Maren Meyer hat sich über ihrem Wohnraum eine kleine Oase zum Verweilen geschaffen. Als Bartenderin findet sie dort Raum und genug Spirituosen, um Gäste sowie Freunde perfekt zu bewirten, aber auch, um ihnen etwas beizubringen über Ingredienzen und Herkunft ihrer teilweise selbst erschaffenen Drinks. Auf einen Negroni am Bärenfell.
Text: Luisa Verfürth, Fotos: Shino photography
Tisch und Bar haben hier schon Pantoffeln gespürt. Dem ersten Bären wurden schon die Tatzen abgetanzt. Wenn er nicht selbst gesteppt und Maren Meyer die Drinks gemixt hat. Wenn die Profi-Bartenderin anfängt, kommt der Cocktailmixer nämlich nicht mehr in den Schlaf. Zum Glück. Denn in ihrem Kaminzimmer gibt es viel zu entdecken.
Seit Jahren arbeitet die 49-Jährige als Freelancer für Sierra Madre, die Marken wie Botucal Gin, G’Vine Gin, Kyrö Gin, Tequila und viele andere vertreiben. Mit Campari hat sie aber auch viel erlebt, und Bacardi war schon genau hier. In Meyers Bar. Ihr Wunsch: „Ich möchte gern wieder vermehrt Tastings anbieten, und da ich gefühlt vor eintausend Jahren Germanistik und Philosophie studiert habe, hätte ich Lust, diese mit Lesungen zu verbinden. Ich besitze unendlich viele literarische Bar-Bücher mit wunderbaren Short Storys. Und zu jeder Geschichte gibt es den passenden Drink.“
Früher wurde hier zum Teil mit 40 Gästen gefeiert. An Meyers 39. Geburtstag wurde bereits um zehn Uhr die Eichentür ausgehängt und auf den Tischen getanzt bis morgens um sechs. Das Gute ist: Hier hört es keiner. Aufgrund der Pandemie kann Meyer im Moment aber nur Gruppen von zehn Leuten empfangen. Gern auch Freunde, die sich ohnehin schon kennen oder aus gleichen Haushalten kommen. Ansonsten wird aber auch pausenlos gelüftet, und man kann wunderbar Luft schnappen oder auf der Terrasse eine Zigarette oder Zigarre genießen.
Maren Meyer besitzt eine große Bandbreite hochwertiger Alkoholika. „Meine Sammlung ist inzwischen so groß, dass ich mir unten noch ein Lager anlegen musste. Für die nächsten 300 Jahre kann ich gut und gerne ausreichend Drinks mixen“, sagt die Bartenderin und lacht.
Der vielleicht spannendste Besuch war eine Gruppe mit 20 Personen, die das schöne Damenzimmer buchte, als „Fifty Shades of Grey“ es gerade in die Kinos geschafft hatte und in Hannover eine Sexmesse gastierte. „Ich hatte erst keine Ahnung, wen ich da an der Strippe hatte, aber am Ende wurde es eine der besten Veranstaltungen. Es war ein Sex-Toy-Hersteller, der passend zu ‚Fifty Shades of Grey‘ an den Markt gegangen war. Da ich für jedes Tasting alle Karten von Hand mit einem Kalligrafiestift schreibe, musste ich damals an einem Tag noch schnell das Buch durchlesen und benannte die Drinks anschließend nach Protagonisten, Räumen und Toys. Es war ein legendärer Abend. Für viele ging um fünf Uhr das Flugzeug nach Kalifornien. Um drei Uhr waren die immer noch hier.“
Erotische Lesungen sind auch etwas, was sich Meyer gut vorstellen könnte. An Literatur fehlt es dafür ganz bestimmt nicht – und an aphrodisierenden Drinks auch nicht.
Die Gastgeberin serviert uns einen Negroni und fischt dazu das passende Buch aus dem Regal. Man kann sich genau vorstellen, welche prickelnde Stimmung hier aufkommt, wenn das Feuer im Kamin prasselt, man gemütlich Meyers Stimme lauscht und sich wundervoll schummrig einen alkoholischen Bären aufbinden lässt.
Formidable. A votre santé.
Wer Interesse an einem Tasting und einem literarischen sowie musischen Abend mit hochprozentiger Begleitung von Maren Meyer hat – gern per E-Mail Kontakt aufnehmen über mmeyer2004@web.de.
06. November 2020