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Birkenstock und Champagner

28. April 2021

Die Fashion-Kolumne von Luisa Verfürth

Ich erinnere mich noch sehr gut. Schon als junges Mädchen wurde ich in Birkenstocks zur Schule geschickt. Damals, also 1992, war das in etwa so, als hätte man Sie gezwungen, in einer Peter-Lustig-Latzhose zur Penne zu fahren. Meine beste Freundin Lilli, schon zwei Jahre älter, trug immer die begehrten Buffalos der Spice-Girl-Ära und lieh sie mir manchmal aus. Was also morgens dazu führte, dass ich Helm und Birkenstocks draußen im Gebüsch versteckte und dann mit den coolen Plateau-Tretern und 65 Haarspangen im Haupthaar fröhlich zur Schule radelte.
Hätte mir damals jemand erzählt, dass 30 Jahre später der weltweit agierende, börsennotierte Konzern LVMH (Moët, Hennessy, Louis Vuitton) beziehungsweise die Familien­holding von Bernard Arnault – Financière Agache sich Birkenstock für zwei Milliarden unter den gut pedikürten Fußnagel reißt, ich hätte herzlich gelacht. Aber, so der französische Branchenführer der Luxusindustrie: „Wir schätzen Marken mit langer Geschichte sehr.“ Die Schuhmacher-Dynastie Birkenstock, die ihre Anfänge im Jahr 1774 hat, ging da glatt durch. Vielleicht ist diese lange Tradition auch ein Grund, warum mein Onkel Birkenstocks bis heute Jesuslatschen nennt?

Von Heidi Klum persönlich verführt

Für mich erschienen sie nach meinem Trauma der Jugend 2004 an Heidi Klums Füßen wieder auf der Bildfläche. Gold mit roten Steinen. Wie aus dem Moodboard eines Gladiatoren. Und damit war sie der erste fundierte Influencer, der mich nachhaltig zum Kauf von etwas anregte, was mir zuvor die Fußnägel aufrollte.
Sie schaffte es, mich postwendend in einen Salamander-Laden in der Innenstadt zu zerren und meinen nackten Fuß in diese Ausgeburt von Fußbett gleiten zu lassen. Großer Onkel und zweiter Zeh separiert von dem ach so bekannten Zehentrenner, den wir sonst nur aus japanischem Orthopädiebedarf kennen, der Steg lackschwarz. Bis heute mein Liebling. Damals dauerte es ein paar Tage, bis ich die Latschen eingelaufen hatte. Die ersten Tage kitzelte das Fußbett noch unten am Fuß. Es fühlte sich an, als ob man auf Keksausstechformen lief.
Heute bin ich wie meine Mutter. Überall stehen ausgelatschte Birkenstocks in der Wohnung rum, deren Fußbetten man problemlos lesen kann wie ein Tagebuch. Schweiß, Sand, Erde. Alles formt einen Birkenstock und lässt diesen bequemen Maßanzug von Sohle irgendwann glatt und glänzend erscheinen wie einen frisch polierten Apfel.
Und ich liebe sie ausgelatscht. Genauso wie ich die wunderbare Personality-Kampagne liebe, in der einst Jack Davidson Persönlichkeiten wie Manolo Blahnik und seine Frau in ihren Birkenstocks ablichtete.

Einen Toast auf den Birkenstock!

Mein Mann findet sie bis heute fürchterlich. Er sagte, sie wären ein Scheidungsgrund. Neben Latzhosen. Aber auch damit steht er alleine da. Auf weiter Flur. Ich meine, Leonardo DiCaprio trägt Birkenstock … Und da lässt sich ja auch keine scheiden! Da ist jede froh, die drei Monate bleiben darf. Bequem ist eben auch das neue sexy. Solange die Zehen schön pedikürt sind und die Hornhaut in Quarantäne bleibt. Auch wenn ich mir ehrlich gesagt Bernard Arnault schlecht in maßgeschneidertem Louis-Vuitton-Anzug und Birkenstock vorstellen kann. Aber „mon dieu“ – das ist ja auch egal, solange die Zahlen stimmen. Denn wir können uns wahrscheinlich jetzt schon auf die nächste Louis-Vuitton-Birkenstock-Kooperation freuen.
Champagner, Louis Vuitton und Birkenstock. Heidewitzka. Was für eine Kombi. Aber irgendwie auch sehr schlüssig. Denn wenn man genügend Moët und Hennessy getrunken hat, haut es einen definitiv nicht aus den Latschen. You never walk alone.
Allerliebst,
Eure Lou

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