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Keine Angst vorm Kotelett

11. Februar 2024

Carsten Scheller hat für die Serie Nobilis kocht den Grill angeheizt.

Warum macht heute eigentlich keiner Koteletts mehr? „Wahrscheinlich haben die meisten einfach Angst davor“, schätzt Carsten Scheller: „Dabei ist das doch ein so wunderbares Stück Fleisch.“ Hinten der Knochen, vorne die Fettschicht, zusammen umrahmen sie das feinmarmorierte Stück des Duroc-Schweins, das heute die Hauptrolle in unserer Serie „Nobilis kocht“ spielt. „Durch diese Umrahmung bleibt das Fleisch in der Mitte schön saftig“, weiß der Fleischermeister, der schon in der vierten Generation den Betrieb in Ronnenberg-Empelde fortführt. Sein Großvater Heinrich Scheller hatte ihn 1938 gegründet. Carsten Scheller hat ihn 2009 als Inhaber übernommen. Zuvor hatte er eine Lehre als Koch und eine als Fleischer gemacht, auf Sylt, in London und Paris gearbeitet. Dann kam er zurück in die Region Hannover. 

Kotelett im Wandel

„Schon meine Oma hat Koteletts gebraten“, erinnert sich der 48-Jährige. Allerdings etwas anders als der Enkel. Bei ihr wurden die Fleischstücke mit dem Knochen natürlich paniert und in einer Emaillepfanne in viel Fett ausgebacken. „Anschließend hat sie in der Pfanne Zwiebeln gebraten und die ins Fenster gestellt“, weiß der Fleischermeister: „Das roch gut und zog die Kundschaft an.“

Für unser Rezept wird das etwa 400 Gramm schwere Stück des Duroc-Schweins aber nicht durch Ei und Semmelbrösel gezogen. Doch nicht nur die Zubereitung, auch das Grillen an sich hat sich verändert. „Früher wurden Würsten und Nackensteaks auf den Grill gelegt, dazu gab es Kartoffel- und Nudelsalat und ein Bier“, sagt Scheller: „Heute geht der Trend dazu, ganze Mahlzeiten zu grillen.“ Und so hat der Fleischermeister für die Nobilis auch ein Gericht erdacht, dass komplett auf dem Grill zuzubereiten ist. Es gibt Duroc-Kotelett mit einer selbstgemachten Kräuterbutter mit Aprikosen und Spargel.

Auf die Hitze kommt es an

Zunächst reibt Carsten Scheller das Stück Fleisch mit Liquid Shio Koji ein. Das gibt es im Asia Laden. „Es verstärkt den Geschmack des Fleisches und macht es zarter“, erklärt der Fachmann. Unser Stück ist zudem ein ganz besonderes Stück: Es ist sechs Wochen lang in der Schwarte gereift. „Dry aged“ – trocken gereift – nennt das der Fachmann. Mit einem Löffel verstreicht Carsten Scheller das Liquid Shio Koji. Danach kommt das Kotelett auf den vorgeheizten Grill – und zwar auf eine so genannte Plancha. Das ist eine Art Platte aus Gusseisen, die die Riffelung einer Steakpfanne und gleichzeitig einen Rand hat. „Da das Fleisch einen großen Fettrand hat und das Fett beim Grillen austreten wird, kann es nicht in die Flamme geraten“, sagt Scheller. Positiver Nebeneffekt: Die Rostaromen und das ausgetretene Fett werden der selbstgemachten Kräuterbutter später den letzten Schliff geben. und noch etwas ist wichtig, bevor das Fleisch auf den Grill kommt: Er muss sehr heiß sein. „Wenn er heiß genug ist, dann bleibt das Fleisch nicht kleben“, betont der Fleischermeister, der das Fleisch übrigens vor dem Grillen salzt. „Die Shio Koji enthält Zucker, das Salz führt dazu, dass Wasser austritt. beides zusammen karamellisiert während des Grillens“, sagt Scheller – und das bedeutet noch mehr Geschmack.

Tipps vom Profi für ein perfektes Kotelett

Der Grill hat 400 Grad Celsius erreicht. Rauf mit dem Kotelett auf die Plancha. Dann die Hitze auf 200 Grad Celsius herunterregeln – und Deckel zu! Auch wenn man dann nicht sieht, was passiert. Wer nicht sicher ist, wie lange so ein Stück auf dem Grill benötigt, für den hat Scheller eine dringende Empfehlung: „Investieren Sie in ein Kerntemperaturfühler.“ Wie lange das Fleisch braucht? „Ich schätze mal, sieben bis acht Minuten braucht ein Stück von unserer Dicke auf jeder Seite“, erklärt Scheller. Was er tut, wenn er sich unsicher ist – was selten vorkommt. „Dann bin ich mir nicht zu fein, auch mal ein Stück anzuschneiden.“ Wenn das Fleisch 50 Grad Celsius Kerntemperatur erreicht hat, sollte es runter vom Grill und ruhen.

