Seit Juni ist der Vorplatz der Andreaskirche in Hildesheim um einen gastronomischen
Höhepunkt reicher. Inhaber Knut Bettels hat sich Burak Solak aus „Jim & Jimmys“ und Serkan Bayar aus Tim Mälzers „Überland“ geschnappt und mit ihnen mit dem „drei11“ das erste
Casual-Fine-Dining-Restaurant der Stadt eröffnet – eine Adresse, wo es sich richtig fein
speisen lässt, ohne gleich in Anzug oder Abendkleid aufschlagen zu müssen.
Text: Luisa Verfürth Fotos: Shino Photography
Das Mineralwasser im „drei11“ perlt in eleganten Glaskaraffen vor sich hin, daneben steht ein silbernes Gefäß, außen beschlagen, innen gefüllt mit Eiswürfeln, Minze, Rosmarin und ein paar schwungvoll geschnittenen Orangenzesten, auf die mit einem Stempel das Logo des Restaurants eingebrannt wurde.
„Am Anfang haben die Gäste immer erstaunt geschaut, vor allem die Männer. Aber am Ende hatten alle meist ein bisschen Minze im Glas oder eben auch Orangenzeste“, so Restaurantleiter Serkan Bayar schmunzelnd.
Drei11: Es ist der Anfang der Postleitzahl von Hildesheim, und es wäre eigentlich 2020 auch das Eröffnungsdatum des neuen Casual-Fine-Dining-Restaurants gewesen. Dann kam einen Tag später der zweite Lockdown. Ein halbes Jahr lang musste das junge Team um Küchenchef Burak Solak, Restaurantleiter Serkan Bayar und stellvertretenden Restaurantleiter sowie Sommelier Fabian- Daniel Giesen die Füße stillhalten. Vielleicht ist es ihnen aber auch deshalb gelungen, am 8. Juni 2021 umso intensiver durchzustarten mit ihrem Konzept. Dabei steht drei11 vor allem für Regionalität und vegetarische Küche. Egal ob Gemüse aus Algermissen oder Kuhmilch, Eier, Hühnerfleisch und Blumen aus Hildesheim – die jungen Tausendsassas versuchen, ihren Grundnahrungsmitteln und der Dekoration keine langen Wege zuzumuten.
Die Karte zeigt saisonal wechselnd sieben Gerichte, aus denen Besucher und Besucherinnen sich ihre Mahlzeit zusammenstellen können: zum Beispiel als Vier-Gang-Menü mit Namen „Gourmet Safari“, bestehend aus Suppe, Vorspeisenvariation, Hauptgang und Dessert. Für einen etwas kleineren Hunger gibt es ein Drei-Gang-Menü oder einen Mittagstisch. Wer es rund mag, nimmt direkt noch die Weinreise dazu und ist perfekt versorgt. „Die Basis aller unserer Gerichte ist vegetarisch“, sagt Chef de Cuisine Solak, der vorher schon in Gastronomien wie dem „Zauberlehrling“, „Jim & Jimmys“, aber auch im „Carrots & Coffee“ kochte. „Wer auf Fleisch oder Fisch nicht verzichten möchte, kann dies als Zusatz für das Hauptgericht wählen.“
Schaut man sich Solaks vielfältige Begabung auf dem Gebiet der veganen Küche an, fällt es einem nicht schwer, die fleischlose Variante zu wählen. „Gut vegan zu kochen ist vielleicht die Königsdisziplin. Aber irgendwann realisiert man, dass man nichts verliert, nur weil man kein Fleisch isst, sondern, dass man ganz viel gewinnt, weil man viel verrückter kochen kann“, sagt Solak.
Gehobene Küche ohne viel Tamtam
Das Konzept des „Casual Fine Dining“ war auf der Landkarte der Stadt vorher noch mit keiner Stecknadel markiert. Der Begriff bedeutet auf Deutsch so viel wie „lässiges feines Essen“. Wie beim klassischen „Fine Dining“ wartet auch hierbei eine gehobene Küche – das Tamtam mit viel Tischdeko, einem besonders eleganten Interieur und Servicepersonal in Weste und Fliege entfällt hier jedoch. Stattdessen empfangen Casual-Fine-Dining-Restaurants ihre Gäste in einem zwanglosen, aber dennoch stilvollen Ambiente. Der Hildesheimer Gesellschaft scheint das Konzept zu gefallen: „Wir haben einen sehr guten Zuspruch seit der Eröffnung und bauen unser Konzept für unsere Gäste jetzt auch noch weiter aus. Ab dem 3. November, unserem eigentlichen Geburtstag, starten wir mit einer „After-Work“- Reihe, die wir mittwochs Abends in unserem Restaurant etablieren wollen. Das heisst, das es mittwochs dann immer von 17 bis 22 Uhr Musik mit einem DJ geben wird und so der Übergang vom Feierabend in den Abend eingeleitet wird.“ Und ab dem 1. November hat das Restaurant auch Samstag zwischen 11:30 Uhr und 14:00 Uhr geöffnet.
