SoftGripping entwickelt Roboterarme, die etwa Orangennetze, Melonen oder besonders empfindliche Produkte wie Donuts oder Hühnerschenkel flexibel greifen, passgenau verladen und unbeschädigt verpacken können – so wie eine Menschenhand es machen würde. Die Greifer können in Fabriken und landwirtschaftlichen Betrieben monotone Tätigkeiten übernehmen, für die es ohnehin an Arbeitskräften mangelt.

Hamburg? Berlin? Nein, Marienwerder!

Softgripping Roboterarm mit Kuka Greifer
Das Startup SoftGripping entwickelt sensible Roboterlösungen für Industrie und Landwirtschaft. 
FOTO: SoftGripping GmbH
Die ersten Schritte unternahm SoftGripping in den Laboren der Helmut-Schmidt-Universität. Auf die Idee, die Entwicklung und erste Kundenkontakte folgte schnell die Erkenntnis: Die Flächen werden zu klein. Das Start-up brauchte mehr Platz zum Wachsen. „Wir wollten einen Ort, an dem wir ungestört an neuen Technologien arbeiten und auch schwere Maschinen abstellen konnten“, erklärt Sergey Stepanyuk. Er und seine Mitgründer machten sich auf die Suche nach neuen Räumen für ihr Unternehmen, in Hamburg, in Berlin, auch direkt in Hannover – doch das gestaltete sich auf dem privaten Immobilienmarkt schwierig. Die Mietpreise für Gewerbeflächen in deutschen Großstädten sind in den vergangenen Jahren jährlich um rund 6 Prozent gestiegen. „Gerade für Start-ups ist die Auswahl oft übersichtlich“, sagt Stepanyuk. „Für uns blieben renovierungsbedürftige Flächen in einer Größe, die wir gar nicht bespielen konnten.“

Fündig wurde das Team schließlich in der Science Area 30x, dem ehemaligen Wissenschafts- und Technologiepark im Norden Hannovers. Hier fanden sie optimale Bedingungen: moderne Labore mit Starkstromanschluss, Abluftsystemen und ausreichend Platz für schwere Maschinen wie Kompressoren, Roboter und Spritzgussanlagen. „Die Räume sind zudem repräsentativ“, sagt Stepanyuk. „Hier können wir Kunden empfangen und Schulungen durchführen.“

„Marienvalley“ – eine Hochburg für Innovation

Hannover hat sich über Jahrzehnte als Standort für Technologieunternehmen etabliert – nicht nur wegen seiner zentralen Lage und exzellenten Verkehrsanbindung, sondern auch dank gezielter Wirtschaftsförderung. Bereits 1989 kaufte die Stadt das Gelände in Marienwerder, um Wissenschaft und Wirtschaft enger zu verzahnen: „Wir wollen technologieorientierte und wissenschaftsbasierte Unternehmen in Hannover halten und gezielt beim Wachstum unterstützen“, sagt Stadtsprecher Udo Möller.

Modernes Büro im Marienvalley mit Holzelementen und offenen Arbeitsbereichen
Björn Rolle-Brögger

Das Konzept ging auf: Die Science Area 30x bietet jungen Unternehmen nicht nur bezahlbare Flächen, sondern auch die Nähe zu Branchengrößen wie Continental und VW Nutzfahrzeuge sowie zur Leibniz Universität Hannover, die Fachkräfte in IT, Ingenieurwesen und Biotechnologie ausbildet. So ist aus einem ehemaligen Gewerbegebiet ein florierendes Innovationszentrum entstanden – das heutige Marienvalley.

Auf vergleichsweise wenigen Quadratmetern entsteht im Marienvalley eine Vielzahl zukunftsweisender Technologien. Hier treffen Unternehmen aus den Branchen Automotive, IT, Medizin, Biotechnologie, Optische Technologien und Produktionstechnik aufeinander. „Viele Unternehmen stehen noch am Anfang“, sagt Stepanyuk. „Man hört von ähnlichen Herausforderungen und kann sich darüber austauschen.“

Die Graphmasters etwa optimieren mit ihrem Nunav-System den Verkehrsfluss, um Staus zu verhindern, bevor sie entstehen. Cardior Pharmaceuticals Therapeutika entwickelt RNA-Therapien zur Vorbeugung, Reparatur und Heilung von Herzerkrankungen – ein innovativer Ansatz mit Potenzial für bahnbrechende medizinische Fortschritte. Cutting Edge Coatings wiederum arbeitet an ultradünnen Beschichtungen für Lasertechnologie und optische Systeme.

Der Start-up-Cluster lockt auch Investoren an

Auch private Investoren erkennen das Potenzial des Standortes. Die Münchener Taurus Holding kaufte 2019 ein 28 Hektar großes Grundstück von der Stadt und bietet dort auf über 40.000 Quadratmetern Mietfläche Platz für 30 Unternehmen. Der letzte von vier Bauabschnitten soll in diesem Jahr fertig gestellt werden – mit einem Mix aus Büros, Coworking Spaces, Gastronomie und einem Fitnessstudio.

„Dieser Campus-Charakter zieht namhafte Unternehmen und Institutionen an“, sagt Ulrich Gerhardt, CEO von Taurus Investment Holding. „Hannover hat es geschafft, ein Umfeld zu schaffen, das Innovationen fördert und Unternehmen langfristig bindet.“