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Das Geheimnis eines unterschätzten Rings

17. April 2023

Kleines Schmuckstück, großer Wert: Heute hat das Landesmuseum eine ganz besondere Leihgabe erhalten – den so genannten Wallmoden-Kameo. 200 Jahre war der Ring verschwunden. Niemand wusste, wo er war. Dass er jetzt In der Ausstellung „Nach Italien“ einen Ehrenplatz bekommen hat, ist Ittai Gradel zu verdanken. Dem ehemaligen Professor für römische Geschichte und Archäologie am Department of Classics der Universität Reading in Dänemark war der Ring im Vorfeld einer Versteigerung eines Münchner Auktionshauses aufgefallen.

Text: Heike Schmidt, Fotos: Landesmuseum Hannover, privat

Gradel ahnte, dass das Schmuckstück, das gemeinsam mit zwei weiteren Ringen angeboten wurde, mehr als die aufgerufenen 2000 Euro wert sein musste. Und so stieg der Experte für Steinschneidekunst in die Auktion ein. Eine Investition, die sich lohnen sollte: Es bewahrheitete sich, dass das Schmuckstück römischen Ursprungs ist, im Jahr 4-14 nach Christus geschaffen wurde und viel mit Niedersachsen zu tun haben sollte.

Der Ring Wallmoden-Kameo

Einst gehörte der Ring Johann Ludwig von Wallmoden (1736-1811). Als dieser verarmt und kinderlos starb und seine Sammlung aufgelöst wurde, verschwand der Ring. Durch welche Hände er gegangen war? Wer seine Besitzer nach Wallmoden waren? „Das alles wissen wir nicht“, sagt Gradel. Zudem gäben Auktionshäuser die Namen ihrer Auftraggeber nicht heraus. Sicher ist allerdings, dass es sich um Schmuck aus der Sammlung Wallmoden handelte.

In sanftem Licht glänzt die schlichte goldene Fassung des Ringes, die wahrscheinlich 1763 in Rom ergänzt wurde. Das aus dem Sardonyx-Stein geschnittene Porträt zeigt den jungen Germanicus, der Nachfolger von Kaiser Tiberius werden sollte, aber zuvor starb. Wer in der Antike einen solchen Ring geschenkt bekam, zeigte damit seine Loyalität zum Herrscher.

In Honig gekocht

„Die Feinheit der Arbeit ist unglaublich“, erklärt der Professor. Mit superfeinen Bohrern wie heute beim Zahnarzt ist das Abbild des Germanicus per Hand aus dem Stein gearbeitet worden. „Sardonyx ist ein Stein, der verschiedenfarbige Schichten hat“, weiß der Experte für Steinschneidekunst. Das helle Abbild des Germanicus und der dunkelblaue Hintergrund stammen aus einem Stein. Nichts ist aufgesetzt. Alles ist eins. „Um die dunkelblaue Farbe zu intensivieren, haben die Römer den Stein zuvor in Honig gekocht“, erklärt Gradel. Die Bezeichnung Wallmoden-Kameo sich zum einen aus dem Nachnamen ihres einstigen Besitzers, Johann Ludwig von Wallmoden, zum anderen aus der Art Bearbeitung eines Steins zusammen, aus dem ein erhabenes Relief herausgearbeitet wurde.

Auf seiner „Grand Tour“ durch Italien erwarb Johann Ludwig von Wallmoden das Schmuckstück 1765 für seine Sammlung in Hannover. Dass er sich eine solche Bildungsreise überhaupt leisten konnte, ist seinem Vater, König Georg II., zu verdanken. Wallmodens Mutter, Amalie Sophie von Wallmoden, war die Geliebte Georgs II., Johann Friedrich war das uneheliche Kind der beiden. Als illegitimer Sohn der beiden erhielt er eine umfassende Bildung und dazu gehörte selbstverständlich auch eine Kavaliersreise nach Italien. Dort lernte er auch Johann Joachim Winckelmann kennen, der als Mitbegründer der wissenschaftlichen Archäologie und Kunstgeschichte gilt. Winckelmann riet Wallmoden zum Kauf des Ringes. Der junge Adelige erwarb den Ring für seine Sammlung.

Schätze der Grand Tour – der Ring

„Die Sammlung Wallmoden war eine der wichtigsten Kunst- und Antikensammlungen des 18. Jahrhunderts nördlich der Alpen“, betont Minister Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. Die Auflösung der Sammlung nach dem Tod Wallmodens werde mit zu den unrühmlichsten Ereignissen in der Geschichte des kulturellen Leben Hannovers gezählt.

Im Eigentum des Landesmuseums Hannover sind etwa 30 Gemälde aus der berühmten Sammlung erhalten, die auf Umwegen in den Besitz der Könige von Hannover gekommen waren. „Die spektakuläre Leihgabe des Wallmoden-Kameo an das Museum ist ein weiterer wichtiger Baustein, der die herausragende Bedeutung der Sammlung für die Landes-, Wissenschafts- und Kulturgeschichte für das Publikum erlebbar machen kann«, so der Minister.

Ebenso erfreut ist auch Prof. Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover: „Wir freuen uns, dass dieses wundervolle Schmuckstück mit einer so spannenden Historie wiederentdeckt wurde, und sind Herrn Gradel außerordentlich dankbar für diese wunderbare Dauerleihgabe.“ Der „Wallmoden-Kameo« werde in der Sonderausstellung »Nach Italien. Eine Reise in den Süden« gezeigt. „Und somit in jener Schau, die sich auch mit der »Grand Tour« des 18. Jahrhunderts beschäftigt, auf welcher dieses Kleinod von Johann Ludwig von Wallmoden erworben wurde“, erklärt die Leiterin des Hauses.

Dass sie nach Hannover gelangen konnte, ist auch einem ganz speziellen Umstand zu verdanken: Im Dezember letzten Jahres hatte Gradel sie bei einer Auktion von Sothebys in London angeboten. Dort wurde sie mit 100.000 Euro gestartet. Doch niemand wollte sie haben. „Auch, weil zuvor kolportiert wurde, sie sei nicht echt“, erklärt der Professor. Welch Glück für Niedersachsen und das Landesmuseum, dass wieder einmal der wahre Wert des kleinen Schmuckstücks unterschätzt wurde.

Haben Sie schon unseren Podcast über die Clio gehört? Diese steht dem Wallmoden-Kameo direkt gegenüber in der Ausstellung „Nach Italien“. 14 Minuten Hörvergnügen.

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