Regional, saisonal und gemüselastig
Wenn man sich die federführenden Akteure des Lokals anschaut, meint man, dass sie sich schon ein Leben lang kennen. So eingespielt sind sie. Das erste Mal begegneten sie sich allerdings im Büro ihres Chefs, des Inhabers Knut Bettels. „Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass wir durch die langjährige Arbeit in der Gastronomie die ähnlichen Leute kennen“, so Bayar. Wie auch bei Solak ist sein Lebenslauf gefüllt mit aussagekräftigen Stationen: Ausbildung im Sternerestaurant „Kupferschmiede“ in Hildesheim, Eröffnung des Restaurants „Überland“ von Tim Mälzer in Braunschweig, Restaurantleitung des Steakrestaurants „LewensLust“ in Hildesheim, eineinhalb Jahre in den Restaurants „Terra“ und „Aqua“ im Ritz Carlton in Wolfsburg. Zusammen mit Fabian-Daniel Giesen, dem Weinenthusiasten und Sommelier des Trio Infernale, ergeben sie eine fulminante Symbiose.
„Ich werde es nie vergessen, wie Burak und ich die Karte besprochen haben und ich ihn gefragt habe: „Warum vegetarisch als Grundkonzept?“ Und er mir antwortete: „Weil Gemüse unterschätzt wird.“ Und damit scheinen sie Recht zu haben. Während Vegetarier früher mit Salzkartoffeln und zerkochtem Brokkoli abgespeist wurden, wird Gemüse im drei11 zum Hauptdarsteller. „Weil es zeitgemäß ist und eine weniger fleischlastige Ernährung längst in den Köpfen der verantwortungsvollen Bevölkerung angekommen ist“, so Solak. Ein einfaches Beispiel gefällig? Eine Tomate ist hier nicht nur eine Tomate: Als regionale Tomate, geeist und mit den richtigen Komponenten wird sie zu einer Geschmacksexplosion, die ein Steak langweilig in der Ecke stehen lässt.
Was am Ende nicht bedeuten soll, dass genau das hier verpönt ist. Überhaupt nicht. „Wenn ich Fleisch esse, esse ich es hier.“ so Solak. „Weil ich weiß, wo es herkommt.“ Im drei11 hat man erkannt: Essen bedeutet heutzutage einfach so viel mehr, als nur ein Bedürfnis zu befriedigen. Es bedeutet, unterhalten zu werden, etwas mitzunehmen, sich begeistern zu lassen und seinen Horizont zu erweitern.
„Als ich im Carrots & Coffee gekocht habe, habe ich mich viel mit der Fünf-Elemente-Lehre beschäftigt, aber auch mit dem Prinzip und der Zusammensetzung von Umami“, sagt Solak. „Jedes Lebensmittel kann etwas. Minze kühlt unseren Körper von innen, Rucola hingegen sollte man weniger im Sommer essen, weil es unseren Körper erhitzt. Essen und trinken ist so spannend und beeinflusst unseren Körper und unser Befinden so ungemein, dass es Spass macht, sich damit tiefer auseinanderzusetzen.“
Ich nehme mir ein weiteres Minzblatt in mein Wasser und denke darüber nach. Es ergibt Sinn, dass es kühlt. Habe ich noch nie drüber nachgedacht. Selbst das Wasser ist im drei11 ein Genuss, ist es doch Oberflächenwasser aus der Sösetalsperre aus dem Harz. Gefiltert und aufbereitet, mit oder ohne Kohlensäure.
Wer jetzt denkt, dass es im drei11 nur ausgefallene Kreationen gibt, liegt falsch. Stattdessen holt einen das inspirierende Team dort ab, wo man steht und nimmt einen mit auf eine Gourmet-Safari – und das in der eigenen Region.
Weitere Infos unter www.dreielf.com