Das Fleisch, das Carsten Scheller grillt, ist von einem freilaufenden Tier. Er weiß, woher das Fleisch kommt, das er seinen Kunden anbietet. Er kennt die Bauern beim Namen, die ihn beliefern, weiß, wie die Tiere gehalten und wie sie gefüttert werden. Als Familienbetrieb von überschaubarer Größe sei das auch möglich. Außerdem: „Wenn ich Fleisch essen will, habe ich eine Verantwortung dem Tier gegenüber, von dem ich mich ernähre. Ob ich das nun hören will oder nicht.“

Heimischer Bärlauch ist auch mit dabei

Während das Fleisch auf der einen Seite brät, kümmert sich der ausgebildete Koch um Kartoffeln und Spargel. Beides hat er vorgekocht. Die Kartoffeln werden halbiert und auf der Schnittseite mit Öl bestrichen, Dann kommt Sesam darauf. Anschließend auf der Schnittseite auf den Plancha geben. Der Spargel kommt so auf den Grillrost. „Nicht zu lange liegen lassen, sonst wird er faserig“, warnt Scheller. Inzwischen schmelzt er Butter in einer Kasserolle. „Bis sie braun ist.“ Den Bärlauch aus dem Deister – „natürlich nur für den Eigengebrauch gepflückt!“ – scheidet er in feine Streifen, ebenso wie die getrockneten Aprikosen. „Ich nehme lieber getrocknete Aprikosen. Die haben mehr Geschmack“, erklärt der Profi. 

Zeit, das Kotelett zu wenden. „Wenn das Fleisch nicht mehr kleben bleibt, ist es bereit zum Wenden“, sagt Scheller. Auf die andere Seite gelegt, wird selbstverständlich wieder der Deckel geschlossen. Die schäumende Butter hat er schon vom Grill genommen. Ein Löffel Honig kommt dort hinein, etwas Salbei und die kleingeschnittenen Aprikosen. Wie viel von allem? „Ich habe kein Rezept, das mache ich nach Gefühl.“

Als Schinken zu Klinker wurde

Das Fleisch brutzelt unter dem Deckel vor sich hin. Zeit für eine kleine Familiengeschichte. Noch immer gibt es den so genannten Klinkerschinken in der Fleischerei Scheller zu kaufen. Was das ist? Carsten Scheller wäre nicht Carsten Scheller, wenn er auch hierzu eine wunderbare Geschichte erzählen könnte – und diese hat sogar etwas mit Hannover zu tun.

Zur Erinnerung: Die Fleischerei Scheller ist in Ronnenberg-Empelde, vor den Toren der Stadt Hannover ansässig. Früher gehörte Ronnenberg nicht zu Hannover. Und schon gar nicht im Mittelalter. Und so erzählte man sich in der Familie Scheller von jeher, dass damals, zur Zeit des Marktkrichenbaus, die Stadt Hannover verfügte, dass nur Fleischer ihre Waren in Hannover anbieten durften, die auch ihre Tiere innerhalb der Stadtgrenzen hielten. Was tun, wenn man in Ronnenberg wohnte? Man machte Klinkerschinken! Also Schinken, der aussah wie ein Klinker. Decke drüber, ab durch die Stadttore. Und wenn man gefragt wurde, was das war, war doch klar: Klinker! Was dran ist an der Story? Ungewiss. Eins hingegen ist sicher belegt: „Das Rezept haben wir in einer alten Kladde von meinem Großvater aus dem Jahr 1910 gefunden“, erinnert sich Carsten Scheller, dessen Klinkerschinken heute noch sehr gefragt ist.

Das Kotelett ist fertig. Jetzt kommt es vom Grill und darf sich ausruhen. In der Zwischenzeit wird der kleingeschnittene Spargel in die Buttermischung geben. Der feingeschnittene Bärlauch kommt jetzt ebenfalls hinzu. Und das Fett, das vom Kotelett ausgetreten ist. Anschließend den Knochen vom Fleisch trennen, es mit Pfeffer würzen und aufschneiden. Die Butter mit dem Spargel darüber geben und mit einer Kartoffel anrichten. Fertig.

Text: Heike Schmidt, Fotos: Frank Wilde

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