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Mit Tee den Lärm der Welt vergessen

15. November 2024

Zunächst war er ein exotisches Luxusgut für den hannoverschen Kurfürsten auf dem britischen Thron und dann ein teures Statussymbol für die adligen und wohlhabenden Schichten: der Schwarztee aus Assam, Darjeeling oder Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Heute ist eine gute Tasse frisch aufgebrühten Tees aus losen Blättern ein feines Stück Alltagsflucht. Die Teekultur in Norddeutschland ist rund 350 Jahre alt und sie zeigt: Wir können noch einiges von
den Briten und den Ostfriesen lernen.

Von den fernen Teegärten Indiens und Chinas kam der Tee als exotisches Luxusgut nach Deutschland. Die frühesten
Aufzeichnungen über Teekonsum in Hannover stammen aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert. Tee war teuer, selten und schwer zu beschaffen. Wer sich ihn leisten konnte, demonstrierte der Welt mit einer Tasse Assam oder
Ceylon seinen Status, Geschmack und Wohlstand.

Verbreitet aus Hannover

Im 18. Jahrhundert spielten die Briten eine dominante Rolle im Teehandel und brachten mehr und mehr Tee insbesondere aus ihrer indischen Kolonie zu den Nordseehäfen. Besonders am hannoverschen Hof fand die neue Tradition des Teetrinkens schnell Anklang, nicht zuletzt wegen der intensiven Verbindungen zum englischen Königshaus. Damit spielte Hannover zur Zeit der Personalunion eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung des Tees in Norddeutschland.

Im späten 18. und 19. Jahrhundert wurde der Tee in bürgerlichen Kreisen immer beliebter, insbesondere in Ostfriesland. Dort entwickelte sich eine intensive und sehr lebendige Teekultur, seit dem Jahr 2016 immaterielles
Kulturgut der UNESCO.

Die Teekultur ist nicht nur beliebt, sondern auch Teil des UNESCO Kulturerbes.

Dennoch hat es der Tee zumindest außerhalb von Ostfriesland nicht leicht, sich gegen seinen dunkleren und
kräftigeren Konkurrenten zu behaupten. Rein mengenmäßig schlägt der Kaffeekonsum den Tee um Längen: Auf
162 Liter Kaffee pro Person kamen im Jahr 2023 lediglich 38 Liter Tee. Obwohl beides Aufbrühgetränke sind, hat
Kaffee ein ganz anderes Image als schwarzer Tee. Kaffee wird oft als Wachmacher getrunken und allgemein mit
einem dynamischen Lebensstil verbunden. Er ist ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens und wird
in Cafés, unterwegs und bei der Arbeit konsumiert – also quasi jederzeit.

Guter Tee ist ein Zeichen von Entspannung

Eine gute Tasse Tee hingegen ist ein Zeichen von Entspannung und einer kurzen Abkehr vom Alltag. Sie wird
zumeist zu Hause zubereitet und in Ruhe am heimischen Tisch getrunken. Nicht umsonst lautet ein bekannter
Ausspruch aus China: Man trinkt Tee, damit man den Lärm der Welt vergisst. Obwohl … die traditionelle Teestunde zu Hause könnte auch dadurch bedingt sein, dass es in Hannover wie auch in den meisten anderen Städten
in Deutschland zwar viele Cafés mit hervorragenden Kaffeezubereitungen gibt, aber nur sehr wenige mit wirklich
gutem Tee. In dieser Hinsicht hinkt der Tee dem Kaffee noch sehr hinterher.

Doch was macht denn eigentlich eine gute Tasse Tee aus?
Vergessen Sie als Erstes Ihre komplette Teebeutelsammlung in der Küche. Wirklich guter schwarzer Tee kommt
nur lose in den Handel. In den regulären Supermärkten um die Ecke wird meist nur eine sehr geringe bis gar keine Auswahl von losen Tees vorgehalten, sodass sich der Weg zum Fachgeschäft lohnt. Gerade für Teeanfänger ist eine gute Beratung hilfreich, denn wer wüsste schon auswendig, wie sich Assam, Darjeeling, Earl Grey, English
Breakfast oder eine Ostfriesen-Mischung voneinander unterscheiden, was der Unterschied zwischen First und
Second Flush ist (die erste beziehungsweise zweite Ernte des Jahres) oder was Buchstabenkombinationen wie BOP
oder TGFOP auf der Verpackung bedeuten. Dazu eine grobe Faustregel: Das Vorhandensein solcher Buchstaben
kann als Qualitätsmerkmal gewertet werden, und je mehr Buchstaben, desto besser ist der Tee.

Genießer trinken Tee, der aus losen Blättern gebrüht wurde.

Wer bisher vor allem Kaffee getrunken hat, steigt vielleicht mit einem kräftigen, malzigen Assam ein, der auch gut mit Milch und Zucker zu genießen ist. Wer einen helleren Tee mit einem feinen Aroma sucht, probiert einen Darjeeling – oft als der Champagner unter den Tees bezeichnet. Der bekannte Earl Grey hingegen ist ein aromatisierter schwarzer Mischtee mit gebrochenen Blättern und erhält seine charakteristische Note durch das zugesetzte Bergamotte-Öl.

Bei der Zubereitung zu Hause gilt: Aroma braucht Freiheit. Die Teeblätter müssen Platz haben, um sich zu entfalten.
Die wirklichen Profis brühen ihren Tee in einer ersten Kanne, in der sich die Teeblätter frei im heißen Wasser bewegen,
und erst danach wird der Tee durch ein Sieb in eine zweite vorgewärmte Kanne abgegossen. Für den Alltag reicht es
aber auch, direkt in der Kanne zu brühen und den Tee dazu in einen ausreichend großen Teefilter zu füllen – kein Tee-Ei und keine Zange, darin haben die Blätter zu wenig Platz.

Profis unter den Teetrinkern nutzen ein Sieb für die losen Teeblätter, aus denen sie ihren Tee zubereiten.

Die nächste wichtige Frage ist die der Tasse. Jeder passionierte Teetrinker weiß: Am besten kommt das Teearoma
in einem klassischen Porzellanservice zur Geltung. Eine zwar nicht ganz günstige Investition in die Tischkultur,
aber eine, die sich lohnt: Sie trägt dazu bei, dass der Tee immer auch die kleine Alltagsflucht bleiben wird, für die
er geschätzt wird. Natürlich schmeckt er auch aus einem nicht zu großen und eher dünnwandigen Becher.
Ob mit Milch oder Sahne, losem Zucker oder Kandis und mit oder ohne Zitrone bleibt jedem selbst überlassen.

Wenn der hochwertige und gut zubereitete Schwarztee (hoffentlich) bald eine größere Verbreitung in Hannover
und Norddeutschland finden wird, dann sollten nicht nur die Rohstoffe und die Art der Zubereitung eine Rolle spielen, sondern auch die Teekultur. Ein Blick nach Ostfriesland und nach England zeigt: Dort, wo viel Tee getrunken wird,
ist er ein Sinnbild für Lebensart. Egal ob Teetied oder Teatime – Tee steht für Gastfreundschaft, für gute Gespräche
und für einen Moment der Entschleunigung im hektischen Alltag.

Text: Catrin Kuhlmann
Fotos: Adobe Stock

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