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Die unbekannte Seite des Herrn Laves

03. Februar 2023

G. L. F. Laves: Das war doch der berühmte Stadtplaner?
Schon, aber nicht nur: Eine Ausstellung im Museum August Kestner zeichnet seine Tätigkeit als Innenraumgestalter nach.

Text: Jörg Worat, Fotos: Museum August Kestner

Laves als Innenraumgestalter

Der Umbau des Leineschlosses und der Waterlooplatz samt Säule, das Welfenmausoleum im Berggarten und das heute als Opernhaus bekannte Hoftheater, die Augustenbrücke und die „Villa Rosa“ – man könnte noch lange die Spuren aufzählen, die Georg Ludwig Friedrich Laves (1788 bis 1864) im hiesigen Stadtbild hinterlassen hat. Doch das Museum August Kestner verlässt den Außenraum und zeigt eine weit weniger bekannte Facette des einst führenden Architekten im Königreich Hannover: Eine umfangreiche Ausstellung stellt Laves als Innenraumgestalter in den Mittelpunkt.

„Er hat sowohl für private als auch für repräsentative Räumlichkeiten Entwürfe vom Parkettmuster über die Deckengestaltung bis hin zu Möbeln geschaffen“, erläutert Museumskuratorin Dr. Sally Schöne, die zusammen mit dem Detmolder Experten Dr. Thomas M. Dann eine äußerst facettenreiche Schau zusammengestellt hat. „Viele Exponate“, betont sie, „sind erst im Zuge der Forschung aufgetaucht und werden hier erstmals präsentiert.“

Ein kompletter, nachweislich von Laves konzipierter Raum hat sich zwar nicht bis heute erhalten, aber Zeichnungen und Fotografien bieten eine Menge Hinweise. So zeigt eine in Aquarell und Gouache ausgeführte Darstellung das Arbeitszimmer des Oberhofmarschalls Georg Graf von Wangenheim – die gesamte Raumausstattung einschließlich aller Details hat Laves besorgt. Die Malerei stammt wahrscheinlich ebenso von Johann Heinrich Wilhelm Kretschmer wie die Abbildung vom „Dunkelblauen Zimmer“ der Königin Friederike im Palais an der Leinstraße, wobei hier zwar das Raumkonzept dem Hofarchitekten zugeschrieben werden kann, das Mobiliar aber nur teilweise.

Mannigfache Einflüsse

Stichwort Mobiliar: Es fällt schwer, bei der Beschreibung der hier leibhaftig präsentierten Laves-Stücke eine Auswahl zu treffen. Zu sehen ist etwa ein in Buche geschnitzter und vergoldeter Sessel, der einst zusammen mit 26 weiteren seiner Art im Coursaal des Leineschlosses stand – eine zeitgenössische Fotografie weist aus, dass die Sitzmöbel damals keineswegs um Tische gruppiert, sondern an den Wänden aufgereiht waren. Ein Hingucker ist auch ein mächtiger Pfeilerspiegel, entworfen für das Palais von Wangenheim. Etwas exotisch macht sich ein innen mit Zinn ausgeschlagenes Möbelstück zum Wein kühlen aus, das, wie ein Brandstempel eindeutig belegt, vormals im Schloss Herrenhausen stand.

Besonders interessant wirkt gegen Ende des Rundgangs der Vergleich zweier Kastensofas, bei denen Laves Entwürfe von Pierre de La Mésangère zur Vorlage genommen hat: Das üppigere Exemplar mit seinen goldfarbenen Beschlägen war für ein höfisches Umfeld gedacht, die deutlich schlichtere Ausführung stand in Laves‘ eigenem Wohnhaus, der heutigen Architektenkammer am Friedrichswall.

Die Orientierung des Innenraumgestalters

Gibt es so etwas wie einen Laves-Stil? „Er war vor allem dem Klassizismus verhaftet“, sagt Sally Schöne, weist aber auch auf die Reisen nach Frankreich, Italien oder England hin – es gab also durchaus mannigfache Einflüsse für den Mann, der 1814 in Hannover als Hofarchitekt begann und über mehrere Etappen bis 1852 schließlich zum Oberbaudirektor aufstieg. Übrigens eine Entwicklung, die Laves laut der Kuratorin keineswegs in die Wiege gelegt wurde: „Sein Vater hatte als Pfarrer einen ganz anderen Hintergrund. Entscheidend für diese Karriere wurde das Studium beim Onkel Heinrich Christoph Jussow, der Architektur an der Kunstakademie Kassel lehrte.“

Wer sich für die Details der Familienverhältnisse des späteren Innenraumgestalters interessiert, wird in der Ausstellung per Stammbaum gut aufgeklärt: Durch die Heirat mit Wilhelmine Kestner bekam Laves unmittelbaren Zugang zu den sogenannten „hübschen Familien“ der Stadt. Wilhelmine war die Enkelin von Johann Christian Kestner und „Goethes Lotte“ Charlotte Buff, ihrerseits Eltern von August Kestner, dem Namenspatron des Museums.

Von Grabmälern und Dachbodenfunden

Da wir schon bei Charlotte sind: Laves hat ihr Grabmal auf dem Gartenfriedhof und nicht nur dieses entworfen; auch dieser eher unbekannte Aspekt seines Schaffens wird in der Ausstellung thematisiert. Er selbst liegt auf dem Friedhof Engesohde begraben, wobei er den Entwurf dieses Grabmals, der von seinem Sohn George umgesetzt wurde, noch mit eigener Hand ausgeführt hat.

Das Museum August Kestner legt stets großen Wert auf Anschaulichkeit. So kann der Besucher hier Reproduktionen von Musterbüchern durchblättern, die Laves inspiriert haben – solche Zusammenstellungen waren damals copyrightfrei zugänglich. Auch gibt es das Angebot, Materialien, die einst beim Aufpolstern von Stühlen verwendet wurden, im wahrsten Sinne des Wortes zu „begreifen“ und festzustellen, wie sich etwa Rosshaar, Flachswerg oder Palmfaser anfühlen. Und die beiden Bücherschränke, die Laves in den 1830er-Jahren entworfen hat, sahen zuletzt keineswegs so eindrucksvoll aus, wie sie sich jetzt im Museum präsentieren: „Die sind auf einem Dachboden wieder aufgetaucht“, berichtet Sally Schöne, „und waren vollkommen ramponiert.“ Ein Film zeigt, wie sie in der Isernhagener Restaurierungswerkstatt von Barbara Helmrich auf Vordermann gebracht wurden.

Der Dachbodenfund macht zudem deutlich, dass trotz der Detektivarbeit vor allem von Co-Kurator Thomas M. Dann das letzte Wort in Sachen „Laves als Möbel- und Innenraumgestalter“ nicht gesprochen ist: „Wer weiß“, sagt Sally Schöne hoffnungsvoll, „was noch alles aufgespürt werden kann.“ Und womöglich irgendwann Stoff für die nächste Ausstellung zu diesem Thema liefert.

Mehr zu Laves als Innenraumgestalter

Museum August Kestner: „G. L. F. Laves – ein Hofarchitekt entwirft Möbel“, zu sehen bis 26. März 2023. Mehr Informationen unter: www.hannover.de/Museum-August-Kestner

Zur Ausstellung ist eine umfangreiche Monografie von Thomas M. Dann erschienen: „Georg Ludwig Friedrich Laves. Raumkunst und Mobiliar“ (304 Seiten, 49 Euro).

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