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Kaffeehauskultur im Herzen der Stadt

16. August 2022

Man nennt sie auch die drei großen Ks – drei Kaffeehäuser, die auf eine eindrucksvolle Geschichte zurückblicken, die bis in die Gegenwart existieren und zu deren
Stammgästen sowohl die Großeltern als auch die Enkel zählen. Die drei Ks, das sind die Konditorei Kreipe, die Holländische Kakaostube und das ehemalige Café Kröpcke, heute besser bekannt unter dem Namen Mövenpick-Café.
Text:  Beate Rossbach  Foto: Willy Pragher / Staatsarchiv Freiburg

Café Kröpcke, später Mövenpick Café am Kröpcke: Gute Gastgeber seit über 150 Jahren

Auf den Serviceseiten der Stadt und Region Hannover steht ein bemerkenswerter Satz: „Einzigartig in Deutschland dürfte sein, dass eine Großstadt ihren zentralen Platz nach dem Café
eines ehemaligen Oberkellners benennt.“ Und wer war dieser Herr Kröpcke? Er war ein Unternehmer – aber der Reihe nach. Der Namensgeber für das Café Kröpcke hätte ebenso gut ein Herr Robby sein können. Denn mit Georg Robby, von Beruf Cafetier, Konditor und Chocolatier, fing alles an, als der Platz im Dreieck zwischen Bahnhofstraße, Oper und Georgstraße noch nicht Kröpcke hieß, sondern Theaterplatz.

Foto: Lorena Kirste – Die Konditorin Alena Pönitz arbeitet seit über 20 Jahren im Mövenpick Café am Kröpcke.

Ein Konditor mit Schweizer Wurzeln

Georg Robby hatte eine gute Nase für die Lage und, so schreibt das Stadtlexikon, „offenbar ein Gespür für die sich abzeichnende City-Bildung in Bahnhofsnähe“. Sein Großvater war Schweizer und hatte bereits 1795 in der Altstadt eine Konditorei eröffnet.
Enkel Georg Robby war es dann, der seine Konditorei an den Theaterplatz verlegte. Hier erbaute er 1869 ein neues Café, einen orientalisch anmutenden Pavillon in Eisenkonstruktion. Die Gäste wurden im Stil der Wiener Kaffeehäuser verwöhnt. Außer Kaffee und Kuchen gab es einen Mittagstisch und abends ein Souper.
1876 verpachtete Robby das Café an Familie Siercke. Sophie Siercke, bald danach verwitwet, erhielt Unterstützung durch einen jungen, bei den Gästen sehr beliebten Oberkellner namens Wilhelm Kröpcke.

Foto: Uni Osnabrück, Historische Bildpostkarten – Sammlung Prof. Dr. Sabine Giesbrecht – Der Poststempel der Ansichtskarte ist auf den 18. Juli 1900 datiert. Schon damals war das Café eine beliebte Anlaufstelle.

Ein Platz kommt zu seinem Namen

1885 wurde Kröpcke der neue Pächter und gab dem Café zehn Jahre später seinen Namen. Die Geschichte des Cafés ist auch ein Stück hannoverscher Geschichte, von der Kaiserzeit zum Ersten Weltkrieg, von der Weimarer Zeit bis zu den Nazis, der Zerstörung 1943 und dem Wiederaufbau am historischen Ort. 1948 wurde der Neubau nach einem Entwurf des Architekten Oesterlen eröffnet, unter dem Namen „Café am Kröpcke“. Wilhelm Kröpckes Nachkommen waren davon nicht angetan. Als die Stadt jedoch 1947 anregte, den gesamten Platz zu seinen Ehren „Kröpcke“ zu nennen, stimmten sie zu.
1970 kam erneut eine Zäsur. Der Oesterlen-Bau wurde abgerissen, am Kröpcke klaffte ein riesiges Loch – Hannovers U-Bahn wurde gebaut.
Als alles fertig war, kamen die Schweizer: Es entstand der Gebäudekomplex mit den Tonnendächern, den wir heute kennen. Am 18. November 1976 eröffnete das Mövenpick Café Kröpcke mit einem neuen Gastronomiekonzept, das Mövenpick aus der Schweiz an die Leine gebracht hatte.

