Es ist eine Erfolgsgeschichte: Mit sieben Jahren kam Shpetim Rahmoni nach Hannover. Heute führt er seinen eigenen Laden. Die Erfolgsgeschichte vom Flüchtlingskind zum Frisörchef startete mit einem Praktikum. Geplant war nichts davon. Heute ist nur der Name geblieben: „Joern F. Schubert“. er steht noch immer an der Tür zum Frisörgeschäft.
Vor mehr als einem Jahr hat Shpetim Rahmoni den Laden an der Ebhardtstraße übernommen. Es ist eine Erfolgsgeschichte – eine geschäftliche, wie aber vor allem auch eine persönliche. Sie hat viel zu tun mit Vertrauen, mit Unterstützung, Wertschätzung und mit dem Willen, sich etwas aufzubauen. Dass Shpetim es vom Flüchtlingskind zum Frisörchef geschafft hat, liegt vor allem auch an ihm selbst. Und wenn man so möchte, ist es aber auch die Geschichte einer gelungenen Integration des einstigen Flüchtlingskindes Shpetim, das 1999 mit seiner Familie aus dem Kosovo vor dem Krieg floh und nach Deutschland kam.
Schulpraktikum im Salon von Joern F. Schubert
Shpetim heißt aus dem Albanischen übersetzt „Erlösung“ oder auch „Rettung“. Was seine eigene Rettung war? „Dieser Laden“, sagt der 33-Jährige so spontan, wie es nur von Herzen kommen kann. Dabei hatte er gar nicht geplant, ins Frisörhandwerk einzusteigen, damals, als es darum ging, einen Platz fürs Schulpraktikum zu bekommen. Denn eigentlich wollte der fußballbegeisterte Teenager sehr viel lieber ein Praktikum bei einem Sportausstatter machen. Doch aus diesem Plan wurde nichts. Ein Freund brachte ihn auf die Idee, sich bei einem Frisör zu bewerben. „Er sagte: ‚Du kannst doch Deine Haare so gut stylen, mach das!‘“, erinnert sich Rahmoni. Er ging auf die Suche. Er fand den Salon von Joern F. Schubert
Shpetim Rahmoni überzeugte durch seine Art
„Ich glaube nicht an Zufälle“, sagt Rahmoni heute: „Es kam, wie es kommen sollte.“ Mit seiner Praktikumsmappe stellte er sich vor. Er bekam den Platz und zeigte, was er konnte. Zwar durfte er noch nicht viel tun – als Praktikant konnte er vielleicht am Puppenkopf etwas üben, aber er überzeugte durch seine Art. Er war höflich, zuvorkommend, stellte sich auf die Kunden ein. Das begeisterte auch seinen damaligen Chef Joern Schubert.
„Ich weiß noch, ich habe damals einer Dame die Jacke abgenommen und ihr nach ihrem Termin wieder hineingeholfen“, erinnert sich Shpetim an sein Praktikum. Daraufhin habe ihn sein Chef gefragt, wer ihm das beigebracht habe. „Mein Großvater war ein Gentleman“, hatte der Teenager erwidert. Danach hatte Schubert noch eine Frage: „Möchtest Du bei uns eine Ausbildung machen?“
Eltern haben ihn unterstützt
„In der zehnten Klasse zu sein und einen Platz angeboten zu bekommen – das war schon was“, sagt der heute 33-Jährige, der Gefallen an dem Handwerk gefunden hatte. Noch heute begeistert es ihn, wenn Menschen nach zwei Stunden glücklich aus dem Geschäft gehen. „Das Ergebnis der Arbeit sieht man sofort“, betont Shpetim. Damals habe er eine Nacht über das Angebot geschlafen. Und selbstverständlich habe er mit seinen Eltern gesprochen. „Sie haben mich unterstützt“, berichtet der 33-Jährige. Das taten sie immer, seit der Ankunft in Deutschland 1999. Denn einfach war es oft nicht.
Wert darauf gelegt, sich in die Gesellschaft zu integrieren
„Ich war sieben Jahre alt, kam in die Grundschule und konnte die Sprache nicht“, erinnert sich Shpetim. Doch er bekam Unterstützung: Sozialarbeiter halfen bei den Hausaufgaben und gaben Nachhilfe. Mal wurde gebastelt, an Weihnachten wurden Kekse gebacken. „So bekamen wir auch die Kultur mit.“ Doch noch etwas war sehr viel wichtiger: Es gab eine Struktur. „Struktur ist sehr wichtig, um anzukommen.“ Gleichzeitig hätten seine Eltern immer Wert darauf gelegt, sich in die Gesellschaft zu integrieren, sich der Kultur auch ein Stück weit anzupassen und diese „dankbar anzunehmen“. Eine Maxime stand immer über allem: „Du hast diese Chance bekommen, nutze sie!“
2009 einen Ausbildungsplatz bekommen
2009 hat Shpetim seine Chance bekommen. Einen Ausbildungsplatz! Shpetim nahm an. Er nutzte seine Chance. Warum Joern Schubert sie ihm gab? „Ich wusste sehr schnell, dass er der Richtige ist“, sagt der 59-Jährige. Seine Liebenswürdigkeit und Loyalität, sein Wesen und seine Freundlichkeit – all das mache Shpetim aus. „Er ist mein Ziehsohn“, sagt Schubert heute: „Mein Lebensgefährte und ich haben ihn quasi mit großgezogen.“
Vom Flüchtlingskind zum Frisörchef
Heute haben sie die Rollen gewechselt. Shpetim ist der Chef, Schubert sein Angestellter. „Ich werde dieses Jahr 60 Jahre alt und möchte etwas zurücktreten“, erklärt Schubert, der noch einen weiteren Laden an der Hildesheimer Straße hat: „Ein Geschäft reicht mir.“ Die Übergabe hatte er längerfristig geplant. „Es kam nicht von heute auf morgen, sodass ich auch Zeit hatte, Geld für die Übernahme anzusparen“, sagt Shpetim. Es sei eine ganz besondere Stärke seines Chefs, „im richtigen Moment loszulassen“. Am 1. Januar 2024 war es so weit: Der einstige Praktikant Shpetim Rahmoni übernahm einen der Läden von Joern F. Schubert. Sein Name ist auf der Tür geblieben. Ein zweiter ist hinzugekommen: Shpetim Rahmoni. das einstige Flüchtlingskind war zum Frisörchef geworden.
TEXT: Heike Schmidt
FOTOS: Frank Wilde