Vor 308 Jahren gab es das zuletzt: Anke Seegert ist erste Frau auf diesem Posten, seit Kurfürstin Sophie im Jahr 1714 die Augen schloss. nobilis-Autorin Beate Rossbach hat sich mit ihr getroffen. Und bei einem Spaziergang durch den Berggarten mit der neuen Direktorin geplaudert.
Text: Beate Rossbach Foto: Lorena Kirste
Ihr Arbeitsplatz ist einer der schönsten Hannovers. Die Direktion der Herrenhäuser Gärten sitzt im Bibliothekspavillon, dem historischen Rundbau am Berggarten. Im neuen Büro arbeiten noch Handwerker. Aber im runden Besprechungsraum stehen Kaffee und Gebäck bereit, Gastlichkeit an diesem Vorfrühlingstag, und die Aussicht auf die Schmuckbeete und Schauhäuser des Berggartens lockt durch die Fenster.
Prof. Dr. Anke Seegert – so lautet der vollständige Titel der Direktorin, die im Februar 2022 ihr Amt angetreten hat. Sie kennt den Betrieb in- und auswendig und ist auf die neue Aufgabe vorbereitet. Die promovierte Landschafts- und Freiraumplanerin und Professorin für Pflanzenverwendung an der Leibniz Universität Hannover arbeitet seit 2004 in den Herrenhäuser Gärten, die letzten dreizehn Jahre als stellvertretende Direktorin. Besuchern, die die Gestaltung der Schmuckbeete, die Pflee der Gärten sowie die botanischen Ausstellungen im Berggarten loben, sei gesagt, das ist, das war das Werk Anke Seegerts. Die Chefin der Gärtner und Gärtnerinnen ist eine Kennerin der Pflanzenwelt und mit allen Arbeitsabläufen in den Herrenhäuser Gärten vertraut.
Wie gut also, dass sie sich dafür entschieden hat, eine Bewerbung auf den Direktorenposten abzugeben. Eigentlich wollte sie das zunächst nicht, denn: „Ich hatte ja schon einen guten Job, hatte eigentlich alles erreicht, was ich wollte. Ich bin hier Gartenleiterin, ich bin Professorin, und mein Garten zu Hause reicht mir“, sagt sie.
Und dann fügt sie an: „Außerdem stehe ich nicht gern als Person im Mittelpunkt, lieber mit meinen Themen.“ Auf die Zusammenarbeit mit ihrem Vorgänger lässt Anke Seegert nichts kommen – die beiden zogen an einem Strang, zum Wohl des Gartens. Aber dann kam sie doch noch zu dem Schluss, anzutreten. Warum? „Es fällt mir schwer, den Garten in andere Hände abzugeben. Aber andererseits möchte ich Einfluss darauf nehmen, was geschieht“, erklärt Seegert. Und gibt zu bedenken; „Wenn man dann nicht selbst seinen Hut in den Ring wirft, weiß man nicht, wer kommt. Und ob die Arbeit noch so viel Spaß macht wie bisher!“
Elan und große Pläne
Auf Anke Seegert warten jetzt jede Menge Aufgaben. Sie muss für sich selbst Ersatz suchen und neue Teams bilden. Die Direktorin möchte die Gärten behutsam weiterentwickeln und sieht dabei viele Chancen. Dazu gehören die Vermittlung der Geschichte des Gartens oder ein Kulturprogramm, das mit den Gärten harmoniert.„Die Aufgabe hat es in sich“, sagt sie. Eine der größten: der Bau des neuen Ausstellungshauses im Berggarten, das zukünftig Ausstellungen beherbergen soll. Das 13-Millionen-Projekt soll nach dem Abriss des Kanarenhauses 2023 beginnen. Dazu kommen der Kampf gegen Buchsbaumkrankheiten, gegen die Folgen des Klimawandels, der auch vor dreihundert Jahre alten Gärten nicht Halt macht, und die Instandhaltung und Sanierung aller Gebäude. Das alles will nicht nur getan, sondern auch finanziert sein.
Anke Seegert hat also reichlich zu tun. „Ich werde einiges anders machen als mein Vorgänger. Aber ich habe eine gute Schule gehabt“, sagt sie. „Es ist ja nicht die eine Person, die den Garten entwickelt. Meine Aufgabe wird sein, mit allen Mitarbeitern in eine Richtung zu schauen und zu gehen. Und ich glaube, dass ich das kann.“
Auch privat eine Gartenliebhaberin
Zur Entspannung geht sie gern in den Garten. Das tut sie in Herrenhausen – oder zu Hause im Neustädter Land, wo sie mit ihrem Mann, einem Techniker, und Familie ein Haus am Wald bewohnt und in ihrer Freizeit gern im 1800 Quadratmeter großen Garten pflanzt, pflegt und erntet.
Nach den Lieblingsorten in den Herrenhäuser Gärten gefragt, dauert die Antwort etwas länger. Es sind zu viele: sowohl im Berggarten als auch im Barockgarten und im Georgengarten. Anke Seegert kennt alle Ecken und Winkel ihres grünen Reichs und kann sich für Details begeistern, wie eine Steinbank unterm Blätterdach oder die Üppigkeit der Palmenkübel im Winterquartier: „Dann muss ich nirgendwohin mehr in den Urlaub fahren.“
Sympathisch und kollegial
Während des Gesprächs stoppt der Regen und die Wolken reißen auf. „Kommen Sie, wir gehen hinüber zu den Schauhäusern.“ Anke Seegert öffnet die Türen zu einer Besichtigung, denn für Besucher sind die Schauhäuser pandemiebedingt noch geschlossen. Eine Mitarbeiterin hantiert mit einem Schlauch, um Pflanzen zu wässern. Sie ist neu im Team, Anke Seegert grüßt sie freundlich und vergewissert sich, dass sie deren Namen richtig ausspricht. Nur ein Beispiel für ihren Führungsstil. Er ist menschlich, kollegial, interessiert und schätzt die Arbeit der über 160 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Draußen scheint jetzt die Sonne. Anke Seegert steuert auf einen Baum zu, der laut Schild den Namen „Winterblüte“ trägt und genauso aussieht – voll besetzt mit den ersten zarten Blüten. Sie zupft eine davon ab, schnuppert daran und schwärmt: „Das ist eins meiner Lieblingsgehölze. Die Blüten duften nach Hyazinthe, nach Frühling. Richtige Mutmacher!“
Der Besucher spürt die Begeisterung und Liebe für das, was sie tut. Die neue Chefin ist mit ganzem Herzen dabei – ein Garant für das Blühen und Gedeihen der Herrenhäuser Gärten, „der Gärten, mit denen wir in Hannover prunken können“, wie schon Kurfürstin Sophie vor über 300 Jahren sagte.