Susanne Borsch weiß um diesen besonderen Moment, wenn Menschen in die Galerie Drees kommen, durch die weißen Räume des ehemaligen Fabrikgebäudes am Weidendamm schlendern – und Kunst das erste Mal als etwas betrachten, das sie kaufen wollen. „Einsteiger in den Kunstmarkt sind oft unsicher“, sagt die Kulturwissenschaftlerin. Sie wollen etwas Schönes kaufen – und gleichzeitig sicher sein können, dass sie einen fairen Preis zahlen.
Kunst ist ein Milliarden-Markt
In der Galerie Drees im Norden Hannovers kosten die günstigsten Werke um die 800 Euro und gehen hoch bis etwa 30.000 Euro. Keine Werte wie bei spektakulären Auktionen in London oder New York, aber eben auch nicht billig. Und anders als bei anderen Dingen, die sich wieder verkaufen lassen wie eine Goldkette oder ein Auto, sind vielen die Faktoren für die Wertermittlung eines Kunstwerks unklar.
Auch Hobby-Kunstsammler verfolgen die Nachrichten. Kunst ist längst ein Milliarden-Markt. Viele Kunstsammler setzen auf eine Rendite wie bei durchstartenden Tech-Aktien. So wie bei der „Dame mit Fächer“, die der österreichische Künstler Gustav Klimt vor gut 100 Jahren gemalt hat. Das Gemälde wurde vor Kurzem in London für 85,3 Millionen Pfund (knapp 100 Millionen Euro) versteigert. Als es zuletzt vor knapp 30 Jahren unter den Hammer kam, erzielte es „nur“ rund 11 Millionen Euro. Solche Beispiele sind allerdings eine Seltenheit auf dem Kunstmarkt. Mit dem Tagesgeschäft kleinerer Galerien hat das nur wenig zu tun.
Die Hürde überwinden
Die Galerie Drees hat sich auf zeitgenössische Kunst spezialisiert, vertritt etwa Kunstschaffende wie Hanna Nitsch, Samuel Salcedo und Franziska Stünkel. „Man muss die Hürde einfach überwinden“, sagt Borsch. Ihr Einsteigertipp: „Schauen Sie als Erstes, welche Art von
Kunst Sie begeistert!“ Man müsse nicht Kunst studieren. Aber sich über die Künstler zu informieren und den Background der Werke zu verstehen, helfe enorm beim Verständnis und bei der Kaufentscheidung. „Wenn man Kunst für die eigenen vier Wände kauft, sollte das Werk in erster Linie Begeisterung, Faszination oder auch Freude auslösen“, sagt Borsch. „Monetäre Erwägungen sollten daher zweitrangig sein.“
„Der Genuss ist die Rendite“, formuliert es Ole-Christian Koch von der gleichnamigen Galerie Koch in der Königstraße. Er empfiehlt neben dem Galeriebesuch, sich auf Messen wie etwa der Art Cologne sowie in Kunstvereinen umzuschauen. „Das ist eine gute Möglichkeit, sich eine Bandbreite an Galerien und Künstlern anzuschauen, um herauszufinden, wo man hingehört“, sagt Koch.
Die Rolle der Künstler-Biografie
Nach möglichst hohen Wertsteigerungen fragt in den hannoverschen Galerien eher selten jemand. Hier wird meist gekauft, weil es gefällt – und wenn es sich preislich entwickelt, ist das ein willkommener Nebeneffekt. Aber angemessene Preise, die sind den Kunden schon wichtig. Was also sollten Einsteiger beachten? „Die Bewertung eines Kunstwerks ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängt“, sagt Susanne Borsch. Zentrales Element sei die künstlerische Bedeutung und Reputation eines Künstlers. Wo hat der Künstler studiert? Bei wem? Gab es wichtige Ausstellungen oder sogar schon eine Einzelshow in einem Museum? Stipendien? Preise? „Man muss lernen, die Biografie eines Künstler zu lesen“, sagt Ole-Christian Koch. Eine gute Galerie gebe konkrete Einblicke in die Vita des Künstlers. Und natürlich spielt auch die
Nachfrage nach den Kunstwerken eine Rolle beim Preis. Je gefragter ein Künstler auf dem Kunstmarkt ist, desto höher ist auch der Preis der Kunstwerke.
„Die genialen Autodidakten gibt es eigentlich nicht“, sagt Borsch. Qualitativ hochwertige Kunst stamme in der Regel von Kunstschaffenden, die Kunst auch studiert haben. Susanne Borsch nennt als Beispiel aus dem Portfolio der Galerie Tine Benz: Studium an der Universität der Künste in Berlin, Meisterschülerin bei Professor Georg Baselitz, zahlreiche Stipendien und Ausstellungen. All das sind wichtige Faktoren für den Wert der Kunstwerke.
Die Rolle von Galerien
Am Ende ist es meist eine Matheaufgabe: Länge mal Breite mal Faktor, der sich aus den genannten Kriterien ergibt. Der Faktor kann bei 15 oder 20 starten – und sich dann durch Reputation, Ausstellungen, Preise und Stipendien in die Höhe entwickeln. Galerien sind also darum bemüht, den Faktor zu erhöhen. Sie fördern die Künstler, erstellen Publikationen, organisieren Ausstellungen und Kunstmessen. Sie vermitteln Künstler an Kuratoren von Museen oder Kunstvereine. Und sie verkaufen Kunstwerke an Privatpersonen, Firmen und Kunstsammler. Darüber hinaus gewährleisten sie die Echtheit von Kunstwerken. Das alles hat seinen Preis – auch für die Kunstschaffenden. So gilt als gängige Regel, dass sich Künstler und Galerie die Erlöse 50:50 teilen. Eine gute Galerie sollte in der Lage sein, ihre Preise transparent zu erläutern, sagt Ole-Christian Koch. Er plädiert für Gelassenheit beim Erwerb von Kunst: „Man sollte keine Schwellenangst haben. Wir bieten hier auch einfach eine Ware an.“
Text: Stefanie Nickel, Beitragsbild: AntonioDiaz/AdobeStock