Es gibt Menschen, die passen eigentlich nicht in einen einzigen Magazinartikel. So wie die ungarisch-deutsche Pianistin, Professorin und Musikwissenschaftlerin Erika Lux. Sie sitzt kerzengerade an ihrem Wohnzimmertisch, das Interview soll beginnen und ihre Augen blitzen vor Neugierde.
Zu jedem Thema hat sie so viel zu sagen, dass sie kaum weiß, wo sie anfangen soll. Also fängt sie ganz vorne an. Auf die Frage, wie sie zur Musik gekommen ist, erzählt sie als Erstes,
wie sie als Kind die italienischen Vortragsbezeichnungen in den Noten gelesen und damit ihre Liebe für Sprachen entdeckt hat. Heute spricht sie neben ihrer Muttersprache Ungarisch auch Deutsch, Englisch, Russisch und ein kleines bisschen Italienisch, aber ihre Lieblingssprache ist Französisch.
Dann erzählt Erika Lux, wie die Malerei des Impressionismus für sie mit der Musik verknüpft ist – die Farben, die Nuancen, das Licht, die Übergänge, die ganze Welt zwischen Klang und Bild. Monet, Turner, Debussy … für sie sind die Übergänge fließend und alle Sinneseindrücke hängen zusammen. Ein Schlüsselerlebnis war ein Meisterkurs in Nizza 1970.
"Die Kunst ist in den kleinsten Feinheiten"
Dort wohnte sie, die hinter dem Eisernen Vorhang aufgewachsen war, in einem Zimmer mit Blick auf das Mittelmeer. Dort hat sie verstanden, was Debussy mit seinem Stück La Merausdrücken wollte, was das Gefühl von Meer ist und was Schönheit.
Sie ist stolz, dass sie all das auch auf dem Klavier ausdrücken kann: „Ich kann Piano und Pianissimo ausspielen, das können heute nicht mehr viele. Und bei dem impressionistischen Maler Alfred Sisley habe ich die ganz kleinen, leisen Übergänge gesehen. Die Kunst ist in den kleinsten Feinheiten.“ Und erst dann kommt sie bei dem biografischen Detail an, dass ihre Mutter Pianistin war und zu Hause Klavierunterricht gab.
Das war das Glück der kleinen Erika, die bereits als Kleinkind stundenlang hinter der Mutter am Flügel saß und immer wusste: „Das ist es für mich! Es war ganz selbstverständlich, ich wollte nie etwas anderes.“ Es macht Spaß, Erika Lux zuzuhören. Sie erzählt viel und schnell, sie springt dabei über Jahrzehnte und Landesgrenzen, aber sie verliert nie den Faden, denn in ihrem Leben und Erleben hängt alles mit allem zusammen.
Nach dem Klavierstudium in Budapest folgten Meisterkurse, gewonnene Wettbewerbe und erfolgreiche Engagements. Sie trat unter anderem mit Yehudi Menuhin auf und spielte zunächst in Deutschland, Frankreich, Belgien und in der Schweiz. Die Kreise zogen sich immer weiter für sie, bis sie schließlich eine Stelle in Augsburg annahm und sich für ein Leben im damaligen Westdeutschland entschied: „Ich war keine Dissidentin, dazu liebe ich meine ungarische Heimat viel zu sehr. Zum Glück hat man mich in Ungarn aber auch nach Jahrzehnten nicht vergessen.“
Erika Lux zeigt stolz auf das Goldene Verdienstkreuz, das vor ihr auf dem Tisch liegt: „Das habe ich vor Kurzem vom ungarischen Staatspräsidenten verliehen bekommen. Es ist der Ausdruck von Dank und Anerkennung dafür, dass ich ungarische Komponisten in Deutschland bekannter gemacht habe.“
In ihrer vielschichtigen Biografie lassen sich drei Schwerpunkte ausmachen: Erika Lux war und ist erfolgreiche internationale Konzertpianistin. „Das ist meine absolute Leidenschaft und meine Berufung. Ich will den Menschen den Reichtum der Musik zeigen!“ Sie ist unter anderem in London, Tokio, New York, Paris, Kopenhagen und Havanna aufgetreten, hat mit vielen großen Ensembles und als Solokünstlerin konzertiert.
Zweitens ist sie Lehrende und hatte seit 1990 an der Musikhochschule in Hannover eine Professur inne. Drittens ist sie Forschende zu jüdischer Musik, was sie vor allem mit ihrem Mann, dem Organisten, Dirigenten und Musikwissenschaftler Andor Izsák vorantreibt. Izsák ist ein wohlbekannter Name, er ist der Gründer und langjährige Direktor des Europäischen Zentrums für jüdische Musik in der Villa Seligmann.
Es gibt so vieles, das sie liebt
Welche Musik ist ihr die Wichtigste? Beinahe sieht es so aus, als ob Erika Lux diese Frage einfach nicht beantworten kann – es gibt so vieles, das sie liebt und ihr etwas bedeutet.
Nach einigem Nachdenken nennt sie dann dennoch drei große Namen: Debussy, Liszt und Chopin. Auch Bartók und Ravel sind ihr wichtig, ebenso die jüdische Musik und zudem liebt sie die Kammermusik.
Erika Lux kann sich beim Erzählen begeistern für alles, was ihr begegnet ist und was sie erleben durfte. Ihre Augen blitzen dabei heute noch wie die des jungen Mädchens, das damals in Nizza zum ersten Mal das Meer gesehen und dadurch Debussy verstanden hat.
Text: Catrin Kuhlmann
Fotos: Lorena Kirste