Die Orangerie in Herrenhausen bietet faszinierende Einblicke in die historische Gartenkunst und zeigt die wertvollen Zitruspflanzen. „Gartenkunst aus Meisterhand“ heißt die Ausstellung in der Orangerie Herrenhausen anlässlich der Feierlichkeiten zu „350 Jahre Großer Garten“.
Heute kaufen wir Orangen und Zitronen im Supermarkt, doch vor 350 Jahren waren sie kostbare Raritäten: Orangen und Zitronen. Sie konnten so viel Wert sein wie der Jahresverdienst eines Gärtners. Schon aus diesem Grund wurden sie gehegt und gepflegt. Damit sie im norddeutschen Winter nicht eingingen, kamen sie zum Schutz vor Frost und Sturm in eigens für sie gebaute Häuser, in so genannte Orangerien. Dies war auch im Kurfürstentum/Königreich Hannover so. In der Orangerie in Herrenhausen ist jetzt die Ausstellung „Gartenkunst aus Meisterhand“ zu sehen. Sie markiert den Auftakt zu den Feierlichkeiten anlässlich „350 Jahre Großer Garten“.
Ort des kulturellen Austauschs
Oberbürgermeister Belit Onay wies auf die Bedeutung des Großen Gartens hin: „Er hat eine Strahlkraft über Hannover hinaus.“ In der Gartenlandschaft nehme er einen besonderen Platz ein. Er sei seit 350 Jahren ein Erholungs- und Rückzugsort – und selbstverständlich auch ein Aushängeschild für die Stadt. „Er ist ein Ort, der Geschichte atmet“, sagte er während der Ausstellungseröffnung. Da man jedoch nicht nur rückwärtsgewandt die Geschichte beleuchten wolle, sei es auch dank der Klosterkammer Hannover gelungen, ein ansprechendes Programm zu konzipieren, was das ganze Jahr hindurch die „350 Jahre Großer Garten“ erlebbar mache. „Der große Garten war auch immer ein Ort des kulturellen Austauschs“, betonte Onay.
Sophie, eine Frau mit Einfluss
Die Präsidentin der Klosterkammer Hannover, Dr. Thela Wernstedt, erklärte, dass der Klosterkammer besonders die Kinder- und Jugendarbeit am Herzen liege. So habe man gerne beispielsweise auch die Aktionen „Early Bird“, bei denen Grundschulkindern der Große Garten nähergebracht wird, oder auch die Akademie der Spiele gefördert. Daneben wird es aber auch zahlreiche Konzerte, Vorträge und Führungen geben – unter anderem mit der Gartenexpertin Heike Palm. Die Historikerin hat sich eingehend mit der Gartenkultur und -geschichte befasst. „Der Große Garten war ein Ort der Gartenkunst, der Wissenschaft und des Austauschs“, erklärt Kulturdezernentin Eva Bender. Da Kurfürstin Sophie maßgeblich für den Aufbau gesorgt habe, dränge sich ihr auch die Frage auf, „welchen Einfluss Frauen früher schon genommen haben“.
Der oberste Gärtner Georg Ernst Tatter
Doch neben Kurfürstin Sophie hatte sicherlich ein Mann eine besondere Rolle beim Aufbau des Gartens und besonders der Orangerie: Georg Ernst Tatter (1689-1755). Wer die Ausstellung in der Orangerie besucht, kann ihn auf einem Bild sehen. Etwas von oben herab blickt er auf die Besucher der Orangerie und sieht dabei gar nicht wie ein Gärtner aus: Der Stoff seiner leuchtend blauen Weste wirkt wie aus Seide, darunter trägt er ein blütenweises Halstuch. Sein Gehrock scheint aus leicht changierendem, dunklem Stoff genäht worden zu sein. Alles in allem wirkt Tatters Kleidung wohlhabend. Im Hintergrund ist zudem eine rote Stoffbahn zu sehen. Keine Pflanze, keine Zitrone, noch nicht einmal ein Blümchen weist auf seine Funktion hin. Der oberste Gärtner von Herrenhausen posiert eher wie ein Staatsmann und nicht wie ein Gärtner, der sich um kostbare Pflanzen kümmert.
