Ahrenshoop. Es ist ein malerischer Ort – im wahrsten Sinne des Wortes. Hierher zog es Marianne Werefkin genauso wie Max Pechstein und George Grosz, Gerhard Marcks wie Hans Brass. Viele Künstler der klassischen Moderne kamen von Berlin aus in das Fischerdorf auf dem schmalen Landstreifen zwischen Ostsee und dem Saaler Bodden, auf dem sich reetgedeckte Häuser im Ostseewind duckten. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Noch immer ist es diese einmalige Atmosphäre, die Ahrenshoop ausmacht- und die bis heute international renommierte Künstleranzieht. Das liegt nicht zuletzt an einer Institution aus Hannover, die vor zehn Jahren eben hier ein einmaliges Projekt mit aus der Taufe hob: das Kunstmuseum Ahrenshoop. Es wird wesentlich getragen von der FAMA-Kunststiftung, die das Grundstück für den Bau erwarb und den
finanziellen Grundstock für das Museum legte.
Jens Heidenblut und sein Engagement für das Kunstmuseum Ahrenshoop
Jens Heidenblut leitet die FAMA-Kunststiftung. Ahrenshoop liegt ihm besonders am Herzen. „Die Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop hat es geschafft, inzwischen eine Sammlung von mehr als 700 Werken aufzubauen“, erklärt er – und das innerhalb von zehn Jahren. 2013 wurde der
Museumsneubau – ein spektakuläres, modernes Gebäudeensemble des Berliner Büros Staab Architekten- feierlich eröffnet. Mit dabei war auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es sollte nicht ihr einziger Besuch in Ahrenshoop bleiben: Als sie in der Künstlerkolonie 2017 deren 125. Geburtstag mitfeierte, würdigte sie das Museumsprojekt als beeindruckende „Mischung aus gutem staatlichen, aber auch privaten
Engagement“. Nur 32 Tage nach der Eröffnung konnte das Museum seinen 10.000. Besucher begrüßen – ein Rekord. In den zehn Jahren bis heute kamen an die 400.000.
Ein Magnet aus Geschichte, Kunst und Idylle
„Es ist wahrscheinlich die Mischung aus diesem einmaligen Flair: der Geschichte des Ortes und der Kunst und nicht zuletzt der Künstler, die die Besucher anzieht“, sagt Jens Heidenblut. Dies alles verbunden mit einem einzigartigen Urlaubsfeeling – denn noch immer ist Ahrenshoop bei Erholungssuchenden sehr beliebt. 1889 entdeckten der Oldenburger Maler Paul Müller-Kaempff und sein Kollege Oskar Frenzel den Ort, in dem einst Fischer lebten, und verliebten sich in das Dorf auf dem schmalen Landstreifen zwischen Ostsee und Bodden. Sie waren entzückt von dem „Bild des Friedens und der Einsamkeit“ – und genau das entsprach dem Künstlerempfinden der Zeit. Viele schöpferische Menschen suchten damals in ganz Europa die Einsamkeit der Natur – in Worpswede, in Ascona, in Skagen wie in Ahrenshoop – und verließen die Städte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen auch Literaten, Schauspieler und Musiker nach Ahrenshoop. Ein Sehnsuchtsort für Generationen war geboren. Heute ist der Ort international vernetzt- in der Organisation der Künstlerkolonien EuroArt.
Wo Kunst, Natur und Geschichte zu einem fesselnden Erlebnis verschmelzen
Besonders das Kunstmuseum ist ein Ort, an dem jeder Ahrenshoop-Besucher gewesen sein muss. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, das in Ahrenshoop verwurzelte Bekenntnis der Künstler zur Natur als wesentlicher Quelle geistiger Erfahrung immer wieder in die Gegenwart, zu Jung und Alt, zu tragen“, erklärt Dr. Katrin Arrieta, die das Museum seit seiner Gründung künstlerisch geleitet hat und mehr als 55 Ausstellungen dort kuratierte. Auch im nächsten Jahr wird es wieder ein breit gefächertes Angebot geben: von der Freilichtmalerei um 1900 bis hin zur zeitgenössischen Kunst.
Viele Hannoveraner, die kunstinteressiert sind, kennen die Künstlerkolonie an der Ostsee schon längst und verbinden immer wieder mit ihrem Urlaub einen Besuch im Museum. Dabei geht es zuweilen auch nachdenklich zu. In der aktuellen Ausstellung „Halle am Meer“ ist der politische Aspekt von künstlerischem Tun in einem „Freiheitsraum“ Natur, wie es der Ostseestrand zur Zeit der DDR auch war, ein Thema. Man kann an einer der sachkundigen Führungen teilnehmen oder bei einem Kaffee über die umliegenden Felder schauen, die Gedanken schweifen lassen und sich auf ein abendliches Kammerkonzert im Museumsfoyer freuen.
Text: Heike Schmidt, Fotos: Privat