Wiebke Langefeld steht im Garten des niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Langefeld ist verantwortlich für an die eine Million Mitarbeiter. Denen lässt sie meist freien Lauf, kann sich auf Fleiß und Ordnung verlassen. Bienen muss man schließlich nicht motivieren, die fliegen und sammeln und machen Honig, das Produkt, das die Stadt-Imkerin Wiebke Langefeld so lieben gelernt hat. Hier ist sie im dritten Jahr für drei Bienenvölker verantwortlich, beliefert das Ministerium mit Honig, den die Mitarbeitenden erwerben können. Auch auf dem Dach der Privatbank Warburg kümmert sich Langefeld um einen Bienenvolk. Den Honig verschenken die Mitarbeitenden an ihre Kunden, als Alternative zu Praline und Alkohol. Er hat einen malzig-intensiven Geschmack und die für Hannover typische Mischung aus hauptsächlich Lindenblüten und Edelkastanie.
Dass es der Biene schlecht ging, das wusste Wiebke Langefeld, als sie im Frühjahr 2017 bei einer Freundin bei Kaffee und Kuchen saß. Gerade war wieder eine Studie herausgekommen: Intensive Landwirtschaft, Pestizide, Parasiten – alles nicht gut für die schwarz-gelben Honigsammler. Als könnte sie Langefelds Gedanken ahnen, erzählt die Freundin, dass sie ihren Kuchen mit Honig backt anstelle von raffiniertem Zucker. Gesünder für sie und gut für die Umwelt. Tatsächlich stammte der Honig ganz aus der Nähe, ein ideales regionales Naturprodukt: Hinten im Garten, gut geschützt von einigen Büschen, stand der Bienenstock der Freundin.
Da wusste Wiebke Langefeld: Das will ich auch.
Kurz nach dem Besuch macht Wiebke Langefeld einen Imkerkurs bei den „Stadtbienen“ in Hannover-Linden. Sie denkt sich: Dann kann ich mir auch gleich ein Volk zulegen, um das Gelernte praktisch anzuwenden. Sie startet mit 15.000 Bienen, ein Volk in einer Kiste. Und ist schnell fasziniert von den Insekten, von dem, was sie alles können, ihrer hochkomplexen Organisation, den Schwänzeltänzen zur Kommunikation und ihrer Ausdauer: Bis zu zehn Stunden am Tag können sie fliegen. Langefeld lernt und lernt, absolviert einen Kurs nach dem anderen, einige davon am Bieneninstitut in Celle, liest Bücher, tauscht sich mit Kolleginnen aus. Aus einem Volk werden schnell mehr. Heute hat Langefeld um die 20 Völker. Die Hälfte davon sind Wirtschaftsvölker, deren Honig sie erntet. Die Imkerin kümmert sich im Sommer um bis zu eine Million Bienen, die in Hannover umherschwirren, Obstbäume, Gemüse- und Samenpflanzen bestäuben – und so dafür sorgen, dass es auf den Feldern und in den Gärten wächst und gedeiht.
An diesem frühsommerlichen Nachmittag herrscht im Bienenstock am Landwirtschaftsministerium ein ständiges Kommen und Gehen. Die Einflugschneise liegt genau an einer alten Ulme, von da fliegen die Bienen in die Eingänge ihrer Kästen. Beim Rundflug können die Bienen die nahe Marktkirche sehen, das Nord/LB-Gebäude und das Neue Rathaus. Langefeld schaut auf den Stock, der leicht abseits steht. Es scheint alles zu laufen.
Erst vor wenigen Wochen, Mitte Mai, ist das Volk dazugekommen. Ein Jungimker, den Langefeld unterstützt, hatte sie angerufen. Sein Volk sei geschwärmt, hänge in einer Traube im Apfelbaum. Etwas, das man als Imker vermeiden will, weil Völker so verloren gehen oder sterben. Geeignete Nistplätze wie Hohlräume in Bäumen gibt es nur wenige. Meist können die Bienen nicht dort bleiben, wohin sie geschwärmt sind, müssen, wenn es möglich ist, versetzt werden. Langefeld koordiniert alles über das Telefon: Der Imker fängt den Schwarm ein, verschließt ihn in einer Holzkiste. Am Morgen kommt Langefeld, lädt die Box ein und bringt den Schwarm in den Garten des Landwirtschaftsministeriums.
