Dr. Eva Jandl-Jörg spricht mit der nobilis über flache Hierarchien, den Maschsee, Nick Knatterton und über tolle Ideen, die sie als neue Direktorin vom Wilhelm Busch Museum umsetzen will.
Text: Jörg Worat, Foto: Frank Wilde
Zur Geburt meines Sohnes“, sagt Dr. Eva Jandl-Jörg, „hat mir ein Freund eine Ausgabe von ,Max und Moritz‘ geschenkt.“ Das ist nun 14 Jahre her, und offenbar muss man diese Gabe als Omen betrachten: Zum 1. Februar 2023 wird die einst Beschenkte neue Direktorin im Museum Wilhelm Busch, pardon: „Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst“, wie die offizielle Bezeichnung lautet. Dr. Gisela Vetter-Liebenow, die 35 Jahre lang im Haus tätig war, 10 davon in leitender Funktion, geht in den Ruhestand.
Dr. Eva Jandl-Jörg – die Frau mit der markanten Brille
Da die Präsentation von Ausstellungen naturgemäß einen gewissen Vorlauf hat, kann Jandl-Jörg erst etwas später mit eigenem Programm aufwarten. „Im Jänner 2024 könnte es so weit sein“, sagt sie, und die Wortwahl verweist unüberhörbar auf die Herkunft: Die Frau mit der markanten Brille und dem einnehmenden Lächeln stammt aus Österreich. Sie ist in Tirol aufgewachsen und hat in Wien Kulturwissenschaften studiert. Später lehrte sie an der dortigen Universität für angewandte Kunst und an der Universität Mozarteum in Salzburg. Im Museum dieser Stadt war Jandl-Jörg zuletzt als Kuratorin und Sammlungsleiterin für Grafik und Bildende Kunst ab 1800 tätig.
Ausstellungen für und mit dem Publikum
Das Studium der Kulturwissenschaften hat deutliche Spuren hinterlassen, denn die 50-Jährige geht die Dinge nur bedingt aus der kunsthistorischen Perspektive an: Von Formen der Vermittlung ist im Gespräch mindestens ebenso viel die Rede wie von Inhalten. „Ich will Ausstellungen für das Publikum und mit dem Publikum machen“, lautet eines der allerersten Statements. Und besagtes Publikum ist in diesem Haus bekanntlich breit gestreut: „Das Medium Zeichnung und Karikatur eignet sich ja besonders gut für alle Altersschichten. Und spricht auch diejenigen Menschen an, die mit der Kunstgeschichte vielleicht weniger vertraut sind.“
Dr. Eva Jandl-Jörg bringt viele neue Ideen mit ein
Stichwort Alter: Verständlicher weise will Jandl-Jörg noch keine konkreten Planungen herausrücken, doch ist ihr natürlich nicht entgangen, dass ihre Vorgängerin Gisela Vetter-Liebenow mit den regelmäßigen Ausstellungen hochkarätiger Kinderbuch-Illustrationen erfolgreich eine Art Alleinstellungsmerkmal für das Haus geschaffen hat. Darüber hinaus sind die Ideen der neuen Direktorin sehr weit gefasst und haben unter anderem einen Schwerpunkt in thematischen Konzepten: „Es sollen nicht immer nur Einzelpersonalien sein.“ Und welche übergreifenden Themen könnten bei ihr verhandelt werden? „Rollenbilder zum Beispiel. Etwa bei Frauen und Männern, auch eine Gegenüberstellung deutscher und österreichischer Merkmale in satirischer Form könnte ich mir vorstellen – die ,Piefkes‘ und die ,Ösis‘.“
Solidarität bekunden
