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Die Verwandlung zur Märchenmühle

22. Oktober 2024

Zimmermeister Sven Kröger hat die Teichmühle in Koldingen wiederbelebt. Zehn Jahre dauerte die Sanierung – heute ist das historische Gebäude ein wahres Kleinod.

Mit schwarzer Tinte ist das Gebäude abgebildet. „Die Teichmühle um 1500“ lautet die Unterzeile, die man auf Sven Krögers Internetseite betrachten kann. Ein halbes Jahrtausend später kann man um das Gebäude herumspazieren und sogar hineingehen und sich in der Baukunst des Mittelalters bewegen. Die 90 Zentimeter dicken Wände aus gebrochenen Sandsteinblöcken, die schartenartigen Fenster, deren Format viel kleiner als bei neugebauten Eigenheimen ist – das alles vermittelt eine märchenhaft eigenwillige Atmosphäre und steht im Pattenser Ortsteil Koldingen.

Den echten Mühlteich gibt es zwar nicht mehr, aber auf dem 21.500 Quadratmeter großen Grundstück kann man
noch verwunschen-zugewucherte Ecken finden, wie der Bauherr von seinen ebenso intensiven wie zehnjährigen
Sanierungserfahrungen berichtet. Zimmermeister Sven Kröger weiß, dass man bei historischen Gebäuden mit
Fachwerkanteil immer auf die Schwelle, also den untersten Balken, achten muss. „Dieses grundlegende Holzteil
ist immer durchgemodert“, ist seine Erfahrung.

Das Innenleben der Mühle während der Sanierung.

Von Grund auf Neu

Er kennt auch die Konsequenzen: „Man baut das Gebäude einmal komplett ab und dann wieder auf.“ Das war auch
sein Vorgehen bei Pattensens historischer Teichmühle. Beinahe jedenfalls. Denn die Sandsteinmauer hat er nicht
abgetragen, sondern nur neu verfugt. Der Grund: „Die hätte ich nie wieder so zusammengekriegt, wie es den
Steinmetzen seinerzeit gelang“, sagt der Handwerksmeister.

Kröger hat ein außergewöhnliches Kleinod geschaffen. Mit Feingefühl und großem Gestaltungswillen zeigt er,
wie man den Charakter eines historischen Gebäudes erhalten und zugleich eine moderne Wohnsituation
schaffen kann. Sandstein, Holz und Kalkputz bilden eine Einheit, die nur bei der selbst gezimmerten Küchenzeile
noch um eine Edelstahloberfläche ergänzt wurde.

Die Raumaufteilung ist großzügig, nur das Bad wurde abgetrennt. Die Möbel und Kunstwerke stammen zum Teil
von seinen Vorfahren oder von den Ahnen seiner Frau Cornelia. Doch 90 Prozent aller Möbel wurden nach den
individuellen Wünschen und Bedürfnissen des Paares von Kröger selbst gefertigt. Die komfortable Deckenhöhe –
sie misst rund 3,20 Meter – steigert den großzügigen Eindruck des Innenraums. Im südlichen Bereich ist die Decke
sogar offen bis unter das Dach und nur durch Holzbalken strukturiert.

Das Gebäude ist eine beeindruckende Konstruktion.

Beeindruckende Wärmedämmung

Das führt zur Frage der Raumtemperatur. Ein – im wahrsten Sinne des Wortes – steinaltes Gebäude mit einem
Fachwerkanbau, damit der Müller und sein Vieh irgendwo leben können – wie lässt sich das Gebäude heizen oder
kühlen? Kröger lächelt und teilt eine unerwartete Erfahrung mit anderen Nutzern denkmalgeschützter Gebäude.
Das Temperaturmanagement der Vorfahren war nämlich ausgefuchster, als man heute vermuten würde.

Während im Garten aktuell 30 Grad herrschen, ist es im Inneren des Teichmühlengebäudes angenehm kühl.
Kröger ist einem Geheimnis der beeindruckenden Wärmedämmung während seiner aufwendigen Sanierungsarbeiten
auf die Spur gekommen. Die Sandsteinmauer ist nämlich gar nicht so massiv, wie sie aussieht. Sie besteht aus einer
Innen- und einer Außenwand, während die Lücke dazwischen mit dämmendem Stroh und Lehm verfüllt wurde.
Das Ergebnis beeindruckt. „Das Gebäude hält die Temperatur wirklich lange, ob Kühle im Sommer oder Wärme
im Herbst, nachdem ich einmal ordentlich durchgeheizt habe“, berichtet er. Außerdem sieht die Sandsteinmauer
sehr gut aus, weil man seinerzeit immer die schönere Steinseite in Richtung des Betrachtenden rückte.

Rund 17.000 Arbeitsstunden hat der Zimmermeister in seine Leidenschaft gesteckt, dazu gehörten auch umfangreiche Absprachen mit der Denkmalpflege der Region Hannover. So blieb die ursprüngliche Dachform der
historischen Teichmühle erhalten, aber der Bauherr durfte die Wohnqualität durch den Einbau von Dachgauben
erhöhen.

Das Gebäude wurde fast vollständig abgebaut und dann wieder errichtet.

Ein halbes Jahrtausend Erfahrungen

Auch wenn der Grundriss des Mühlengebäudes samt Fachwerkanbau von 1585 gar nicht aus Krögers Feder
stammt, lässt sich seine Handschrift trotzdem in unzähligen Details erkennen. Was in Krögers eigene Vergangenheit führt. Denn Opa Hans war ein bekannter Bildhauer, dessen Werke bis heute in der ganzen Republik zu finden
sind und im kleinen Format die Wände der Teichmühle zieren. Ein Rondell in den Herrenhäuser Gärten stammt
vom Künstler, in Lüneburg steht eine Bronzestatue in Pferdeform. Und damit Geld in die Familienkasse kam,
formte Hans Kröger auch ganz profane Reifenprofile für die Fulda-Reifenwerke. Auch die Begabung von Krögers
Vater, dem Bauingenieur Heinz-Peter Kröger, zieht sich durch die Räumlichkeiten und spiegelt sich im stilsicheren
Händchen für Raum und Form wider.

Würde er nach all seinen Erfahrungen noch einmal ein historisches Gebäude sanieren? Krögers Antwort kommt umgehend: Er selbst möchte mit seinen 60 Jahren nicht mehr persönlich Hand anlegen. Aber seine Erfahrungen teilt er sehr gerne als Berater oder Projektleiter. „Haben Sie während der Sanierung eigentlich einen Schatz gefunden“, wird Kröger manchmal gefragt. Dann antwortet er scherzhaft: „Ja, ich habe Teile des Bernsteinzimmers ausgegraben.“

Tatsächlich verfügt der Zimmermeister über einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit einem halben Jahrtausend Baugeschichte und den unterschiedlichen Formen der Epochen, weshalb er häufig um den detailreichen Nachbau historischer Balkone gebeten wird. Zu Krögers Naturell zählt aber nicht allein der gedankliche
und planerische Höhenflug, sondern auch der reale, wenn er mit seinem Ultraleichtflieger auf einer Pattenser Wiese Richtung Himmel startet und sich die Teichmühle aus der Vogelperspektive anschaut.

Zimmermeister Sven Kröger hat einen großen Erfahrungsschatz.

Text: Patricia Chadde
Fotos: Patricia Chadde, Torsten Lippelt

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