Foto: Mövenpick am Kröpcke Archiv – Mathias Baller, Betriebsdirektor des Mövenpick Café Kröpcke, führt heute den Traditionsbetrieb fort.

Kaffekunst aus der Schweiz

Der erste Direktor des Hauses hieß Helmut Uhl. In seinem Team arbeitete ein junger Österreicher, Dietmar Althof, der sich noch gut an den Eröffnungstag erinnert: „Vor der Tür standen Tausende von Menschen, die das neue Café Kröpcke kennenlernen wollten. Der Andrang war so groß, dass uns irgendwann der Kuchen ausging. Aus dieser Not zauberte Herr Uhl mit wenigen Zutaten Himbeertorten mit Sahnefüllung. Die wurde später zu einem unserer Verkaufsschlager.“
1976 wurde Dietmar Althof Vize-Direktor, in den 1980er-Jahren Direktor. „Mr. Mövenpick“, der Gastgeber und Vertraute von Politikern, Künstlern, Sportlern, Promis aus aller Welt, kann herrliche Anekdoten erzählen. Zum Beispiel die vom Besuch des Tänzers Rudolf Nurejew nach einer Premierenfeier: „Ich habe mich bei ihm bedankt für seine wundervolle Arbeit. Er hörte sich das an und sagte: ‚And I like your icecream.‘“ Althof ist dankbar für all die Erlebnisse. „Und ich freue mich, dass ich als Beiratsmitglied noch die Zukunft mitgestalten kann. Denn unser aller Interesse muss sein, dass das Mövenpick am Kröpcke blüht, dass es ein schlagendes Herz mitten in der Landeshauptstadt ist und bleibt.“
1985 kam Mathias Baller ins Haus, der 2001 Direktor wurde. Im nächsten Jahr wird er in den Ruhestand gehen. Vorher aber gibt es noch einiges zu tun: Außengastronomie und Brasserie werden neu gestaltet. Im Frühjahr 2023 übergibt Baller an Sven Dey als Geschäftsführer und Küchenchef Oliver Hodemacher: „Sie sind Eigengewächse, und das spricht für die Kontinuität, die das Kröpcke immer ausgezeichnet hat. Diese Kontinuität ist eine wichtige Qualitätsaussage.“

Konditorei Kreipe: Ober im schwarzen Anzug

Es sind die Kindheitserinnerungen der Generation 50 plus: Eine meterlange Kuchentheke und würdige Ober. Ja, tatsächlich – keine Kellner. Schon gar keine Kellnerinnen. Nein, wenn die Erwachsenen ihre Wünsche äußerten, sprachen sie die Herren, die schwarze Anzüge trugen, mit „Herr Ober“ an. Ein Besuch im Café Kreipe hatte Stil. Der Gast war König und der Kuchen ein Traum. Das dreistöckige Mandelbiskuit mit Sahnefüllung. Oder die Petit Fours. Es gibt Gaumenfreuden, die vergisst man nie.
Kreipe lag in der Bahnhofstraße, direkt neben der Buchhandlung. Große Fenster, eins davon mit lauter Köstlichkeiten dekoriert, und dazwischen führte eine breite Treppe hinauf zum Eingang. Das war elegantes Ambiente im Stil der Fünfzigerjahre, als dieses Gebäude entstand. Die Kreipe-Geschichte aber begann viel früher, als Deutschland gerade Kaiserreich geworden war.