Den Bienen merkt man die vergangene Aufregung nicht mehr an. „Sie haben hier einfach direkt mit der Arbeit begonnen“, erzählt Langefeld. Gleich am Tag nach dem Einzug entdeckte sie eine Miniwabe im Brutkasten. Das
sichere Zeichen: Die Bienen wollen bleiben. Kurz darauf ist auch die Königin, die etwas größer ist als die anderen und
mit einem grünen Punkt markiert, ausgeflogen für ihren Hochzeitsflug. „Sie tut dies am liebsten bei 25 Grad gegen 15 Uhr“, erklärt Langefeld und muss schmunzeln über die exakte Taktung der Bienen.
Nur einmal verlässt die Königin ihren Stock – zur Paarung. Dabei lässt sie sich von bis zu 20 Drohnen begatten – und kann die Spermien ein Leben lang, also mehrere Jahre, in ihrem Hinterleib speichern. Mit dem einmal angelegten Vorrat kann sie täglich bis zu 2000 Eier legen.
Wiebke Langefeld setzt sich ihren Imkerhut auf und zieht den hellen Schutzanzug an. Sie bläst mit dem Smoker etwas Rauch in den Stock, das beruhigt die Bienen. So kann Langefeld die Waben untersuchen, hat einen besseren Blick und wird auch nicht gestochen. Die geschwärmten Bienen bauen ihre Waben selbst. Langefeld hat hier keine vorgefertigten Bienenwachsplatten eingehängt. „Es ist doch faszinierend, wie perfekt sie es hinkriegen, ohne vorgegebene Struktur“, sagt sie.
Heute braucht es die Menschen, damit die Bienen überleben können“, ist sich Langefeld sicher. Die Varroamilbe dezimiert die Bestände, sorgt für Verformungen, manche Bienen können nicht mehr fliegen. Und es kommen immer neue Gefahren auf sie zu: die Tropilaelaps-Milbe, der Kleine Beutenkäfer und die Asiatische Hornisse verbreiten sich in Europa. Hinzu kommen Pestizide, Insektizide und Glyphosat auf den Feldern. „Jedes Volk hat die Varroamilbe ständig.“ Langefeld behandelt die Bienen mit einer organischen Säure, nachdem der Honig geerntet wurde, meist mit Oxal, aber sie weiß, dass nicht jeder so umsichtig mit den Bienen umgeht.
Deutschland ist ein Honigland. 33.800 Tonnen werden hier jedes Jahr produziert, der Verbrauch liegt deutlich höher. Hierzulande sind die Qualitätsstandards hoch. Erst kürzlich stellte eine Studie der Europäischen Kommission fest, dass mutmaßlich fast die Hälfte aller Honigimporte in die EU gepanscht sind – etwa mit Zuckerrüben- oder Maissirup. Sie dürften in der EU also gar nicht als Honig verkauft werden.
Wiebke Langefeld produziert Honig, der eine vorzügliche Qualität hat. Sie stellt Bienenkästen in die Gärten von Unternehmen. Und verkauft Honig für spezielle Anlässe oder an Unternehmen. Der Wassergehalt ihres Honigs liegt meist bei unter 17 Prozent, der Deutsche Imkerbund setzt sich 18 Prozent zum Ziel, erlaubt sind 20 Prozent. Sie lässt den Honig so lange wie möglich beim Bienenvolk, damit dieses ihn trocknen können. Das macht ihn so gesund: Er ist also voll mit Enzymen, Antioxidantien und Aminosäuren. „Mein Respekt vor diesen Tieren ist unglaublich groß“, sagt sie. „Für mich sind sie die wohl faszinierendsten Tiere überhaupt.“
Wer Interesse an dem Honig hat, meldet sich unter
Honig.Langefeld@icloud.com oder +49 171 2044668.
TEXT: Stefanie Nickel
FOTOS: Frank Wilde