Honig, Öl und Nudeln aus Neustädter Mohn
Zum Sommeranfang sieht Landwirt Henning Dangers ein bisschen orangerot. Doch vor allem sieht er lila. Farbenprächtiger Wintermohn blüht auf seinem Acker. Die Farbpalette der hauchfeinen Blütenblätter reicht von zartem hellrosa bis zu kräftigem violett. Das lockt Bienen und Fotografen gleichermaßen an. Nach der Ernte, ab Mitte Juli, freuen sich dann Feinschmecker über die hochwertige Saat mit dem leicht nussigen Geschmack.
Auf Mohnbrötchen sind die aromatischen Körner ein Klassiker, für Mohnkuchen werden natürlich mehr als ein paar Streusel benötigt. Und die kann Dangers liefern.
Seit sieben Jahren baut der experimentierfreudige Neustädter Mohn an. Dangers Recherche nach geeignetem Bienenfutter brachte ihn auf ein der ältesten Kulturpflanzen der Welt. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt sie aus Vorderasien, doch gedeiht sie auch in anderen Gegenden – im Neustädter Land zum Beispiel. „Zwischen der frühen Obst- und Rapsblüte musste ich den Zeitraum bis zur Akazienblüte überbrücken“, schildert Dangers die gesuchten Blüheigenschaften Denn auch Imkern zählt zu seinen Leidenschaften. Inzwischen weiß er aus eigener Erfahrung: Mohn kommt mit Boden und Klima sehr gut zurecht. Bei heimischen Schädlingen ist die Pflanze noch gänzlich unbekannt, da sehr selten. „Also macht sich kein Getier an Blüte oder Stängeln zu schaffen und wir benötigen keinen Pflanzenschutz“, freut sich Dangers über den unkomplizierten Anbau.
Wer auf den milchig–weißen Opiumsaft der Pflanzenstängel hofft, wird allerdings enttäuscht. Dangers Wintermohnsorte heißt „ZENO MORPHEX“ und hat einen Morphingehalt von jeweils unter 0,02 Prozent.
Man kann sich die Mohnkörner und Pflanzenteile also gerne auf der Zunge zergehen lassen, aber zu Kopf steigt da nichts. Dennoch muss man sich in der Bundesrepublik den Mohnanbau von der Bundesopiumstelle genehmigen lassen. Vor sieben Jahren beantragte Dangers die erste Genehmigung. Sie wurde ihm zügig ausgestellt. Inzwischen hat er eine unbefristete Erlaubnis und kann sich auf Ernte, Reinigung und Weiterverarbeitung des Mohns konzentrieren.
Konditoren schätzen den schmackhaften Backmohn aus dem Neustädter Land. Wer die kleinen schwarzen Körner klassisch nutzt, veredelt damit Brötchen, backt Kuchen oder Torten. Außerdem lässt sich feines, kalt gepresstes Öl aus den Mohnkörnern gewinnen. Mohnöl ist beinahe schwarz, der Geschmack leicht nussig und aufgrund der hochwertigen Inhaltsstoffe sehr gesund. Der Gehalt an ungesättigten Fettsäuren ist hoch. Auch Vitamin E, Kalzium, Magnesium, Eisen, Zink, Kupfer und Mangan sowie an Vitamin B1 sind in dem Mohnöl von Henning Dangers reichlich vorhanden.
Doch der experimentierfreudige Ackerbauer schätzt vor allem den charakteristischen Geschmack seines Mohns. „Inzwischen habe ich das optimale Verhältnis ausgetüftelt“, berichtet Dangers beispielsweise von seiner Bienenhonig-Mohn Kombination. Da Tier und Pflanze bereits bei der Entwicklung eine ganz besondere Allianz eingehen, lag es für ihn nahe, sie auch im Honigglas zu kombinieren. „Das harmoniert geschmacklich sehr schön“, berichtet er.
Auch die Verbindung von Getreide und Mohn gelingt. Mohn passt nämlich auch zu Nudeln. Wer den hellgelben Anblick von Pasta gewöhnt ist, muss allerdings etwas umdenken. Die hellen Spiralnudeln sind voller dunkler Mohnsprengsel, was extra extra Aroma liefert. „Als süße und als herzhafte Variante schmecken sie gleichermaßen lecker“, freut sich Dangers über seine Mohnnudeln.
In Sachen Optik machte Neustadts Wintermohn in diesem Jahr schon Pfingsten viel her. „Die Blüte war zwei Wochen früher dran, als erwartet“, berichtet der Mohnbauer. Zehn Tage dauerte die Blütenpracht. Aber die trockenen Mohnkapseln sehen auch eindrucksvoll aus und werden von Floristen als Deko geschätzt. „Sähen eindrucksvoll aus“, korrigiert Dangers, denn er nutzt einen klassischen Mähdrescher für die Ernte, der die Kapseln zerdrückt. Nur die Mohnkörner bleiben übrig und werden von ihm aufwändig gereinigt, bevor sie in den Verkauf gehen. Eine kleine Einschränkung für Versuchsköche gibt es allerdings: Zum Braten und Kochen eignet sich Mohnöl wegen seines niedrigen Rauchpunktes leider nicht. Dafür zieht es schnell in die Haut ein und hält diese geschmeidig.
Ob das Projekt auch wirtschaftlich ergiebig wird, hat der noch nicht zu Ende gerechnet. Mohn ist wie Raps ein Kreuzblütler. Während man von einem Hektar Rapsfeld mehrere Tonnen der ölhaltigen Saat ernten kann, bringt Dangers Mohnernte deutlich weniger auf die Waage. Da ergibt die ein Hektar große Anbaufläche etwa eine halbe Tonne Ertrag“, berichtet er. Doch die geringe Menge liefert Aroma und regt Hobbyköche und -bäcker zum Experimentieren an.
Weitere Infos gibt es unter: www.hof-dangers.de
Text: Patricia Chadde