Verlockungen mit doppeltem Boden: Heiner Meyer stellt demnächst im Kunsthaus Hannover aus.
Text: Jörg Worat
In jungen Jahren Talent für die Malerei zu entwickeln, ist noch keine Garantie für eine spätere Karriere. „Meine Eltern wollten, dass ich, etwas Ordentliches‘ mache“, erzählt Heiner Meyer. „Ich bin dann auch brav zur Berufsberatung beim Arbeitsamt gegangen. Dort hat man mir eine Ausbildung zum Anstreicher und Lackierer empfohlen – das hätte doch auch etwas mit Farbe zu tun.“ Nun, Meyer hat den einigermaßen zynischen Ratschlag abgelehnt und dürfte das auch kaum bereut haben: Der heute 67-Jährige ist mit seiner speziellen Spielart der Pop Art international bekannt geworden, Arbeiten von ihm befinden sich nicht nur in deutschen Sammlungen, sondern auch in Miami oder Barcelona. Nun wird das Kunsthaus Hannover eine Ausstellung mit seinen Werken zeigen.
Der Titel „Love Affair“ zeigt schon, wohin die Reise geht: Flotte Frauen und flotte Autos bevölkern diese Bildwelt, in der dem Publikum so mancher Porsche 911 begegnet. Überhaupt bindet Meyer gern Motive ein, die verlockend wirken, seien es schicke Schuhe, farbstarke Früchte oder hippe Handtaschen. Es hat seine Gründe, weshalb der Künstler für sein Schaffen die Bezeichnung „Pop Art 2.0“ bevorzugt und von „Leimruten“ spricht, die er auslege – er arbeitet also mit attraktiven Oberflächen, um den Betrachter in die Doppelbödigkeit seiner Arbeiten hineinzuziehen.
Foto: Studio Heiner Meyer
Im Galopp durch die Kunstgeschichte
Anders als früher Andy Warhol belässt es Meyer nicht dabei, Suppendosen, Colaflaschen oder Starschauspielerinnen im Serienbild zu zeigen. Vielmehr gehen die einzelnen Elemente bei ihm eine sonderbare Verbindung ein – dann kippen Perspektiven und Blickwinkel, typographische Einsprengsel können auftauchen, ein Bildausschnitt wirkt wie ein abgerissenes Foto, eine dickflüssige Struktur changiert zwischen Farbe und Schokolade. Oder eine Figur, die dem Kosmos des französischen Klassizisten Jacques-Louis David entnommen ist, trägt plötzlich den Kopf von Rihanna.
Solche Parforceritte durch die Kunstgeschichte unternimmt Meyer ohnehin gern. Als er in Hannover einst von der Galerie Artforum vertreten wurde, die am Ballhof ihren Standort hatte, war seine Malerei noch anders gelagert. Sie zeigte Fragmente antik anmutender Skulpturen, stark von Blautönen und reizvoll irritierenden Unschärfen in der Bildtiefe geprägt. Dem steht heute meist eine klar konturierte, schon im Studium erlernte Präzision gegenüber: Der Künstler, der in Bielefeld geboren wurde und dort auch lebt, war an der Braunschweiger Kunsthochschule Meisterschüler bei Malte Sartorius, bekannt für seine extrem filigranen Graphiken.
Ein weiterer persönlicher Einfluss stammt aus der Champions League der modernen Kunst, denn Heiner Meyer assistierte 1974 im spanischen Cadaqués keinem Geringeren als Salvador Dalí. Aus gutem Grund umstritten, doch fraglos ein Meister der Maltechnik: „Ich war nie sein Schüler, wie manchmal zu lesen ist. Aber er hat mir wertvolle Ratschläge gegeben, auf seine eigene Art. Dann hat er etwa ein Weißbrot zerbrochen und mir aufgetragen, das zu malen. Eine wirklich schwierige Aufgabe, die ich nicht gleich beim ersten Versuch hinbekommen habe.“
Foto: Studio Heiner Meyer
Äußere und innere Werte
Einen leicht surrealen Touch kann man auch Meyers aktuellen Werken mit ihrer Kombination scheinbar widersprüchlicher Realitätsebenen zusprechen. Unbekümmert überschreitet der Künstler, wie schon angedeutet, die Grenze zwischen so genannter Hoch- und Populärkultur: „Als ich mich mit der ägyptischen Nofretete beschäftigt habe“, berichtet er, „hat mich der lange Hals an wen erinnert? An Audrey Hepburn.“ Und sowohl im malerischen als auch im skulpturalen Werk des Künstlers tauchen zuweilen Comicfiguren auf: „Die Hefte haben wir doch alle in der Kindheit gern gelesen. Nicht zuletzt, weil die Charaktere immer so klar definiert waren: der tollpatschige Donald, seine schlauen Neffen, der geizige Onkel Dagobert.
Foto: Studio Heiner Meyer
Im Gespräch wirkt Heiner Meyer dann auch keineswegs wie ein abgehobener Bewohner des Elfenbeinturms. Den schönen Dingen des Lebens ist er durchaus zugetan.
So stellt sich heraus, dass er gerne kocht – die prompt übersandten Fotos von „Seeteufel im Speckmantel“ oder „Tunfisch Tatar mit Avocado“ wirken in der Tat appetitanregend.
Tolle Autos malt er auch nicht nur, sondern besitzt sie auch: Da gibt es einen Porsche 912, ein Rolls Royce Cabriolet und einen Sunbeam Alpine, den legendären James-Bond-Flitzer aus „Dr. No“. Wer nun Bilder vom lässigen Künstler am Lenkrad vor Augen hat, liegt allerdings komplett falsch: „Ich habe gar keinen Führerschein. Meine Frau bewegt die Autos…“ Gattin Brigitte hat in ihrer Zeit als Kunstlehrerin auch Schülerherzen bewegt, und überhaupt ist die Meyer-Familie kreativ unterwegs, wenngleich die drei erwachsenen Kinder unterschiedliche Wege eingeschlagen haben: Die ältere Tochter Nane ist Redakteurin bei der Zeitschrift „Gala“, die jüngere Jana arbeitet mittlerweile im Atelier ihres Vaters und kümmert sich um die organisatorischen Prozesse im Hintergrund; zuvor hatte sie zehn 10 Jahre in der Uhren- und Juwelenbranche gearbeitet. Und Sohn Bastian hat als DJ „Basti M“ international Furore gemacht.
Heiner Meyer kann inzwischen auf ein breit gefächertes Sammlerklientel verweisen. Da stellt sich die immer wieder interessante Frage, ob ein Künstler eigentlich ein bestimmtes Publikum bevorzugt. Meyer gibt diesbezüglich bereitwillig Auskunft und beobachtet zuweilen bei seinen US-amerikanischen Sammlern einen Hang zum Ankauf in Hinblick auf eine erhoffte Wertsteigerung – lieber scheint ihm da doch die Erfahrung zu sein, die er bei einem Kunden aus München gemacht hat: „Er sagte: ,Herr Meyer, manchmal setze ich mich in Ruhe vor Ihr Bild, und es erzählt mir eine Geschichte. Und jedes Mal eine andere.‘“
Foto: M. Schrumpf Fotografie