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Nobilis kocht Reh

05. März 2024

Wenn Ronny Schmelzer kocht, dann sollte man lieber nicht im Wege stehen. Denn dieser Koch ist schnell. Sehr schnell. Die Griffe sind geübt. Man könnte ihn wahrscheinlich nachts aus dem Tiefschlaf wecken und er wüsste, wann es Zeit ist, das Reh aus der Pfanne zu nehmen und die Kräuterseitlinge zu würzen. Gleichzeitig würde er dann noch den Maronenstrudel aus dem Ofen ziehen. Natürlich perfekt goldgelb gebacken. 20 Jahre arbeitet er schon für das Restaurant im Schweizerhof, das seit einem Jahr „Albertz.“ heißt. Nach einem grundlegenden Umbau und der Namensänderung wird hier deutsche Küche mit ebenfalls modernisierten Klassikern angeboten. So ist der rosa gebratene Rehrücken mit Rübchen, Kräuterseitlingen, Maronenstrudel und Schokojus, den Ronny Schmelzer gemeinsam mit der Nobilis zubereitet, zwar ein klassisches Gericht der deutschen Küche mit Produkten, die regional und jahreszeitlich angesagt sind. Das was aber letztendlich auf den Teller kommt, ist weitaus feiner zubereitet und kommt auch ohne Schnaps nach dem Essen aus.

Strudelkunst vom Feinsten

Doch bevor der Rehrücken präpariert wird, kommt der Strudelteig zu Einsatz. Diesen hat Ronny Schmelzer am Tag zuvor vorbereitet. Die Zutaten dafür sind übersichtlich: Mehl, Öl, Wasser, Salz. „Mehr brauchen wir nicht dafür“, sagt er. Das Öl ist dafür zuständig, dass sich der Teig gut ziehen lässt. Denn ein klassischer Strudel wird eben nicht gerollt, sondern mit den Händen dünn gezogen. Der Koch verwendet dafür eine bemehlte Tischdecke als Unterlage. „Das geht am besten“, erklärt er. Mindestens eine Stunde sollte der Teig ruhen, bevor er verarbeitet wird, damit das möglich ist.

Wenn der Strudel dünn genug ist, kommt die Füllung zum Einsatz. Diese besteht aus Maronen, einer Pilzmasse, Thymian und etwas Eigelb. Mit einem Spritzbeutel spitzt er lange streifen auf den Teig, klappt ihn um, spritzt wieder eine Linie, wieder umschlagen – das geschieht so lange, bis kein Teig mehr vorhanden ist. Dann werden die Enden angeschnitten und zugedrückt. Anschließend wird der Strudel mit einer Mischung aus Eigelb und Sahne bestrichen, kommt auf eine Backmatte wird bei 175 Grad Celsius Umluft für etwa 25 Minuten in den Ofen.

Geschmack in Perfektion

Jetzt wird der Rehrücken ausgelöst. Mit einem scharfen Messer beidseitig des Rückrades die Filets heraustrennen und anschließend die Silberhaut entfernen, bis das schiere Stück Fleisch übrigbleibt. Und dann passiert erst einmal nichts. Das Fleisch wird weder – wie es früher klassisch war – gespickt oder gar in Buttermilch eingelegt. „Das brauchen wir alles nicht“, erklärt Ronny Schmelzer. Wenn das Fleisch frisch ist – nach einer Woche in der Decke abgehangen und dann ausgeschlagen – und das Tier jung gewesen sei, dann sei das völlig unnütz. „Ich bin ein Fan davon, dass der Geschmack erhalten bleibt“, betont der Koch. Bei guten Produkten reiche der Eigengeschmack häufig. Nachdem der Koch das Fleisch portioniert hat, salzt und pfeffert er es. „Was man dran hat, hat man dran“, sagt er. Außerdem bekäme das Fleisch eine schönere Kruste beim Anbraten. „Lieber nachher noch ein wenig auf der Schnittfläche nachsalzen“, erklärt er. Bitte nicht auf der Bratkruste salzen. Da das Salz dem Fleisch Flüssigkeit entzieht, könnte es dann passieren, dass die krosse Kruste weich wird – und das sei ja nicht gewollt.

Perfekte Pfannenharmonie

In die Pfanne kommt ein wenig Rapsöl. Überschüssiges Öl wird sofort entfernt, bevor das Fleisch hineinkommt. „Wir wollen das Reh ja braten und nicht baden“, sagt Schmelzer lächelnd und legt das Reh hinein. In einer zweiten Pfanne braten ebenfalls in Olivenöl die Kräuterseitlinge an. Im Gegensatz zum Fleisch bekommen sie weitaus mehr Öl. „Die saugen das auf wie ein Schwamm“, sagt er. Kleingeschnittene Charlotten kommen dazu. Aber kein Knoblauch. „Das würde den Geschmack verfälschen.“ Die unterschiedlichen Rübchen hat der Koch zuvor blanchiert, das heißt er hat das Gemüse gekocht und dann in Eiswasser abgeschreckt, so dass die Farbe der Rübchen erhalten bleibt. Sie kommen jetzt in ein Gemisch aus Gemüsefonds und geschmolzener Butter. „Butter und Sahne sind total wichtig“, betont Schmelzer. Von Ölen mit Butteraroma hält er gar nichts: „Wer Butter kennt, möchte Butter haben und kein Aroma.“ Er setzt auf raffiniertes Rapsöl zum Braten: „Das hat einen hohen Rauchpunkt und eignet sich sehr gut.“

Kochkunst auf den Punkt

Der Rehrücken in der zweiten Pfanne wird langsam kross. Jetzt kommen zwei Rosmarinzweige hinzu. Schmelzer drückt mit dem Daumen aufs Fleisch. An der Konsistenz merkt er, wann es rosa ist. „Wenn es gar nicht mehr nachgibt, ist es definitiv zu spät – und keineswegs mehr rosa.“ Das Fleisch scheint perfekt zu sein. Es kommt vom Ofen und zum Ausruhen unter eine Wärmelampe. „Das ist nötig, damit sich der Fleischsaft gut verteilt.“ Die Kräuterseitlinge bekommen noch ein wenig Petersilie.

Ein Jahr ‚Albertz

Der Ofen signalisiert, dass die Backzeit um ist. Der Strudel ist fertig. Auch er darf sich einen Moment ausruhen, bevor er angeschnitten wird. Das Gemüse hat in der Butter-Fonds-Mischung einen schönen Glanz bekommen. Alles ist auf den Punkt fertig. Der große Moment steht bevor: Das Fleisch wird angeschnitten und angerichtet. Es ist tatsächlich außen kross und innen wunderbar rosafarben. Perfekt. Der Klassiker ist fertig: fein, traditionell und doch ganz neu. Ganz so, wie sich das „Albertz.“ auch versteht. Es steht übrigens nicht nur Hotelgästen offen. In diesem Monat wird zudem das einjährige Bestehen und der Neuanfang gefeiert. Das Restaurant im Schweizerhof gibt es indes schon sehr lange. „Wir sind auch so etwas wie die Talentschmiede für Köche“, verrät Ronny Schmelzer. Einst kochte Norbert Schu im Schweizerhof, bevor er Die Insel am Maschsee eröffnete. Und auch Deniel Nicolas, der inzwischen in Schuberts Brasserie kocht, hat in der Küche gelernt, die nicht nur gute Köche ausbildet, sondern auch selbst Hervorragendes zaubert.

Text: Heike Schmidt, Fotos: Tobias Wölki

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