Der Zitrus-Experte
Der Zitrus-Experte scheint sich seiner Stellung durchaus bewusst gewesen zu sein. 1734 war er in hannoversche Dienste getreten. Seine üppige, private Pflanzensammlung brachte er mit. Er galt als Experte für exotische Pflanzen, und mit seinem Dienstantritt begann die Zeit, in der die Orangerie und Zitrusgewächse zur Hauptattraktion wurden. 1750 veräußerte er seine private Pflanzensammlung für mehr als 2000 Reichstaler an König Georg II., der gleichzeitig Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg war. Der Verkauf brachte ihm das Vierfache seines Jahresgehaltes ein. Gleichzeitig begründete dieser Ankauf die heutige Sammlung in Herrenhausen, die rund 1000 Exemplare umfasst.
Hilfsmittel im Garten
Beim Verkauf bestand Tatters Sammlung aus 413 Orangenpflanzen, 338 „exotischen Gewächsen sowie 750 Blumenpflanzen und Zwiebeln. Für den Großen Garten war dies ein Schatz. Doch nicht nur die Anschaffung der Kostbarkeiten kostete. Auch der Unterhalt verschlang viel Geld. Allein die Kübel für die 400 großen Zitrus- und Lorbeerbäume, die es Mitte des 18. Jahrhunderts in Herrenhausen gab, kosteten im Jahr 300 bis 400 Reichsthaler. Das war das Jahresgehalt eines Gärtners. Außerdem mussten die großen Kübel im Herbst in die Orangerie und im Frühjahr wieder ins Freie gebracht werden. Dafür wurden jeweils 80 Mann eingestellt, die diese schwere Aufgabe übernahmen. Vier Tage lang transportierten sie die kostbaren Pflanzen in ihren Kübeln hinaus und im Herbst wieder hinein. Die Hilfsmittel, die ihnen zur Verfügung standen, sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. 1748 hatte Gärntergeselle Johann Wilhelm Tatter – der Sohn des hannoverschen Gartenmeisters – aus Celle eine Maschine mitgebracht, die es vier Männern erleichterte, eine Kübelpflanze umzutopfen. Und diese erwies sich als so praktikabel, dass sie bis ins 20. Jahrhundert hinein im Einsatz blieb. Und natürlich spielten auch Pferde eine Rolle, die Kübel zu bewegen. Aber nicht nur.
Pferdemist zum Heizen
Pferdemist wurde zum Beheizen der Erdgewächshäuser im großen Garten benutzt. „Wir hatten uns überlegt, ob wir das nochmals machen wollen“, berichtet Prof. Anke Seegert, Direktorin der Herrenhäuser Gärten. Man habe aber davon abgesehen, da die heutigen Umwelt-Auflagen zu hoch gewesen wären. Wie einst wieder aussehen wird hingegen der Orangenplatz vor dem Galeriegebäude. Auf einem Stich von 1735 sind die Bäumchen in den einzelnen Kübeln so auf dem Platz vor dem Galeriegebäude angeordnet, dass man zwischen ihnen wie durch ein symmetrisches Wäldchen hindurchgehen kann. Noch sind die Bauarbeiten im Gange. Doch in diesem Jahr zum 350sten Geburtstag des Gartens soll es fertig werden.
Informationen
Die Ausstellung „Gartenkunst aus Meisterhand“ ist vom 14. Februar bis zum 6. April montags bis freitags von 11 bis 17 Uhr in der Orangerie in Herrenhausen zu sehen. An den Wochenenden ist sie von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Sie wird nochmals vom 18. Juli bis 5. Oktober in der Orangerie zu Gast sein. Dort gibt es auch ein Faltblatt mit sämtlichen Terminen zu weiteren Veranstaltungen.
Text: Heike Schmidt
Fotos: Tobi Wölki/Herrenhäuser Gärten, Historisches Museum Hannover