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Benedikt Hüppe im Interview

„Vertrauen erzeugt Tempo“

07. Januar 2025

Benedikt Hüppe ist seit einem halben Jahr Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN). Was hat er sich vorgenommen? Und wie sieht er seine Rolle?

Seit einem halben Jahr sind Sie Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen. Wenn Sie zurückblicken: Welches Fazit würden Sie ziehen?

Es ist schon anders in der ersten Reihe zu stehen. Man hat viel mehr Verantwortung. Bis vor sechs Monaten war der Grandseigneur (Dr. Volker Müller, der bis dahin die UVN leitete, Anm. d. Red.) ja immer dabei. Damals hat er zwar schon oft gesagt: Mach mal. Aber es ist schon eine andere Verantwortung, wenn der Sparringpartner dann nicht mehr dabei ist.

War Dr. Volker Müller ein guter Sparringpartner?

Ja, ein sehr guter. Er war auch ein sehr guter Mentor. Wir telefonieren auch noch oder sehen uns wie am Tag der Niedersächsischen Wirtschaft. Dadurch, dass er Honorarkonsul der Niederlande ist, haben wir zudem auf wirtschaftlicher Ebene die ein oder andere Schnittmenge.

Verlässlichkeit und Kontinuität sind wichtig

Was war das Wichtigste, was Sie von ihm gelernt haben?

Ganz klar: Verlässlichkeit und Kontinuität. Man muss authentisch bleiben und eine klare Linie vertreten. Es geht nicht, die eine Woche so und die andere Woche ganz anders zu reden. Das bin ich sowohl unseren Mitgliedern als auch der Politik schuldig.

Sie sind kein Neuling bei den UVN. Sie sind seit 2014 dabei – erst als Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik, Digitalisierung, Messewesen, seit November 2019 Stellvertretender Hauptgeschäftsführer. Wie sind Sie zu den UVN gekommen?

Ich hatte damals ein Praktikum bei den UVN gemacht. Damals hat mich besonders interessiert, wie so ein Think-Tank funktioniert. Wie man also durch die Entwicklung und Bewertung von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Konzepten Einfluss nehmen kann. Und man darf nicht vergessen: Vor zehn Jahren war der Arbeitsmarkt noch ein ganz anderer. Damals hatte man noch die Chance, zu beweisen, dass man etwas kann. Ich hatte zudem das Glück, dass ich nach dem Praktikum eine befristete Stelle erhielt. Die Frau, deren Position ich einnahm, orientierte sich nach ihrer Elternzeit um, sodass ich bleiben konnte.

Gab es etwas, was Sie in dieser Anfangszeit fasziniert hat? Einen Schlüsselmoment, in dem Sie dachten: Das möchte ich machen?

David McAllister war damals Ministerpräsident. Er kam häufiger ins Haus. Ich fand die positive Grundstimmung, mit der die Politik der Wirtschaft begegnete, sehr schön.

Ich kann mich auf Politiker einstellen

Ist es nicht schwierig bei wechselnden politischen Partnern voranzukommen? Muss man sich darauf nicht immer wieder einstellen?

Ich bin ein verlässlicher Partner für jeden Politiker, der dem freiheitlich-demokratischen Grundgedanken verpflichtet ist. Ich bin ja mit der Politik von Stephan Weil groß geworden. Es ist jetzt das dritte Kabinett Weil in Folge. Das ist eine gewisse Stetigkeit. Aber ich bin auch fähig, mich auf andere Politiker einzustellen.

Haben Sie eigentlich jemals überlegt, in die freie Wirtschaft zu wechseln?

Ja klar, das war schon interessant. Gute Leistung soll einen guten Lohn erhalten. Gleichzeitig soll Arbeit aber auch wertschätzt werden. All das bekomme ich hier.

Kommen wir auf Niedersachsen zu sprechen. Sie waren ursprünglich für Energie- und Klimapolitik zuständig – das sind besonders wichtige Themen. Sie standen auch beim Arbeitgebertag im Mittelpunkt. Wie sehen Sie es?

Energie und Klima sind unwiederbringlich miteinander verknüpft – und sie sind derzeit die beiden wichtigsten Themen. Gerade die Energie ist der entscheidende Faktor für eine florierende Wirtschaft. Aber Energie und Klima sind keine Gegensätze. Bislang haben wir aber den Weg, wie wir klimaneutral werden wollen, zu sehr eingeschränkt. Wir behindern uns selbst. Wir haben zu früh den Weg definiert, um das Ziel zu erreichen.

Energie und Klima sind kein Widerspruch

Wie meinen Sie das?

