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Ein Wintermärchen weist die Zukunft

30. Dezember 2021

Inspiriert von den weihnachtlich-dekorierten Schlössern in Schottland und England hat das Design-Duo Silverleafs die Historie im Wintermärchen bewusst betont und gleichzeitig poppige Einflüsse zugelassen. Spielend machen Sie Lust auf Geschichte und geben einen Hinweis auf die Interieur-Trends des Jahres 2022, die mit Farbenpracht und Opulenz daherkommen.
Text: Marleen Gaida  Fotos: Shino Photography und Johannes Pietsch
Die Corona-Krise hat Spuren in den schönen Künsten hinterlassen. Das wird vor allem in den Design-Trends der Mode und Einrichtung 2022 deutlich. Und wer jetzt denkt, alles würde grauer, trister und vor allem fader, der täuscht sich – und das gewaltig. „Es besteht ein großes Bedürfnis nach Zuversicht und Hoffnung“, beschreibt René Horstmann, Creative Director von Silverleafs, den aktuellen Zeitgeist. „Die Leute sehnen sich danach, sich in eine andere Welt fallen zu lassen“, was sich vor allem an dem Erfolg der Netflix-Serien „The Crown“ und „Bridgerton“ ablesen ließe, erklärt Horstmann. Folglich wird es nächstes Jahr nicht nur auf den Bildschirmen unserer Fernseher opulent und farbenfroh, sondern auch in den Räumen davor: fuchsia, orange und pink treffen auf erdige Töne wie blau und sand. Die nordische Kühle in Form eines „cleanen“ Einrichtungstypus, der bei den Deutschen grundsätzlich sehr beliebt sei, weiche künftig einem mediterranen und fließenden Design à la Marrakesch. „Zum einen gibt es die Sehnsucht nach Eskapismus, und auf der anderen Seite steht das Bedürfnis nach Cocooning“, erklärt Horstmann weiter. Wobei Cocooning, also das Einkuscheln oder Verpuppen, vor allem Ausdruck einer Sehnsucht nach Rückzug in die eigenen vier Wände aufgrund der anhaltenden Pandemie sei. 2022 stehe für Horstmann aber vor allem auch für den Mut, neue Konzepte zu denken, immer mit dem neuen Bewusstsein für die Umwelt und Corona zum Trotz.

René Horstmann (links) und Gerald Mayer sind das kreative Duo der Agentur Silverleafs aus Minden.

Wintermärchen bis Januar 2022

Mut, dem Schloss ein neues, temporäres Antlitz zu verleihen, hatten auch Tania und Nicolaus von Schöning. Das Betreiber-Ehepaar von Schloss Marienburg hatte schon 2020 Planung und Konzeption eines Wintermärchens auf der Burg in die Hände von Gerald Mayer und René Horstmann von Silverleafs aus Minden gegeben. Die anhaltende Pandemie und die damit verbundenen Restriktionen machten die Pläne obsolet. Erst in diesem Jahr konnte das Wintermärchen realisiert werden, das für Besucher noch bis zum 9. Januar 2022 zu sehen ist. Tania von Schöning sagt: „Wir hatten nach unseren Reisen nach England und Schottland eine bestimmte Idee im Kopf, die wir auch gerne auf Schloss Marienburg realisieren wollten.“ Nicolaus von Schöning ergänzt: „Die Briten haben eine ehrlichere Art, die eigene Kultur und Geschichte zu leben und in die Zukunft zu tragen – es gibt eine andere Wertschätzung gegenüber den eigenen Kulturgütern.“ Die Weihnachtsinszenierungen auf Blendheim Palace in Woodstock in der Grafschaft Oxfordshire und Castle Howard in North Yorkshire hätten die von Schönings besonders fasziniert. In dem jetzt erlebbaren Wintermärchen auf Schloss Marienburg würde vor allem die Mischung aus Licht und Ton Emotionen wecken und die Augen von den kleinsten Besuchern zum Leuchten bringen, so Tania von Schöning. Das Ehepaar ist fest davon überzeugt: „Nur, wenn wir bei den jungen Menschen Interesse wecken, wenn wir Kultur populär machen, hat diese eine Zukunft.“

Tania und Nicolaus von Schöning betreiben nicht nur das Schloss Marienburg, sondern auch das Gut Remeringshausen bei Stadthagen.