Die Karikaturisten in Jandl-Jörgs Heimatland sind ja nicht selten mit spitzerer Feder zugange als ihre deutschen Kollegen und landen schon mal Wirkungstreffer unter der Gürtellinie. Die Präsentationen heftigerer Darstellungen sind wohl auch künftig nicht auszuschließen, doch nennt Jandl-Jörg in einer Aufzählung wichtiger Positionen neben dem Namen Manfred Deix auch denjenigen des deutlich sanftmütigeren Paul Flora. Wäre denn unter ihrer Federführung so etwas wie die unter Polizeibewachung stehende „Charlie-Hebdo“- Ausstellung möglich gewesen, die das Busch-Museum 2015 nach dem Anschlag auf die dortige Redaktion gezeigt hat? „Ja, um Solidarität zu bekunden.“
Ein Kind von Nick Knatterton
Bei den Klassikern bekennt sich die Direktorin in spe zu einer besonderen Vorliebe für Daumier. Und wie steht es mit dem großen Komplex der Comics!– werden auch die einen Platz im Programm finden? „Punktuell bestimmt“, sagt Jandl-Jörg und wartet bei diesbezüglichen Erinnerungen an die eigene Biografie mit einer durchaus speziellen Mischung auf: „Ich war ein Kind von ,Fix und Foxi‘, ,Yps‘ und Nick Knatterton.“ Disney-Comics kommen erst auf entsprechende Nachfrage ins Spiel und dann keineswegs, wie vielleicht zu erwarten, die Duck-Familie: „Meine Favoritin war Minnie Maus mit ihren Kleidern und Stöckelschuhen. Die habe ich immer durchgepaust und nach meinen Vorstellungen ausgemalt.“
Eva Jandl-Jörg hat sich die Südstadt als Wohlfühlort ausgesucht
Jandl-Jörg hat eine interessante Familiengeschichte. Die Mutter war eine musisch begabte Volksschullehrerin, der Vater gelernter Koch und unter anderem als Skilehrer und Bergführer tätig: „Bei uns gab es immer gute Kunst, gutes Essen, guten Wein.“ Bei aller Liebe zur Natur bezeichnet sich die so beneidenswert Aufgewachsene heute als absolutes Stadtkind: „Ich brauche das Urbane, die Kinos, viele Cafés.“ Ist sie in letztgenannter Hinsicht vor Ort schon fündig geworden? „Ja, ich war unter anderem in der Holländischen Kakaostube und im Teestübchen.“
Sie war auch schon im Maschsee- Strandbad: „Bei ganz schlechtem Wetter und mit vielen Algen in Wasser. Aber wenn ich etwas Neues kennenlernen will, ziehe ich das konsequent durch.“
Einen gar zu weiten Weg hatte die wagemutige Kunstfreundin dabei übrigens nicht zurückzulegen, denn sie hat bereits ein Wohnung in der Südstadt gefunden: „Das war der Stadtteil, den mir der Vorstand der Busch-Gesellschaft empfohlen hat. Und ich habe mich dort sofort wohlgefühlt.“ Der 14-jährige Sohn Malte wird auf die Montessori-Schule gehen, und seine Mutter hat erfreut die Existenz des nahe gelegenen Frauen-Ruderclubs zur Kenntnis genommen: „Da möchte ich mich auf jeden Fall anmelden.“
Lesungen, kleine Kooperationen und Konzerte
Ein Freizeit-Ausgleich ist sicherlich angebracht, denn Jandl-Jörgs Pläne für das Museum Wilhelm Busch werden viel Einsatz erfordern. Einsatz, der sich gesprächsweise immer wieder um Fragen außerhalb des Hermetischen dreht: Von flachen Hierarchien ist da die Rede, von Lesungen und kleinen Konzerten, von Kooperationen mit anderen hannoverschen Kunstinstitutionen. Und natürlich von der hauseigenen Sammlung – für eine solche Betreuung bringt die neue Direktorin ja schon reichlich Erfahrung mit. „Wir haben rund 60.000 Arbeiten“, betont Jandl-Jörg, „und ich möchte unsere hervorragende Sammlung auch außerhalb von Ausstellungen zugänglich machen. Studierende, Künstler, andere Interessierte – hier sollten alle die Möglichkeit haben, Einblick in die vielen Facetten zu bekommen, die Karikatur und Zeichenkunst zu bieten haben.“