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Ein wenig retro und ganz schön neo

03. März 2023

Es ist eine echt haarige Nummer: Sylphie Currin hat sich ihre langen Haare zu einem festen Dutt gesteckt. Darin steckt ein Karabiner, an dem ein Seil befestigt ist. Dieses zieht sie – nur an den Haaren hängend – in die Luft, wo die junge Frau mit ihrem Körper einen poetischen Tanz aufführt. Das ist freaky? Ja, sicher! Und so ist auch die ganze Show „Neo“, die jetzt im GOP Varieté Premiere feierte.

Text: Heike Schmidt, Fotos: GOP

Von den Typen her ist jeder ein Freak auf seine Weise. Was alle eint? Die Varietésparten, die sie bedienen, sind alle ein wenig retro, gleichzeitig sind aber alle neo – also neu. Alle Künstler geben alt-(modischen) Nummern einen neuen Twist: Das Hair Hanging stammt eigentlich aus der Zeit der Freak-Shows, die im 19. Jahrhundert in Mode kamen. Wenn Sylphie Currin aber bei Neo an ihren Haaren hängend in der Luft tanzt, ist das keineswegs altbacken.

Neo = Neu

Herkömmliche Strapaten-Akrobatik macht Erin Skye zu einer Nummer, die jedem modernen Tanzfestival Ehre machen würde. Mal in der Luft, mal am Boden, aber immer mit Händen oder Füßen in den Schlaufen der Strapaten „gefesselt“ zeigt sie eine Choreographie wie im modernen Tanztheater. Das ist ungewöhnlich. Das ist neu. Darauf muss man sich einlassen, gerade weil man dies nicht unbedingt im Varieté erwarten würde.

Jojos und Tambourstab sind nicht mehr retro

Auch Jojos sind eigentlich ziemlich 80er, oder? Damals, als alle mit Vokuhila rumliefen und die coolsten auf dem Pausenhof leuchtende Jojos lässig auf und ab schnellen ließen. Bei Shu Takada ist das Jojo im neuen Jahrtausend angekommen. Er ist zurecht nicht nur ein Tik-Tok-Star, der beim Jojo spielen auch mal einen Salto aus dem Stand springt oder furios einen Mix aus Breakdance und traditioneller japanischer Folklore hinbekommt.

Amélie Bolduc hat etwas für sich entdeckt, das seit den 70er Jahren in den USA als Wettkampfsport geführt wird: Twirling. In Karnevalskreisen ist es besser als Tanz mit dem Tambourstab bekannt, wenn die Mariechen in Formationen den Stab herumwirbeln lassen. Amélie ist ein Kind der 2000er – und die Stabjonglage mit ihr auch in diesem Jahrtausend angekommen. Michael und Yulia zeigen Partnerakrobatik, die auf diesem hohen, sportlich-ästhetischen Level nie ältlich wirken wird. Übrigens genauso wenig wie die Ikarischen Spiele, bei denen Michael seinen Bruder Dario nur mit den Beinen durch die Luft wirbelt.

Retro vs Neo

Blieben noch Holger Dieffendahl, der an diesem Abend die Life-Musik zu den einzelnen Nummern beisteuert, und Moderator Martin Quilitz in seinem 80er-Jahre-Thomas-Gottschalk-Gedenkanzug, der als bewusst gesetzter Retro-Gegenpart die jungen Künstler umso mehr erstrahlen lassen soll. Aber seien wir ehrlich: Ein wenig retro ist doch auch schön. Auch weil man erkennt: Die coolen Jojo-Jungs von einst sind sicherlich nicht mehr so neo.

Tickets gibt es hier zu kaufen.

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