Foto: Kreipe

Die Anfänge der Konditorei Kreipe

„Konditorei seit 1873“ steht noch heute auf dem Kreipe-Logo. In diesem Jahr gründete Friedrich Kreipe seine Konditorei, die aus der Konditorei Oesterle,
dem Familienunternehmen seiner Braut, hervorging. Nach der Jahrhundertwende wurde das Konditorei-Café Kreipe erweitert und modernisiert, denn die Hannoveraner lernten die Kaffeehauskultur schätzen. Damals war Kreipe Hoflieferant der kaiserlichen Küche und vieler Fürstenhäuser.
Nach den Bomben im Oktober 1943 standen Hildegard und Friedrich Kreipe, die dritte Generation, vor den Trümmern ihres Hauses. Aber sie waren die Ersten, die in der Bahnhofstraße die Trümmer beseitigten und einen Neubau auf altem Fundament errichteten. 1949 war die Konditorei Kreipe wieder da, am alten Platz und in gewohnter Qualität. Am Empfang und hinter der Kasse begrüßten Hildegard und Friedrich Kreipe persönlich ihre Gäste. Man saß in einem großen holzgetäfelten Saal an kleinen Tischen, besonders gemütlich in den Nischen, und wurde von den würdigen Herren in schwarzen Anzügen bedient.

Aufbruch in moderne Zeiten

Seit damals hat sich einiges geändert. Der Ur-Ur-Enkel des Gründers Friedrich Kreipe heißt Jan Fleißig und ist heute der Chef des Hauses. Seine Berufswahl erfolgte bewusst. Er liebt sein Handwerk, sagt er. Nach einer Konditorlehre beim Nachbarn Mövenpick besuchte er die Hotelfachschule in Montreux und arbeitete anschließend in einem renommierten Haus in Köln, bevor er 1994 zurück nach Hannover ging, um gemeinsam mit seinen Eltern die Familienfirma zu leiten.
Um die Jahrtausendwende setzte Jan Fleißig bei Kreipe neue Akzente. Der Betrieb wurde umstrukturiert, um andere Vertriebswege zu erschließen. 1997 wurden die traditionellen Räume in der Bahnhofstraße geschlossen und anderweitig vermietet. Schon lange lag der geschäftliche Schwerpunkt der Konditorei nicht mehr in der Gaststätte, in der man sich nachmittags bei Kaffee und Kuchen traf, sondern im Außer-Haus-Verkauf und bei den Bestellungen von Privat- und Firmenkunden.
Heute lebt Kreipe eine moderne, trendige Kaffeehauskultur. Jan Fleißig hat auf den Coffeeshop nach amerikanischem Muster gesetzt, mit dem leckeren Kuchen von 1873 und zeitgemäßen Snacks. Und so trifft man sich heute für Treffen mit Freunden oder eine kleine Auszeit bei Kreipe hinter der Oper oder auf der Lister Meile. Die Klassiker von früher, die Bismarcktorte, die auf der Zunge zergeht, und den viel gerühmten Baumkuchen gibt es noch immer. Sie sind auch heute noch unwiderstehlich.

Foto: Lorena Kirste – Das Motto der Familie lautet: „Kreipe, das Haus der Tradition und des Fortschritts“. Noch heute wird nach über hundert Jahre alten Rezepten gebacken, angepasst an den Geschmack der Zeit.

Holländische Kakaostube: Niederlande in Hannover

Eine Zeitreise gefällig? Dann bitte eintreten in das älteste noch existierende Traditionscafé der Stadt. Hinter der Glastür grüßen die Fünfzigerjahre. Die Einrichtung im holländischen Stil mit der Wandtäfelung aus geflammter Birke, den flämischen Leuchten und den Delfter Kaminen wurde äußerlich nie verändert, nur behutsam erneuert. Die Stühle sehen aus wie früher, sind aber stabile Sitzmöbel der Jetztzeit. Die Holländische Kakao-Stube ist ein Stück hannoverscher Kulturgeschichte und das Lieblingscafé vieler Stammgäste. Im Jahr 2021 wurde hier das hundertjährige Jubiläum gefeiert.

