Orchideen gelten als Sensibelchen, die gehegt und gepflegt werden wollen. Jetzt im Winter startet die Blühsaison. Wir haben einen Fachmann um Rat gefragt.
Text: Heike Schmidt, Fotos: Tobi Wölki
Es ist warm. Zu warm, um mit einem Mantel durchs Orchideenhaus im Berggarten zu gehen. Gleichzeitig ist die Luft feucht. Willkommen im Wohlfühlklima von Orchideen. Die Diva unter den Gewächsen setzt ihre leuchtenden Blüten wie exquisite Abendkleider auf einem grünen Teppich in Szene. Jede für sich sagt: „Sieh her!“ Bewundere mich!“ Ein Bummel durchs Orchideenhaus ist ein wenig wie auf der Croisette in Cannes zu Filmfestspielzeiten: Kaum ist ein Star aus dem Fokus der Fotografen verschwunden, steht schon der nächste bereit, um sich bestaunen zu lassen.
Die Orchideen stehen in Töpfen auf dem Boden, aber hängen auch buchstäblich in der feuchtwarmen Luft. Das mögen sie nämlich besonders gerne. Die meisten Orchideen sind Luftwurzler. Sie beziehen Wasser zum Leben aus der Luft. Staunässe in einem Topf mögen sie hingegen gar nicht. „Dann faulen unter Umständen ihre Wurzeln ab“, erklärt Boris Schlumpberger. Er ist Kustos der Herrenhäuser Gärten und beschäftigt sich als Biologe schon sehr lange mit den Pflanzen, die als sensible Schönheiten verschrien sind. Doch sie sind robuster als gedacht.
Die Bedürfnisse der Orchideen erfüllen
„Wer sie kennt, kann ihre Bedürfnisse leicht erfüllen“, sagt Schlumpberger. Dazu gehöre auch, die Pflanze nicht zu ertränken. „Einmal in der Woche mit dem gesamten Topf ins Wasser stellen“, erklärt Schlumpberger. „Dann nach einiger Zeit herausnehmen und in Ruhe lassen.“ Die Orchidee habe dann mit ihren Wurzeln genügend Wasser für eine Woche aufgenommen. Auch das hat mit ihrer Herkunft zu tun: Im tropischen Regenwald sitzt die Orchidee meist auf Bäumen. Ihre Wurzeln krallen sich nicht in die Rinde. Sie nimmt mit ihnen Wasser über die Luft auf. Als Aufsitzerpflanze mag sie total kalkfreie Lebensräume. „Sie ist kein Schädling für den Baum“, betont der Kustos.
Boris Schlumpberger nimmt einen Ast zur Hand, auf dem viele kleine Orchideen dicht gedrängt sitzen. Es sind Nebelwaldorchideen. Ihre Heimat sind Hochlandgebiete, beispielsweise Ecuador in Südamerika. „Sie mögen keine Hitze“, sagt der Biologe: „Doch die Orchideen, die im Blumenhandel erhältlich sind, sind pflegeleichte Sorten.“ Um Freude an einer glücklich-blühenden Schönheit zu haben, bedürfe es nicht viel: „Keine Staunässe, keine direkte Sonne, einmal in der Woche tauchen.“ Dann können Orchideen den ganzen Winter lang mit farbenprächtigen Blüten aufwarten. Dass sie eine so lange Blühzeit von bis zu einem halben Jahr haben, liegt auch in der Natur begründet.
Lange Blühzeit für die passende Bestäubung
„Viele Orchideen sind sehr spezialisiert, was die Insekten angeht, die sie bestäuben“, betont Schlumpberger: „Um die Chance zu erhöhen, dass das richtige Insekt vorbeikommt, blühen Orchideen lange.“ Diese Spezialisierung ist auch ein Grund dafür, dass es so viele unterschiedliche Arten der Pflanze gibt. Die Sammlung in Herrenhausen umfasst allein 3.000 der 30.000 Arten weltweit.
Sieben der Orchideen-Arten sind nach Herrenhausen benannt. „Eine der Orchideen war schon 30 Jahre bei uns“, erzählt Schlumpberger. Dann sei entdeckt worden, dass sie ja etwas anders als die anderen in ihrer Gattung aussah. Was eine Vermutung war, bestätigte sich dann: Diese Orchidee gehörte auch gar nicht zu der Art, in der sie untergebracht war. Sie war eine eigene Art. Oncidium herrenhusanum lautet heute ihr Name.
Eine der größten Orchideen wächst übrigens auch im Orchideenhaus. Sie schlingt sich ungefähr sechs Meter lang bis unter das Glasdach des Gebäudes. Auf den ersten Blick würde man sie auch kaum für eine Orchidee halten. Sie trägt keine Blüten. Dafür dürfte ihr Name besonders zur Weihnachtszeit häufiger benutzt werden: Es ist eine echte Gewürzvanille. Ihre Frucht ist die bekannte Vanilleschote – und die wird zum Backen besonders gern verwendet.