Hannover ist eine Stadt mit vielen architektonischen Schätzen. Vom Klassizismus bis zur Moderne prägen etliche historische Gebäude das Stadtbild. Welche von ihnen sind besonders sehenswert? Die Nobilis hat bei der Architektenkammer Niedersachsen nachgefragt.
Laveshaus
Das Laveshaus in der Innenstadt feiert in diesem Jahr sein 200-jähriges Jubiläum: Der Architekt und Namensgeber des Hauses, Georg Ludwig Friedrich Laves, vollendete 1824 sein Wohnhaus in der heutigen Straße „Friedrichswall“. Laves, der lange in den Diensten des Königs stand, war bedeutend für die Stadtentwicklung Hannovers.
Architektonisch ist das Haus ein typisches Beispiel des Klassizismus. Die Epoche des Klassizismus zeichnet sich durch die Rückbesinnung auf die Zeit der Antike aus. So erinnern der Dreiecksgiebel über dem Haupteingang und die Säulen an der Hauswand des Laveshauses an einen antiken Tempel. Auch der symmetrische Aufbau der Hausfassade mit den rechteckigen Fenstern ist typisch für klassizistische Architektur.
Im Jahr 1908 wurde das Haus von Laves‘ Nachkommen an die Stadt Hannover verkauft. Danach zogen viele verschiedene Ämter in das Gebäude ein – von 1933 bis 1935 auch das Gesundheitsamt der Nationalsozialisten. Von der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges blieb das Laveshaus nahezu vollständig verschont. 1996 wurde es an die Architektenkammer Niedersachsen verkauft, die sich bis heute in dem ehemaligen Wohnhaus befindet.
Haus der Wirtschaftsförderung
Im Haus der Wirtschaftsförderung an der Vahrenwalder Straße befinden sich heute alle Wirtschaftsfachbereiche der Stadt und Region Hannover. Das Gebäude wurde von 1912 bis 1914 durch den Architekten Peter Behrens errichtet. Wegen des Ersten Weltkriegs wurde das Haus erst in den Jahren 1919 und 1920 fertiggestellt und diente dann als Verwaltungsgebäude der Continental AG. Im Zweiten Weltkrieg wurde es stark beschädigt und musste wiederaufgebaut werden. Später wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt.
Die Stadt Hannover kaufte das Gebäude im Jahr 1984. 2012 wurde das Haus der Wirtschaftsförderung durch den damaligen Regionspräsidenten Hauke Jagau, den ehemaligen hannoverschen Wirtschaftsdezernenten Hans Mönninghoff und den ehemaligen Präsidenten der IHK Hannover, Hannes Rehm, sowie rund 100 weiteren Gästen feierlich eröffnet.
Der architektonische Stil des Gebäudes kann als frühe Moderne oder Industriearchitektur beschrieben werden, mit Einflüssen des Neoklassizismus. Trotz der modernen Gestaltung, zum Beispiel durch die schlichte Fassade aus Stein, was typisch für das Industriedesign der frühen Moderne war, lassen sich auch klassische Elemente in der Architektur finden: Gesimse, also waagerechte Vorsprünge an der Fassade eines Gebäudes, und die Anordnung der Fenster betonen das Haus der Wirtschaftsförderung durch klare Linien.
Anzeiger-Hochhaus
Ein Haus aus Backstein mit einer Kuppel aus Kupfer – das Anzeiger-Hochhaus in der Innenstadt ist ein Wahrzeichen Hannovers. In den Jahren 1927 und 1928 wurde es im Auftrag der heutigen Madsack-Mediengruppe vom Architekten Fritz Höger errichtet – und dann zwei Jahre nach seiner Fertigstellung unter Denkmalschutz gestellt. Mit der detaillierten dunkelroten und goldglasierten Klinkerfassade ist das Gebäude wie das Chilehaus in Hamburg, das ebenfalls von Höger erschaffen wurde, ein Beispiel des Backsteinexpressionismus.
