Von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen:
Rennradfahrer Martin Brüggemann trainiert für das „Race Across Germany“.
Ist gerade ein Radfahrer vorbeigesaust? Das könnte Martin Brüggemann gewesen sein. Sitzt der Langenhagener nicht am Schreibtisch, wechselt er aktuell täglich auf den Fahrradsattel und radelt mit einem Durchschnittstempo von 30 Kilometern pro Stunde durch die Region. Der 42-Jährige möchte mit seinem Rennrad im Juni eine besonders lange Distanz bewältigen: das „Race Across Germany“ von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen, insgesamt 1100 Kilometer. Bisher war Langenhagen–Grömitz/Ostsee und retour seine rund 580 Kilo meter lange „Hausstrecke“.
27 Stunden und 41 Minuten benötigte er im Jahr 2020 für die Distanz. So lange die Augen offen zu halten, wäre für die meisten Menschen schon eine große Herausforderung. Zeitgleich noch flink und kräftig in die Pedale zu treten, macht Brügge mann zu einem Ausnahmeradfahrer.
Hochkalorisch unterwegs
Doch der 42-Jährige wiegelt ab. „Man sollte die Wirkung der frischen Luft nicht unterschätzen“, sagt er. Die hält ebenso wach wie die Aufmerksamkeit, welche die Streckenführung erfordert. Für den Langstreckenradfahrer ist eine ausreichende Energiezufuhr viel entscheidender: „Man kann den Kalorienverlust bei solchen Marathondistanzen nicht komplett ausgleichen“, berichtet Brüggemann. Deshalb hat er hochkalorische Gels und wasserlösliches Pulver mit Himbeergeschmack im Gepäck. In der Menge ist das mehr Volumen als sein Werkzeug. Gerne kauft sich der Sportler auch ein Snickers-Eis an der Tankstelle. „Lauter Sachen, die bei uns alltags wegen ihres hohen Zuckeranteils total verpönt sind“, verrät er.
Beim Tracken in Echtzeit mitfiebern
Der begeisterte Radsportler wurde in Hessen geboren, wuchs in Rheinland-Pfalz auf und ist ein zurückhaltend wirkender, beinahe scheuer Mann. Doch bei seinen Radausflügen lässt er sich tracken. Die Familie erfährt alles über Atmung, Herzfrequenz und Tempo. Der Aufenthaltsort ist öffentlich einsehbar.
Was treibt ihn an?
Dass Brüggemann hoch motiviert ist, lässt sich schnell erkennen. Aber was treibt ihn an? „Für mich sind die Races eine mentale und physische Herausforderung“, erklärt der IT-Experte mit eigener Beratungsfirma. Darüber hinaus nutzt er die Aufmerksamkeit, um Spenden für das internationale Projekt von „World Bicycle Relief“ zu sammeln. Das Projekt stattet afrikanische Kinder und Jugendliche mit Fahrrädern aus, um sie bei ihrem Schulweg zu unterstützen. „Nur durch Bildung lässt sich der Teufelskreis aus schlecht bezahlten Hilfs- und Tagelöhnerjobs und ungebildetem Nachwuchs durchbrechen“, ist die Überzeugung des 42-Jährigen. Seine Frau unterrichtet Mathematik am Gymnasium, auch sonst wird Bildung in der vierköpfigen Familie großgeschrieben.
Mit dem Rennrad quer durch Deutschland
Brüggemann war acht Jahre alt und meist mit dem Mountainbike unterwegs, als er Lust aufs Rennradfahren bekam. „Mein Vater kaufte sich ein Rennrad und trug so tolle grellbunte Shirts. Die habe ich mir liebend gerne ausgeliehen“, berichtet der Radsportler und freut sich auf die Herausforderung seines zweiten „Race Across Germany“. Mit 1100 Kilometern und 7500 Höhenmetern ist der Radmarathon doppelt so lang wie Brüggemanns OstseeTour. Im vergangenen Jahr war der Langenhagener zum ersten Mal dabei. Offizieller Start war am 6. Juli 2023 an der Flensburger Hafenkante in Schleswig-Holstein, Ziel das oberbayerische Garmisch-Partenkirchen.
Im Vorteil
Wer Erfahrung einbringen und akribisch planen kann, hat bei solchen nonsupported Touren Vorteile. Weil es entlang der Streckenführung keine Begleitfahrzeuge gibt, müssen sich die Teilnehmenden selbst mit Flüssigkeit und Kalorien versorgen. Jeder ist auf sich allein gestellt. Allerdings gibt es schon lange keine flatternden Papierlandkarten mehr. Brüggemanns Navigation erfolgt per Rad-Computer.