Zum Inhalt springen

Lebensgefühl zum Aufladen

09. August 2022

LiveWire ist das erste E-Modell aus der Motorrad-Kultschmiede Harley-Davidson. Ein Fahrbericht:
Text: Patricia Chadde  Fotos: Nadja Mahjoub
Ob Kundschaft kommt, kann Matthias Meier hören. Gerade wird der unverwechselbare Sound eines Harley-Motors lauter. 75 bis 150 PS haben die Maschinen der verschiedenen Baureihen. In erster Linie geht es bei der Kultmarke aber gar nicht um Geschwindigkeit: „Wir verkaufen einen Lebensstil – das Motorrad gibt es gratis dazu“, zitiert Meier den Pressechef des US-Unternehmens.
Seit 1990 gibt es Harley-Davidson Hannover in der Grambartstraße als offiziellen Ansprechpartner für amerikanische Motorräder. Seit 17 Jahren zählt Gerard Meindertsma aus Kirchdorf zu den Kunden. Nach knapp 100 Kilometern hat er sein Fahrtziel gerade erreicht, parkt seine Adventure Touring Pan America und strebt Richtung Lounge für ein erstes Heißgetränk.

Austausch (v.l.) : Matthias Meier und Gerard Meindertsma

Der 63-jährige Meindertsma ist seit Jugendzeiten Motorradfahrer. Als die Kinder kamen, setzte er zwei Jahrzehnte aus. Inzwischen ist der Nachwuchs erwachsen und fährt, wie Ehefrau und Mutter Hannelore (59), ebenfalls Harley-Davidson.
„Die Zeit des Rasens ist vorbei“, blickt der Kirchdorfer zurück. Aber als Gründer und Chef der Firma Westwind schaut er lieber in die Zukunft. Außerdem hat er beruflich genug um die Ohren. Da möchte er in seiner Freizeit entspannt cruisen und die vorbeiziehende Landschaft auf sich wirken lassen. Die nächste Urlaubstour hat das Paar schon geplant. „Ende Juli besuchen wir Freunde in Garmisch-Partenkirchen. Pro Strecke sind wir zwei Tage unterwegs“, berichtet er.
Demnächst könnte der Kirchorfer Unternehmer sogar lautlos durch die Landschaft gleiten. Mit der LiveWire hat Harley-Davidson das erste Modell seiner Elektro-Reihe auf den Markt gebracht. Bei dem sportlich designten 150-PS-Motorrad sind die Fußrasten nach hinten gerichtet. Die linke Hand ist nur noch zum Festhalten da. Würde jemand mit seiner LiveWire bei Matthias Meier vorfahren, könnte der Händler die Kundschaft nicht mehr am Klang erkennen. Es sei denn, sie würden den Show-Modus nutzen, der abhängig von der Geschwindigkeit die passenden Geräusche eines Verbrenners über Lautsprecher abspielt.
Gerard Meindertsma, als Unternehmer mit erneuerbaren Energien erfolgreich, ist absoluter Elektro-Fan. Seit 1998 projektiert, baut und betreut sein niedersächsisches Unternehmen Westwind Windkraftanlagen. „Damals lag die Leistung einer Windmühle bei 550kw, heute bauen wir Windräder, deren Leistung 11,5 Mal höher liegt“, sagt der Unternehmer.
Heute möchte er das E-Modell von Harley-Davidson testen. Während der Kirchdorfer alles gründlich inspiziert, ist Händler Meier bereits überzeugt: „100 LiveWires habe ich sofort gekauft. Die ersten 40 sind schon auf der Straße“, berichtet er.
Inspektion: Die neue E-Harley von Harley-Davidson

Dass das Geschäft brummt, kann man bei elektrisch betrieben Motorrädern ja nicht sagen. Deshalb berichtet der Händler von einem Kunden, der mit seiner E-Harley-Davidson im ersten Jahr 30.000 Kilometer fuhr und in diesem Jahr bereits 15.000 Kilometer auf dem Bock saß.
„Oha“ sagt Meindertsma und begutachtet die Position des schweren Elektromotors. Die Lage sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt und damit für eine besondere Schräglagenfreiheit. „Die kippelt nicht“, bestätigt Meier. Kühlerrippen schützen die Batterie vor Überhitzung. Meindertsma rollt die Maschine ein Stück zurück. Eine Sirene, welche die Verbrenner von Harley-Davidson traditionell vor Diebstahl schützt, hat die LiveWire nicht mehr.
Auch ohne Ton wird das Motorrad wahrgenommen, kann Meier berichten. Am hannoverschen Leibnizufer kam er neulich neben einem Golf R zum Stehen. Dessen Fahrer war neugierig: „Auf deinem Motorrad steht Harley, stimmt das?“ Meier berichtete vom elektrischen Antrieb, der Golf-Fahrer schaute ungläubig. Der Harley-Händler setzte noch einen drauf: „Wenn du mit deinem Golf in den zweiten Gang schaltest, bin ich schon am Aegi“.
Die LiveWire beschleunigt innerhalb von drei Sekunden von 0 auf 100 km/h unabhängig von der Verkehrsordnung. Wie sich das E-Motorrad während der Fahrt anfühlt, probiert der Kirchdorfer als nächstes. Die Geschwindigkeit lässt sich fein regulieren: „Das haben die wirklich gut hinbekommen“, würdigt Meindertsma die ausgefeilte Technik. Ein paar Gimmicks gibt es außerdem. Unter dem verchromten Deckel, der wie ein klassischer Tankverschluss aussieht, verbergen sich die Lade-Anschlüsse. Auch der Sitz lässt sich hochklappen – darunter wird eine spezielle Box sichtbar. Hier lässt sich das Smartphone platzieren und während der Fahrt sogar aufladen.
Händler Meier machte bisher nur gute Erfahrungen als E-Biker. Manche Begegnung verlief ungewohnt. „Wenn ich mit der Maschine auf das Café Extrablatt zufahre, meckert keiner. Alle freuen sich und sind interessiert“, berichtet der Händler von der sozialen Akzeptanz der E-Antriebe. Als Sponsor des jungen American Football Teams Hannover Grizzlys wagt er den Blick in die Zukunft. „Für uns ist der Umstieg auf Elektromobilität noch ein Schritt, über den wir nachdenken. Unsere Kinder wachsen da ganz automatisch rein “. Meindertsma stimmt zu.
Der Kaufvertrag für die E-Harley ist noch nicht unterzeichnet. Aber: „Das Fahrgefühl ist großartig“. Fazit: Da lässt sich jede Menge Lebensgefühl laden.

ÄHNLICHE ARTIKEL