Grimms Märchen

Bisher habe man von den Besuchern nur positive Rückmeldungen auf das Wintermärchen bekommen, auch mit den Zahlen seien die von Schönings sehr zufrieden. Märchen ist übrigens auch das Stichwort für Königin Marie. Um eine Brücke zu schlagen für ihre Liebe zu den Märchen der Gebrüder Grimm, finden sich in den geschmückten Bäumen kleine Figuren, zum Beispiel aus „Der gestiefelte Kater“ oder „Die sieben Geißlein“. Bei einem gemächlichen Rundgang durch das Schloss lassen sich überhaupt kleine, hübsche Kuriositäten entdecken, wie der Uhu, der als Landlord verkleidet auf dem Kamin steht. Oder ein kleines sowie ein großes Einhorn – als Verweis auf den fantasievollen Vierbeiner im Wappen der Welfen. Sowieso – sowohl auf Schloss Marienburg als auch in den Wohntrends 2022 – gehe es um ein „Revival der alten Dinge“, erklärt René Horstmann. Gerade die junge Generation lege Wert auf Secondhand-Mode oder hochwertige Vintage-Möbel aus dem Familienerbe. Der gekonnte Mix von alten und neuen Elementen in der Mode und im Bereich Wohnen sei der Trend schlechthin. Bezogen auf das Wintermärchen bedeute das vor allem das Aufgreifen lieb gewonnener Traditionen: „Die Sehnsucht nach Weihnachten kann hier gespürt werden, das Sich-fallen-lassen können, aber das alles ohne Kommerz – es ist stiller hier“, fasst es Horstmann zusammen. Und Gerald Mayer ergänzt: „Wir wollten Werte erlebbar machen.“ Dabei wolle man Geschichten erzählen und sei bei der Kreation des Wintermärchens immer offen gewesen zu suchen, zu finden und neues zu schaffen, so Mayer weiter.

Welfen-Königin Marie war eine Liebhaberin deutscher Märchen. René Horstmann und Gerald Mayer nehmen in der Weihnachtsbaum-Dekoration darauf Bezug.

Eine fantasievolle Festtafel, wie sie es bei den Welfen sicher nicht gegeben hätte: Eine überbordende Fülle an Seidenblumen, Accessoires und rosé-farbenen Kerzen in goldenen Leuchtern trifft auf historisches Ambiente. Mit exotischen Südfrüchten und Fasanenfedern erinnert der Anblick an orientalische Festgelage aus dem Märchen.

Ein Stück heile Welt

Für René Horstmann sei der aktuelle Zeitgeist durch ein extremes Bedürfnis nach Zuversicht und Hoffnung geprägt. Menschen seien also umso offener dafür, in eine andere Zeit einzutauchen – wie zum Beispiel auf Schloss Marienburg, dem ehemaligen Familiensitz der Welfen und Königin Maries Eldorado – bevor sie am 23. Juli 1867 vor den Preußen für immer ins Exil flüchtete. Damals wie heute sind also die Zeiten um das Schloss herum geradezu rau und turbulent, aber hinter den dicken Mauern ist es ganz ruhig. Mayer: „Hier gibt es Raum und Zeit, die eigene Fantasie zu erleben. Besucher können entdecken, was es noch zu erleben gibt.“ Und Schlossherr Nicolaus von Schöning ergänzt: „Wir bieten ein Stück heile Welt in von der Pandemie zerrütteten Zeiten.“

Silverleafs

Foto: Gerald Mayer Im Einkaufszentrum LAGO in Konstanz sorgen Gerald Mayer und René Horstmann für farbenfrohe Opulenz.

Die Agentur Silverleafs besteht aus den zwei Kreativen René Horstmann (53) und Gerald Mayer (52) aus Minden. Horstmann ist Diplom-Designer und Kreativ-Direktor des Unternehmens, das von Gerald Mayer als Geschäftsführer geleitet wird. Besonders mit aufwendigem und fantasievollem Interieur-Design von Aufenthaltsflächen in Shoppingmalls haben sich die beiden einen Namen gemacht. In Konstanz statten sie regelmäßig das Einkaufszentrum „LAGO“ mit aufwendigen Arrangements aus und arbeiten dabei mit Qualitätsmarken wie den Bielefelder Werkstätten zusammen. Vor allem die Fertigung von hochwertigen und opulenten Blumenbouqets aus Seidenblumen, angerichtet in asiatischen Porzellanvasen, ist ein Markenzeichen von Horstmann und Mayer, die sich selbst als Stil-Manufaktur bezeichnen.

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