Es gibt zu viel Bürokratie. Doch nicht nur das. Wir wollen zu viel, zu schnell und auf einmal. Ein Beispiel: Es gibt den Plan, 2050 weltweit klimaneutral zu sein. Deutschland will das zehn Jahre früher schaffen. Warum? Ist es nicht sinnvoller, Schritt für Schritt zu gehen? Wenn Sie beispielsweise eine alte Ölheizung haben, die sie jetzt auf Gas umrüsten, weil Gas günstiger ist, dann ist das doch schon ein guter Schritt. In 20 Jahren machen Sie dann den nächsten. Wir haben verlernt, mit Zwischenschritten zufrieden zu sein. Wir müssen uns kleinere Ziele setzen, die wir erreichen können. So kommen wir auch einem großen Ziel näher. Es geht um Schritte in die richtige Richtung. Und 20 Jahre ist eine Zeitspanne, in der man ganz anders planen kann. Dann sind Energie und Klima gar kein Widerspruch mehr.

Also ist die wirtschaftliche Entwicklung eher ein Marathon als ein Kurzstreckenlauf?

Absolut! Das sieht man jetzt auch an der aktuellen Entwicklung. Ein Staat muss azyklisch zur Wirtschaft agieren. In Zeiten, in denen die Wirtschaft boomt, muss er kontrahieren. Aber das ist nicht passiert. Natürlich ist es schöner und einfacher, Probleme eher mit Geld als strukturell zu lösen. Wenn aber das Geld nicht da ist, wird auch das schwierig.

„Ich möchte alte Gräben zuschütten“

Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Ich denke, man hat sich für mich entscheiden, weil ich einen frischen Blick auf die Dinge habe. Ich möchte alte Gräben zuschütten. Ich sehe das so: Wenn wir in einem Thema zu 60 Prozent übereinstimmen, ist das doch eine sehr gute Grundlage, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Also sind Sie ein Integrierer?

Sagen wir so: vielleicht eher jemand, der eine Plattform bereitstellt, auf der die verschiedensten, wichtigen Köpfe zusammenkommen, um Neues zu entwickeln, um die Wirtschaft voranzubringen. Wir benötigen ein klares Commitment der Menschen, nicht dauernd den Weg zu beschränken, wenn wir ein Ziel erreichen wollen.

„Machen, statt Regelungen zu formulieren“

Können Sie das konkretisieren?

Wir wägen alles ab, alles wird gesetzlich festgelegt für den Fall, dass etwas schief geht. Warum lassen wir das nicht einfach weg? Warum nicht einmal positiv daran gehen und erst einmal machen, statt Regelungen zu formulieren. Das würde unsere Behörden entlasten und würde da bestimmt auch auf offene Ohren treffen. Wie wäre es, wenn wir mit 80 Prozent zufrieden wären und einfach ins Machen kommen würden? Doch dazu brauchen wir auch Vertrauen. Vertrauen reduziert Komplexität und erzeugt Tempo.

Doch das Vertrauen innerhalb der Gesellschaft scheint derzeit nicht sehr ausgeprägt zu sein…

Ist es auch nicht. Bei uns ist alles geregelt für den Fall, dass etwas schief geht. Das lähmt. Und es zeugt nicht unbedingt von Vertrauen. Der Bruch der Ampel hat zusätzlich dazu beigetragen, das Vertrauen in die Politik zu erschüttern.

Sind die Deutschen zu pessimistisch?

Ja, und man fragt sich: Woran liegt das? Uns geht es doch verdammt gut! Ich denke, es liegt daran, dass wir seit der Wiedervereinigung eigentlich zu sehr damit beschäftigt sind, Erreichtes zu bewahren. Wir wollen immer alles absichern, und sehen nicht, dass wir lieber auch ein Stück vorangehen sollten. Es gibt neue Herausforderungen, die man lösen sollte.

„Es gibt zu viele Bewahrer“

Gibt es zu viele Bewahrer?

Ja. Wir beschäftigen uns mit einer 35-Stunden- oder einer Vier-Tage-Woche. Uns geht es zu gut.

Stichwort Amerika. Kann man Schnelligkeit und Investitionswillen von den Amerikanern lernen?

Ja, auch, weil sie sich mit weniger Perfektion zufriedengeben. Amerikaner bringen ihre Waren auf den Markt, auch wenn sie noch kein ausgefeiltes Marketingkonzept haben. Aber man darf auch nicht vergessen: Die USA haben ein innovationsfreundlicheres Rechtssystem.

„Wir werden Kernanliegen formulieren“

Was ist Ihr nächstes Ziel?

In Hinblick auf die Bundestagswahl wird es nicht wie bisher ein 100-seitigen Forderungskatalog seitens der Wirtschaft geben. Wir werden Kernanliegen formulieren.

Welche wären das?

Ich kann noch nicht zu viel verraten. Aber eine Forderung wird sein, dass dort, wo Energie entsteht, Unternehmen investieren sollten. Auf Niedersachsen bezogen würde ich gerne die EU-Förderung eines Net-Zero-Valleys bekommen. Mit dem Gesetz werden Technologien gefördert, die wesentlich zum CO2-Abbau beitragen können. Energie dort nutzen, wo sie entsteht – das sollte unser Ziel sein.

Interview: Heike Schmidt

Fotos: Lorena Kirste

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