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Jurassic World im WeltenMuseum

17. November 2020

Hannover ist Dino-Land. Im Dezember startet im Landesmuseum die Sonderausstellung „KinoSaurier. Zwischen Fantasie und Forschung“. Großes Kino für Dino- und Kino-Fans aller Generationen. Hier kommt der Trailer.
Text: Beate Rossbach, Bildquelle: Landesmuseum Hannover
Sie sind da und pirschen sich heran. Ein Gefühl wie damals im Kino, als der Strom ausfiel, die Ziege verschwunden war und das Wasser in den Pfützen vibrierte, bis… Roar! – der T-rex über die Leinwand stampfte. Seit Mitte November umzingeln seine Artgenossen das Landesmuseum. Ein Triceratops nimmt Kurs auf das Rathaus. Ein fleischfressender Carnotaurus hat die Staatskanzlei fest im Blick. Ein 45 Meter langer Seismosaurus knabbert an den Baumkronen. Sie lassen Passanten stehen bleiben und Autofahrer in die Bremsen gehen. „Jurassic Maschpark“, so lautet das Motto der Ausstellung. Das passt.

Dr. Annette Richter, Bildquelle: Richter, Landesmuseum

Dino-Fährten im Obernkirchner Sandstein

So wie der riesige Seismosaurus hier äsend über die Grünflächen zieht, ein Anblick, an den Kinogänger sich aus Spielbergs Film Jurassic Park erinnern, so sah das Leben in unserer Region tatsächlich einmal aus. Dinosaurier lebten im Jura und in der Kreidezeit vor etwa 135 bis 145 Millionen Jahren. Damals herrschte ein tropisches bis subtropisches Klima. In der Gegend zwischen Steinhuder Meer und Bückeburg sind vermutlich Herden von Langhalssauriern entlanggezogen, im seichten Wasser einer Lagunenlandschaft und an Flussufern. Fährten wurden im Sandstein der Region gefunden, zum Beispiel in einem Steinbruch bei Rehburg-Loccum. 90 Fußabdrücke eines gewaltigen Langhalsdinosauriers, der vermutlich 30 Tonnen wog, wurden 2015 freigelegt. Weitere Funde können in Münchehagen besichtigt werden, im bekannten Dino-Park, der Wissenschaft und Forschung sowohl ernsthaft als auch unterhaltsam präsentiert.
Eine Kombination, die nun auch dem Landesmuseum Hannover mit der KinoSaurier-Ausstellung bestens gelungen ist. Zwar kann das Museum kein riesiges Dino-Skelett bieten, wie den bis 2017 ausgestellten berühmten Diplodocus „Dippy“ im Natural History Museum in London, aber es gibt viel zu sehen. „Aufgrund der beengten Situation im Erdgeschoß mit seinen sehr niedrigen Decken kann das Thema Dinos schon rein räumlich nicht so groß aufgegriffen werden wie wahrscheinlich von den Besuchern erwünscht. Der Schwerpunkt liegt daher auf der hauseigenen Forschung bei den regional bedeutsamen Dinosaurierfährtenlokalitäten von Münchehagen und Obernkirchen. Ein Tyrannosaurus rex-Schädel muss aber trotzdem sein und ist auch dabei“, sagt Dr. Annette Richter, Paläontologin und Oberkustodin Naturkunde am Landesmuseum. Sie ist Kuratorin der KinoSaurier-Ausstellung, gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem Filmwissenschaftler Dr. Daniel Hercenberger. Der ist tief in die Filmarchive eingestiegen. Schon in der Stummfilmzeit gab es Dinos auf der Leinwand, berichtet er. „1914 entstand der Zeichentrickfilm „Gertie the Dinosaur“ von Winsor McCay. Er gründete die Tradition des kommerziellen Zeichentrickfilms in Amerika und hatte schon recht moderne Vorstellungen wie ein Sauropode aussah, heute belegbar durch Fossilfunde. Außerdem fügte McCay einen überraschenden Empathie-Faktor hinzu: Gertie zeigt Emotionen, welche die reale Paläontologie erst mit dem wissenschaftlichen Nachweis von Brutpflege bei Dinosauriern in den 1980ern erschlossen hat“, doziert Filmwissenschaftler Hercenberger und spannt den Bogen über King Kong und Familie Feuerstein bis zu den modernen Jurassic-Blockbustern mit ihren lebensecht wirkenden Darstellungen. Lebensecht, aber nicht durchweg real. „Der T-rex war gut getroffen, aber die Raptoren waren nicht real.“

Ausstellungsplakat, Bildquelle: Landesmuseum Hannover + Markus Fischmann, Hochschule Hannover

Federn und Farbe

Die Brücke zwischen echten Funden und Fantasie spannen die Illustrationen von Joshua Knüppe. Der Künstler ist Jahrgang 1992, wurde also ein Jahr vor Erscheinen von „Jurassic Park“ geboren und bekennt, dass er eines dieser Dino-besessenen Kids war. Seine Bewerbungsmappe an der Kunstakademie in Münster enthielt Dino-Bilder, und seit 2014 arbeitet er international als professioneller Paläoartist, in Zusammenarbeit mit Museen und Forschern. Seine Bilder sind in der Ausstellung zu bewundern. Vergleichen lässt sich Knüppes Arbeit vielleicht mit dem, was man aus TV-Krimis kennt. Es werden Skelettreste gefunden, und die Kriminaltechnik erstellt daraus ein Bild des Menschen. Bezogen auf Dinos spricht Joshua Knüppe die jüngsten Funde aus China an, die belegen, dass es gefiederte Saurier gab. Die sahen nun zwar nicht aus wie niedliche bunte Küken, aber doch anders als schuppige Echsen. Die Forschung weiß heute genau: Vögel sind direkte Nachfahren der Dinosaurier. „Wir wissen nicht, ob die Farbmuster, Punkte und Streifen tatsächlich so aussahen wie wir sie hier visualisieren. Aber die Existenz der Farbpigmente, grün, braun, ocker, rötlich – die ist belegt“, sagt Annette Richter.
Die Ausstellung im Landesmuseum setzt auf einen vollkommen neuartigen, interdisziplinären Ansatz, der das rekonstruierte Erscheinungsbild der Dinosaurier in den Fokus rückt. Den realistischen Blick auf die paläontologische Forschung ermöglichen die Schwerpunkte „Europasaurus und seine Zeit“ sowie die gemeinsamen Forschungsergebnisse der letzten fünf Jahre mit dem Dinosaurierpark Münchehagen. Annette Richter berichtet: „Der 1998 entdeckte Europasaurus-Fund ist eine Sensation. Im Langenberg-Steinbruch am Harz-Nordrand wurden Fossilien eines Langhalssauriers gefunden sowie Zwergkrokodile, Flugsaurier, Schildkröten und Pflanzenreste. Während eines weiteren großen von der VolkswagenStiftung finanzierten Folgeprojektes unter der Leitung von Oliver Wings wurden zudem noch winzige Zähnchen von Säugetieren entdeckt. So entsteht nach und nach das sehr wahrscheinliche Bild vom Harz und seinem Vorland als Insel-Lebensraum, umgeben von einem flachen, tropischen Meer.“ Am 4. Dezember soll die Ausstellung beginnen und bis Ende Mai 2021 zu sehen sein.

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