Auch dank der Stahlskelettkonstruktion wurde das Anzeiger-Hochhaus im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt. Am 25. März 1945, bei einem der letzten Luftangriffe, fing die Kuppel jedoch Feuer. Seit ihrer Restaurierung befindet sich darin ein Kino.
Im Anzeiger-Hochhaus wurde nach dem Krieg weiterhin Mediengeschichte geschrieben. Es ist unter anderem der Gründungsort der Zeitschriften „Spiegel“ und „Stern“ und auch die City-Redaktion der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ war dort untergebracht. Bis heute ist das Gebäude ein zentraler Standort von Medienunternehmen.
Villa Seligmann
Ein Ort für Konzerte, Ausstellungen und Vortragsreihen ist die Villa Seligmann an der Eilenriede in der Oststadt: Das Gebäude dient als Schauplatz für jüdische Musik und andere Veranstaltungen. Die Villa mit der großzügigen Gartenanlage wurde von 1903 bis 1906 nach einem Entwurf des hannoverschen Architekten Hermann Schaedtler für Siegmund Seligmann, den jüdischen Direktor der Continental AG, und seine Familie errichtet. Unter der Leitung von Seligmann war das Unternehmen sehr erfolgreich, sodass Seligmann 1923 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Hannover verliehen wurde.
Nach dem Tod von Seligmann blieb das Gebäude bis 1931 Wohnsitz der Familie und wurde dann der Stadt Hannover geschenkt. Die nun städtische Villa diente ursprünglich als Depot für Exponate des damaligen Kestner-Museums. Im Jahr 1939 wurde das Gebäude für Dienststellen der Wehrmacht genutzt. Die anschließenden Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs überstand die Villa Seligmann nahezu unbeschadet. 2006 kaufte die Siegmund Seligmann Stiftung die Villa und öffnete sie 2012 für die Öffentlichkeit.
Die Villa Seligmann ist ein Beispiel für den historischen Architekturstil zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Historismus vereinte stilistische Elemente vergangener Epochen miteinander, zum Beispiel der Renaissance, des Barocks und des Klassizismus. Die Rundbogenfenster und -türen sind so ein klassisches Element der Renaissance- und Barockarchitektur, und die Gesimse gliedern die Fassade im Stil des Klassizismus. Auch das markante Dach mit den Dachgauben ist typisch für den Barock und den Klassizismus – ein oft wiederkehrendes Motiv im Historismus.
Opernhaus Hannover
Operngesang, Ballett und Konzerte des Niedersächsischen Staatsorchesters – das Opernhaus in Hannover befindet sich in der Stadtmitte und ist heute das kulturelle Zentrum der Stadt.
Nach Plänen von Georg Ludwig Friedrich Laves wurde es von 1845 bis 1852 als königliches Hoftheater im klassizistischen Stil errichtet. Das neue Opernhaus löste damit das Schlosstheater im Leineschloss ab. Seit seiner Fertigstellung im Jahr 1852 finden bis heute Opern- und Schauspielaufführungen im Niedersächsischen Staatstheater statt.
Am 26. Juli 1943 wurde das Opernhaus bei einem Luftangriff der Alliierten von einer Brandbombe getroffen und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Für den Wiederaufbau war der Hamburger Architekt Werner Kallmorgen verantwortlich. Im Jahr 1950 wurde das Opernhaus wieder für Aufführungen eröffnet. 1985 wurde es nach Plänen von Dieter Oesterlen erneut renoviert.
Das Opernhaus hat heute einen neoklassizistischen architektonischen Stil, der an den Säulen, Rundbogenfenstern und Skulpturen sowie dem Giebeldreieck am zentralen Teil des Gebäudes zu erkennen ist. Damit behielt Kallmorgen das ursprüngliche Design nach Laves bei.
Ob klassizistische Eleganz, industrielle Strenge oder historistische Pracht – wer aufmerksam durch die Stadt geht, dem wird auffallen: Es lohnt sich, Hannovers Architektur zu entdecken.
Text: Luise Moormann