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„Das Märchen vom Zaren Saltan“ – so war die Premiere

20. Januar 2023

„Das Märchen vom Zaren Saltan“ ist neu in der Oper zu sehen. Warum es sich lohnt, zwei Stunden und vierzig Minuten den zauberhaften Klängen zu lauschen.

Text: Heike Schmidt, Fotos: Sandra Then

Märchen und Fantasie

Was macht einen guten Märchenerzähler aus? Ist es seine Stimme? Ist es das Ungesagte, das Unsichtbare, das Platz für die eigene Fantasie lässt? Oder ist es die Musik, die einen in die Traumwelt entführen möchte? Die eher selten gespielte Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan“ von Nikolai Rimski-Korsakow, die jetzt in der Oper Premiere feierte, vereint all diese Aspekte. Doch man muss sich auf die Inszenierung von Eva-Maria Höckmayr einlassen, die zunächst gar nicht so märchenhaft daherkommt.

Märchen mit Business-Kostüm


Kein Schloss, kein Prunk, keine märchenhaften Gewänder. Die Zarin (Barno Ismatullaeva) trägt ein grünes Business-Kostüm; ihr Mann, Zar Saltan (Daniel Miroslaw), einen farblich abgestimmten Mantel. Den drei bösen Schwestern hat Andy Besuch (Kostüme) schlichte Kleider in der knalligen Komplementärfarbe Rot gegeben. So ist gleich von Anfang an klar, wer hier auf welcher Seite steht. Der Bezug vom übergroßen Thron ist abgewetzt, ebenso wie das in rokokomanier-ausladende, korsettsteife Prunkkleid, das später eine der bösen Damen in Rot tragen wird, als der Plan von der Verschwörung gegen die Zarin zumindest zeitweise aufgegangen ist.

Schlicht. Kühl. Distanziert.

Die Bühne ist eher leer (Bühne: Julia Rösler). Rechts und links sitzen auf schlichten Stühlen die Mitglieder des Chores. Das Fass, in dem die Zarin und ihr Sohn, übers Meer treiben, ist ein Kubus, der aus dem Theaterhimmel hinuntergelassen wird und der als Projektionsfläche für einen Film (Krysztof Honowski) dient. Märchenhaft ist hier kaum etwas. Schlicht. Kühl. Distanziert. Es könnte die Umgebung für das Spiel eines sehr modernen Märchens werden. Aber ist es das auch?

Russischer Erzähler übers Tonband

Auf einem weißen Podest auf der Bühne steht ein Tonbandgerät. Eines dieser altmodischen Dinger, die man vielleicht noch im Museum findet. Ein Tonband läuft. Und darüber wird immer wieder ein Erzähler auf Russisch das Märchen von Zeit zu Zeit erzählen. Seine Stimme ist angenehm. Doch verlangt es den Zuschauern Geduld ab, sich immer wieder auf einen Erzähler einzulassen, während auf der Bühne weitgehend nichts geschieht.

Wichtiger Kontemplationspunkt

Man könnte argumentieren, dass gerade diese Konzentration auf das Märchen, das gesprochene Wort und die Rückführung der Zuschauer als wichtiger Kontemplationspunkt gesehen wird. Doch rein faktisch hat diese Rückführung ihre Längen. Sicher, russische Dichter mögen es oftmals lang: Man denke an Tolstois Anna Karenina, Dostojewskis Schuld und Sühne. Aber vielleicht hätte es dem „Märchen vom Zaren Saltan“ gutgetan, etwas zu straffen, auch oder gerade, wenn man einen russischen Erzähler einsetzen möchte.

Verzaubernde Märchen Musik

Doch etwas ganz Entscheidendes ist so wundervoll an diesem Abend, dass mit jeder erzählerischen Länge versöhnt: die Musik. Es ist nicht nur der legendäre „Hummelflug“, bei dem das Orchester unter James Hendry zu Hochtouren aufläuft und die Hummel nur so schwirren und sirren lässt. Es sind auch Mutter (Barno Ismatullaeva) und Sohn Gwidon (José Simerilla Romero), die drei bösen Damen in Rot Babaricha (Monika Walerowicz), Tkatschicha (Beatriz Miranda) und Powaricha (Ketevan Chuntishvili), die Schwanenprinzessin (Sarah Brady) und nicht zuletzt der Chor, die die Musik zu einem märchenhaften Erlebnis machen.

Es ist ein langer Abend: Zwei Stunden und 40 Minuten dauert es, bis es ein Happy End am Zarenhof gibt. Es lohnt sich aber, die eher selten gespielte Oper von Nikolai Rimski-Korsakow anzusehen – auch wenn es keine zauberhaften Eichhörnchen gibt, die goldene Nüsse mit Smaragdkern knacken.

Das Märchen vom Zaren Saltan
Inszenierung: Eva-Maria Höckmayr
Musikalische Leitung: James Hendry 
Kostüme: Andy Besuch
Bühne: Julia Rösler
Zar Saltan: Daniel Miroslaw
Zarin Militrissa: Barno Ismatullaeva
Zarensohn Gwidon: José Simerilla Romero
Babaricha: Monika Walerowicz
Tkatschicha: Beatriz Miranda
Powaricha: Ketevan Chuntishvili
Schwanenprinzessin: Sarah Brady

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