Julia Anklam im Gespräch: „Mode ist Persönlichkeitsentwicklung“

27. August 2025 | von Frauke Hansen

Julia Anklam zeigt Frauen, wie Kleidung Selbstbewusstsein stärkt – und warum Mode weit mehr ist als nur eine äußere Hülle.

Julia Anklam beim Interview – Aufmacherbild Frauke Hansen

Frau Anklam, Sie sind seit 30 Jahren in der Modewelt. Wie fing das alles an?

Ich habe mit 16 Jahren meine Ausbildung gemacht – klassische Damen- und Herrenkonfektion in Hamburg. Danach ging es in die Luxusbranche, ich habe für Prada, Gucci und Bottega Veneta gearbeitet, war internationale Einkäuferin für Accessoires, ständig unterwegs, verantwortlich für Umsatz und Mitarbeiter. Mode war von Anfang an meine Welt, ich habe sie gelebt und geliebt. Aber es war auch sehr viel Druck, und irgendwann war es einfach zu viel.

Sie haben einen Burnout erlebt.

Ja, mit 30. Ich habe 70 Stunden die Woche gearbeitet, immer on the road, immer unter Strom. Zuerst kamen Panikattacken im Auto, dann konnte ich nicht mehr fliegen. Am Ende konnte ich nicht mal mehr das Haus verlassen. Das war eine sehr harte Zeit. Heute sage ich: Das war mein Wendepunkt. Es hat mir die Augen geöffnet. Ich wollte nicht länger fremdbestimmt arbeiten, sondern meinen eigenen Weg gehen. Aus dieser Krise ist meine Selbstständigkeit 
entstanden.

Wie sieht Ihr Beruf heute aus?

Ich habe mir Schritt für Schritt ein eigenes Business aufgebaut. Ich habe Ausbildungen in Farbberatung, in verschiedenen Make-up-Schulen und in Visagistik gemacht. Ich liebe es, mein Wissen immer weiter zu vertiefen. Heute verbinde ich diese Bereiche: Farb- und Stilberatung, Make-up-Workshops, Image-Coachings, Begleitung bei Shootings oder Veranstaltungen. Das greift alles ineinander. Es geht nicht nur um Mode, es geht um Persönlichkeit.

Julia Anklam im Interview, sitzend an einem Tisch, mit modischer Bluse und gestikulierenden Händen
Julia Anklam beim nobilis-Interview in ihrem Atelier in Hannover. Foto: Maja Henschel

Was meinen Sie damit?

Mode ist für mich Persönlichkeitsentwicklung. Kleidung, Farben, Make-up – das sind Werkzeuge, um unser Inneres sichtbar zu machen. Ich erlebe es oft, dass Kundinnen nach einer Beratung sagen: „Julia, du hast mein Leben verändert“ oder „Ich bekomme plötzlich nur noch Komplimente“. Da geht es nicht um die Oberfläche, sondern um Selbstbewusstsein. Kleidung kann Mut geben, Energie schenken, Stärke zeigen.

Sie haben einmal gesagt: Ein roter Lippenstift kann wie eine Rüstung sein.

Ja, das stimmt. In meinen Workshops ist es immer ein besonderer Moment, wenn wir am Ende den perfekten Rotton für jede Teilnehmerin finden. Erst sind viele skeptisch: „Das steht mir niemals.“ Dann tragen sie ihn auf, schauen in den Spiegel – und plötzlich verändert sich alles. Sie stehen aufrechter, die Augen leuchten, da ist eine ganz andere Ausstrahlung. Ein roter Lippenstift kann wirklich eine Art Rüstung sein, gerade in Situationen, in denen man Stärke braucht.

Farben spielen in Ihrer Arbeit eine große Rolle.

Farben sind ein Schlüssel. Sie geben Sicherheit im Kleiderschrank, aber auch im Auftreten. Sie beeinflussen nicht nur, wie wir wirken, sondern auch, wie wir uns fühlen. Ich habe zum Beispiel einen knallgelben Pullover, den trage ich jedes Jahr im Februar, wenn alles grau ist. Für mich ist das pure Energie. Und spannend ist: Die Menschen um mich herum reagieren auch darauf. Sie lächeln, sie nehmen diese Sonne wahr. Farbe wirkt immer doppelt – nach innen und nach außen.

Viele Frauen trauen sich nicht, auffällige Farben oder Schnitte zu tragen. Woran liegt das?

Das liegt am Nichtwissen. Wenn man nicht weiß, was einem steht, bleibt man in der Komfortzone. Man greift zum Bekannten und vermeidet Experimente. Mut kommt mit Wissen. Deshalb ist meine Aufgabe, Frauen diese Sicherheit zu geben – damit sie selbstbewusst ausprobieren können. Ratschläge von Freundinnen oder Verkäuferinnen sind oft gut gemeint, aber sie sind subjektiv. Sie empfehlen, was ihnen selbst gefällt – nicht unbedingt, was wirklich zum Gegenüber passt.

Julia Anklam in weißem Anzug mit langen blonden Haaren
Foto: Julia Anklam

Wer kommt zu Ihnen?

Meine Kundinnen sind meist zwischen 35 und 55 Jahren. Sie stehen mitten im Leben, beruflich und privat, und wollen ihre Wirkung bewusst steuern. Es kommen auch Jüngere, aber Teenager berate ich nicht. Ich finde, bis 20 sollte man sich frei ausprobieren, bunt, wild, auch mal danebenliegen. Das gehört zur eigenen Stilreise.

Wie läuft eine Beratung ab?

Sie ist ein Prozess, kein einmaliges Event. Am Anfang gibt es ein Vorgespräch, dazu einen Fragebogen und Fotos von rund 20 Alltagsoutfits. So sehe ich: Welche Farben, Schnitte, Muster sind da, wie kombiniert die Kundin? Dann folgt ein intensiver Tag mit sechs Stunden Beratung, voller Theorie und Praxis. Danach geht es weiter, Schritt für Schritt. Ziel ist, dass jede Frau Werkzeuge bekommt, die sie ihr Leben lang nutzen kann – egal, wie sich Trends verändern.

Mode ist für Sie also viel mehr als äußere Erscheinung?

Auf jeden Fall. Mode ist ein Sprachrohr unserer Zeit. Schnitte, Silhouetten, Farben – sie spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen. Im Moment sind breite Schultern und klare Linien ein Thema, sie stehen für Stärke von Frauen in Führungspositionen. Das ist auch ein Gegenentwurf zu Rollenbildern, die weltweit gerade ins Wanken geraten. Für mich ist Mode kein oberflächlicher Luxus. Sie ist ein Instrument für Sichtbarkeit, Stärke und Energie.

Was möchten Sie Frauen mitgeben, die zu Ihnen kommen?

Habt keine Angst vor Mode. Nutzt sie für euch. Kleidung und Farben können euch Mut geben, sie können euch Kraft schenken. Stil bedeutet nicht, starren Regeln zu folgen. Es bedeutet, die eigene Persönlichkeit sichtbar zu machen.

 

Julia Anklam
Gerberstraße 31
30169 Hannover
https://julia-anklam.de/