Das Metropolitan Museum New York wollte sie haben. Berlin, Dresden und Hamburg hatten für ihre großen Caspar David Friedrich-Ausstellungen angefragt. Wir haben sie! In einer Kabinettausstellung mit dem Titel „Tageszeiten. Caspar David Friedrich in Hannover“ zeigt das Landesmuseum Hannover den einzigen, vollständig erhaltenen Tageszeitenzyklus des Malers, der in diesem Jahr 250 Jahre alt geworden wäre. Die Ausstellung umfasst zwar nur sechs Bilder. Aber sie ist spektakulär.
Dass die Bilder in Hannover und sonst nirgendwo anders zu sehen sind, ist einem eher traurigen Umstand zu verdanken: Zwischen den einzelnen Malschichten gibt es Lufträume. Die Gefahr ist groß, dass bei einem längeren Transport durch Erschütterungen Farbe abplatzt und die Gemälde großen Schaden nehmen würden. Da die Gemälde dem Landesmuseum gehören und der Transportweg dementsprechend gering ist, können sie in Hannover gezeigt werden.
Der einzig erhaltene Tageszeitenzyklus
Dem einzigen, vollständig erhaltenen Tageszeitenzyklus des Malers sind zwei weitere Bilder hinzugefügt worden: Das eine ist ein Bild von ausfahrenden Booten am Morgen von 1818, das andere ist ein Porträt von Caspar David Friedrich selbst, das sein Freund Johann Ludwig Gebhard Lund um 1800 gefertigt hat. Caspar David Friedrich schaut auf diesem Bild den Betrachter seines Porträts nicht an. Sein Blick ist leicht nach oben gerichtet. Er schaut aus dem Bild heraus. So, als würde er gleich von dem Stuhl aufstehen, auf dem er sitzt. Das Buch, in dem er gerade gelesen haben mag, liegt schon zusammengeklappt auf seinem Oberschenkel. Er wendet sich dem Licht zu. Der Raum, in dem er ist, ist hinter ihm dunkel. Es ist das Porträt eines Menschen, den es dem Licht entgegenzieht, der allerdings nicht verrät, was genau er gesehen hat und wohin er möchte. Seine Zukunft ist verklärt. Genauso wie beim Wanderer überm Nebelmeer sieht der Betrachter nichts, was auf das zukünftige Tun hinweisen würde.
Lichtwandlungen
Es ist das Licht, das in Caspar David Friedrichs Bildern eine große Rolle spielt. Während es am Morgen noch hinter den bewaldeten Bergen in zarten Orange-Rosafarben den aufsteigenden Nebel und den im Halbdunkel liegenden See in eine romantische Atmosphäre taucht, ist es am Abend nur noch als schmaler Streif hinter dunklen Bäumen zu erkennen. Selbst am Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht, scheint es nicht grell.
Mystik des Augenblicks
Bei der Betrachtung der Werke zeigt sich aber auch: Caspar David Friedrich ist vor allem auch ein Künstler der Dunkelheit, aus der er immer wieder neue Aspekte demjenigen zeigt, der Geduld mit seinen Bildern hat. Denn es braucht Zeit, bis sich auch die Augen des Betrachters an die Dunkelheit gewöhnt haben. Und so ist es auch gar nicht von Nachteil, dass diese Kabinettausstellung „nur“ sechs Gemälde umfasst. Caspar David Friedrichs Kunst ist, dass man – manchmal vielleicht auch ungewollt – sich länger mit seinen Bildern beschäftigen muss. Doch so wird man hineingezogen in die Mystik des Augenblicks.
Genau hinsehen
Auch die in den Bildern dargestellten Menschen sind oft erst auf den zweiten Blick erkennbar. Während am Morgen der Fischer im Boot steht und arbeitet, blicken am Abend zwei Wanderer dem Sonnenuntergang entgegen. Am Mittag ist ein Schäfer auszumachen, der seine Herde hütet, die wie kleine weiße Punkte auf dem Feld ruhig grast. Ein Pferd zieht am Nachmittag im Trab einen Wagen übers Feld. Der Landwirt bringt seine Ernte ein. Auch mit diesen Darstellungen – Ausfahrt auf den See, geschäftige Ruhe am Mittag, Ernte einbringen am Nachmittag und Entspannung am Abend – unterstreicht er den Rhythmus der Tageszeiten und deren Ablauf.
„Es ist uns eine große Freude, diese Kabinettausstellung präsentieren zu können“, erklärt Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover. Die Werkfolge der „Vier Tageszeiten“ böte einen einzigartigen Einblick in Friedrichs künstlerische Vision und seine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Zyklen des Lebens. „Wir danken zudem den Freunden der Landesgalerie Hannover für ihre großzügige inhaltliche wie finanzielle Unterstützung, die die Realisierung des Begleitbandes ermöglicht hat“, betonte sie.
Der Ausstellungsbesuch ist im Museumseintritt inbegriffen. Der Begleitband ist im Museumsshop für 5,90 Euro erhältlich. Im Buchhandel kostet er 6,95 Euro. Zudem gibt es zur Kabinettausstellung, die bis zum 2. Februar 2025 zu sehen ist, ein Begleitprogramm. Nähere Informationen unter Startseite – Landesmuseum Hannover (landesmuseum-hannover.de)
TEXT: Dr. Heike Schmidt
Titelbild: Dr. Heike Schmidt/ Portrat – Casper David Friedrich