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Liebestrunken

24. Juni 2021

Oliver Perau überrascht mit einer neuen Veröffentlichung – in Gestalt seines Alter Egos Juliano Rossi.
Text: Jörg Worat Fotos: Maike Helbig
Aus heiterem Himmel? So ungefähr kann man das neue Album von Juliano Rossi alias Oliver Perau beschreiben. Wohl niemand hatte jedenfalls damit gerechnet, dass „Drunk on Love“ gerade jetzt, genauer gesagt am 6. Juni, erscheinen würde, nicht einmal unbedingt der Sänger selbst: „Wir hatten keine Plattenfirma oder sonst jemand, der uns wegen irgendwelchen Terminen im Nacken saß. So konnten wir mit Wolfgang Sick vom Peppermint-Park-Studio in Ruhe daran arbeiten, bis es eben fertig war.“
Unter „wir“ sind in diesem Fall vor allem Perau und der langjährige Mitstreiter Lutz Krajenski, Meister der Keyboards und des Arrangements, zu verstehen. Zwischen beiden besteht seit Langem eine Art symbiotisches Arbeitsverhältnis: „Ich spiele selbst kein Instrument“, beschreibt es Perau. „Meist habe ich erst Melodien im Kopf, schreibe die Texte und gehe damit zu Lutz. Er findet dann die passenden Akkorde und Arrangements. Manchmal passiert das so unmittelbar, dass es fast unheimlich ist.“
Krajenski hat das aktuelle Album auch produziert, das auf dem neuen Label „Peppermint-Park/Tessmar Classic‘n‘Jazz“ erscheint und auf dem bewährte lokale Kräfte wie Drummer Matthias Meusel oder Saxofonist Stephan Abel mitwirken. In stilistischer Hinsicht ist es nicht ganz leicht zu beschreiben, was allerdings angesichts von Peraus bekannter Vielseitigkeit kaum verwundert. Bei Terry Hoax gibt er den Rocker, als Juliano Rossi ist er vornehmlich im Swing unterwegs, auch poppige Anklänge werden nicht verschmäht, und über allem schwebt der Name Burt Bacharach: „Seine Musik wurde schon bei uns zu Hause gespielt. Und obwohl natürlich auch die Platten meines älteren Bruders, EltonJohn oder Supertramp, eine Rolle gespielt haben, ist Bacharach wohl der wichtigste Einfluss für mich geblieben.“

Woran das liegt, kann Perau nur bedingt verbalisieren: „Es gibt bei ihm gewisse Harmonien und rhythmische Raffinessen, aber letztlich ist es wie bei der Liebe – die ist auch nicht wirklich mit Worten zu beschreiben.“
Womit wir beim Thema wären, hat der 51-jährige Sänger doch den Titel des neuen Albums mit Bedacht gewählt. Am 20.2.2020 hat er seine Rebekka geheiratet, wobei künftiger Ehekrach wegen eines vergessenen Hochzeitstags nicht nur durch die einprägsame Zahlenfolge ausgeschlossen scheint: „Ich vertrage keine Ringe, überhaupt keinen Schmuck. Also haben wir uns das Datum eintätowieren lassen.“
Die im Text von „Drunk on Love“ beschriebene gemeinsame Fahrradfahrt wurde auch in einem sehr charmanten Video umgesetzt, und die Rolle der geliebten Frau spielt diese selbst. Auch sonst hat Rebekka, von Haus aus in der IT-Branche tätig, bei der neuen Veröffentlichung ihre Hände im Spiel: „Sie ist sehr kreativ“, betont der Gatte. „Zum Artwork für das Album hat sie fast mehr beigesteuert als ich.“

Von den Doors zu Dean Martin

Der Titelsong und Opener „Drunk on Love“, bereits als Single am Start, klingt mehrschichtig. Das Arrangement hat durchaus etwas Opulentes, andererseits haben unüberhörbar die „Doors“ ihre Spuren hinterlassen. Perau stimmt zu: „Beim Schreiben der Melodie hatte ich das zwar überhaupt nicht im Sinn, aber als Lutz dazu spielte, kam dieser Touch hinein.“ Was den Sänger als Fan der besagten Band kaum stören dürfte; tatsächlich bezeichnet er in angenehmer Selbstironie seine Anfänge auf der Rock-Bühne als „die Zeit, als ich mich für Jim Morrison hielt“.
Sein Lieblingsalbum der Doors ist übrigens interessanterweise „The Soft Parade“ – bei vielen Kritikern wegen der ungewohnten Bläser- und Streichersätze einigermaßen verhasst.
Was hat „Drunk on Love“ sonst noch zu bieten? Fünf weitere Eigenkompositionen, unter denen „Melody“ vielleicht besonders auffällt: „Eine Up-Tempo-Nummer, für mich eher untypisch. Dazu will ich auf jeden Fall ein Tanzvideo machen. Obwohl ich überhaupt nicht tanzen kann …“

Auch gebrochene Untertöne finden sich: In „I Don‘t Wanna Feel This“ heißt es etwa „The monster is starving/The monster is me“. Zu den Fremdtiteln gehört „There Is A Light That Never Goes Out“ von The Smiths, während „What‘s Yesterday“ und „Mambo Italiano“ auf Dean Martin verweisen – Perau schätzt eben auch das Rat Pack: „Sammy Davis Jr. war da ja eigentlich der Wilde. Bei Dean Martin hat mir gefallen, dass er nicht immer nur im Vordergrund stehen wollte und auch den Sidekick geben konnte.“ Und wenn es um die abschließende Nummer „Harvest Moon“ von Neil Young geht, kommen wir aufs Tanzen zurück: „Bei einem Konzert habe ich einmal zu diesem Stück das Publikum aufgefordert, nach links und rechts zu schauen, mit wem man gern tanzen würde. Nachher war fast alles in Bewegung – das Bild habe ich immer noch vor Augen.“
Schließlich ist von einem weiteren Novum zu berichten: Erstmals erscheint eine Juliano-Rossi-Scheibe auch auf Vinyl. „Ich habe selbst immer noch einen Plattenspieler in Betrieb“, sagt Perau. „Da gibt es wohl etwas Nostalgisches in mir. Mein iPhone ist auch erst zwei Wochen alt.“
Die neue Vinyl-Ausgabe ist schon rein optisch ein Gedicht: rotes Cover und himmelblaue Platte – welche Farben passen denn auch besser, wenn man „Drunk on Love“ ist?

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