Ursprünglich niederländisch

Die Familie Bartels ist seit 1648 in Hannover ansässig, die Unterlagen aus der Zeit davor hat der Dreißigjährige Krieg vernichtet. Schon immer war die Familie dem Backhandwerk zugetan – so auch der Konditor Friedrich Bartels.
Das Café übernahmen sie von einem Niederländer namens Van Houten: Der hatte das Van Houten‘s Cacao-Probe-Local“ schon 1895 eröffnet. Nach dem ersten Weltkrieg musste Van Houten sein Café in Hannover aufgeben. Und so machten sich Friedrich Bartels und seine Frau Emma 1921 mit der eigenen „Holländischen Kakao-Stube“ selbstständig.
In der Weimarer Zeit war dies die erste Adresse der Stadt, um Kaffee und Kuchen und vor allem die viel gerühmte heiße Schokolade zu genießen, noch heute begehrtes Wohlfühlgetränk bei Groß und Klein, nach dem Originalrezept von 1895. In der Kakao-Stube verkehrten die gute Gesellschaft und die Prominenz der Stadt. Auch Paul von Hindenburg war damals Stammgast. Friedrich Bartels II., der verstorbene Vater des heutigen Chefs Friedrich III., erzählte einmal in einem Interview, er habe als Kind beim alten Hindenburg auf dem Schoß gesessen.

Foto: Lorena Kirste – Friedrich Bartles III. führt das Café in der dritten Generation.

Von der Nachkriegszeit bis heute

1943 wurde die Holländische Kakao-Stube völlig zerstört. Zuerst wurde in Ausweichquartieren weitergearbeitet. 1953 hat Friedrich II. sie im alten Stil wieder aufgebaut. Mithilfe von Van Houten in Holland wurde die Inneneinrichtung beschafft.
Seinen Sohn Friedrich Bartels III., den Chef von heute, trifft man beim Kaffeehausbesuch meist persönlich an, auf seinem Stammplatz gegenüber vom Kuchenbuffet. Mitte der Neunzigerjahre hat er das Geschäft übernommen. Der Konditormeister hat zusätzlich eine Ausbildung zum Betriebswirt absolviert, war viel im Ausland und hat sich bewusst für die Selbstständigkeit im eigenen Betrieb entschieden. Unter seiner Leitung blieb zwar nach außen hin alles beim Alten, was die Stammgäste des traditionsreichen Hauses freut. Aber hinter den Kulissen hat Friedrich Bartels den Betrieb modernisiert.

Naschwerk aus alten Zeiten

Geblieben sind die Kuchenrezepte von Großvater Bartels, angepasst an den Geschmack von heute. Zu den Spezialitäten der Kakao-Stube gehören der hauseigene Baumkuchen und ein Gebäck, dass es heute kaum noch gibt.
Die Kakao-Stube hat sie, diese köstlichen Schokokugeln, die heute nur noch selten angeboten werden. Dieses Gebäck, das in früheren Zeiten einen anderen Namen hatte, wird sehr aufwendig gebacken: Runde Biskuitballen werden mit Vanillepudding gefüllt und mit Schokolade glasiert.
Senior Friedrich Bartels II. erzählte zu seinen Lebzeiten gern Anekdoten, so auch über seine Erziehungsmethode, den Kindern die Lust auf Süßes zu erhalten. „Der Nachwuchs erhielt im Sommer einem Eisausweis, einen richtigen kleinen Ausweis mit Lichtbild, der jeden Abend kontrolliert wurde. Dem Alter entsprechend wurden die Eiskugeln rationiert und bei Verzehr im Ausweis abgestempelt.“
So vermittelt man also seinem Nachfolger Tugenden wie gute Planung und unternehmerisches Denken. Sicherlich auch ein Grund, warum die Kakao-Stube so erfolgreich im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Foto: HAZ-Hausschild-Archiv Historisches Museum Hannover – Zentrale Außenwerbung – hier an einem Gebäude in der Bahnhofstraße. Links ist das heute denkmalgeschützte Kaufhaus Magis zu sehen.

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