„Herrenhausen Barock“ vereint viele musikalische Höhepunkte in einer Konzertreihe. Das Ensemble „Musica Alta Ripa“ ist einer von ihnen. Auch das norddeutsche Ensemble „la festa musicale“ wird bei der Konzertreihe dabei sein.
Text: Jörg Worat
Man mag‘s „Synergieeffekte“ nennen oder auch „Doppelt hält besser als ohnehin schon“: Wenn die Veranstaltungsreihe „Herrenhausen Barock“ mit der „Festwoche Agostino Steffani“ zusammengeht, steht ein ganzes Paket musikalischer Höhepunkte ins Haus. „Das wird das Profil von Hannover als ,City of Music‘ weiter schärfen“, lautet die Überzeugung von Friederike Ankele und Dr. Benedikt Poensgen – komplette Einigkeit bei der Leiterin des hannoverschen Kulturbüros und ihrem Vorgänger, der nach einem einjährigen Abstecher zur „Musikkultur Rheinsberg“ nun als Veranstaltungsleiter für Herrenhausen tätig ist.
Vom 29. November 2022 bis zum bis 26. Februar 2023 sind elf Programmpunkte angesagt und Ort des Geschehens ist das am Ende des 17. Jahrhunderts errichtete Galeriegebäude mit seiner prachtvollen Wand- und Deckengestaltung: „Ich kann mir keinen besseren Ort für unsere Reihe vorstellen“, betont Poensgen. „Durch die Kombination von akustischem und visuellem Erleben entsteht so etwas wie ein Gesamtkunstwerk.“
Cross-over mit Mundorgel
Die niedersächsische Landeshauptstadt hat gleich mehrere Ensembles zu bieten, die sich gern auf musikalische Abenteuer einlassen. Die mehrfach preisgekrönte Gruppe „Musica Alta Ripa“ etwa will am 8. Dezember Okzident und Orient miteinander verbinden. So sollen nicht nur Werke von Henry Purcell erklingen, sondern auch Kompositionen der Syrerin Dima Orsho, die zudem als Sängerin mit von der Partie ist. Und zu den üblichen Barock-Instrumenten gesellen sich die Duduk-Flöte oder die Buzuq-Laute. Die Shö wiederum ist eine Art Mundorgel und spielt eine Rolle bei einem weiteren Cross-over-Projekt: „Der Ruf des Phönix“ wird am 3. Februar zu hören sein, wenn das Ensemble „musica assoluta“ italienischen Frühbarock mit höfischer Musik aus dem Japan des 11. Jahrhunderts kombiniert.
Zeit für Wiederentdeckungen beim Herrenhausen Barock
Beim Silvesterkonzert mit der Hannoverschen Hofkapelle stehen zwar bekannte Namen wie Vivaldi, Händel oder Telemann auf dem Programm, für Abwechslung ist aber schon dadurch gesorgt, dass die in Hannover bestens bekannte Schauspielerin und Sängerin Alix Dudel Rezitationen beisteuern wird. Thema des Abends zum Jahresausklang: die Elemente.
Auch Altes kann neu sein. Das trifft auf den in Vergessenheit geratenen Haydn-Lehrmeister Gregor Joseph Werner (1693–1766) zu, um dessen Rehabilitierung sich vor allem Lajos Rovatkay verdient gemacht hat: „Werner ist weder Modernist noch Traditionalist“, sagt der hannoversche Professor. „Er beleuchtet die eher profane Wiener Klassik neu, auch durch die spirituelle Kraft seines gewaltigen kirchenmusikalischen Lebenswerkes.“ Am 22. Januar kann man die Wiederentdeckung Werners in einem Konzert mit dem Ensemble „la festa musicale“ verfolgen.
Würdigung für den Kapellmeister
Rovatkay hat außerdem entscheidend zur angemessenen Würdigung von Agostino Steffani (1654–1728) beigetragen, seinerzeit umtriebiger Kapellmeister am hannoverschen Hof. Die Leitung der Festwoche legte er zuletzt in die Hände von Bernward Lohr, einst Rovatkay-Schüler und inzwischen selbst Professor für Alte Musik an der hiesigen Hochschule. Der hat nun die Aufführung von Steffani-Werken, die teils lange nicht mehr öffentlich gespielt wurden, zwischen dem 19. und 26. Februar unter das Motto „Freiheit“ gestellt. Unter anderem mit dem Verweis auf damalige Demokratieverhältnisse im musikalischen Betrieb: „Die Ensembles waren früher weit weniger autoritär angelegt, wurden von Musikern aus den eigenen Reihen geführt. Der Dirigent, der wie ein General die verschiedenen ,Waffengattungen‘ im Orchester anleitet, ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts.“