Keine Paraden, keine Events, kaum Besucher – auch das Niedersächsische Landgestüt Celle, das Zuhause der berühmten Hengste, spürt die Auswirkungen der Pandemie. nobilis hat Landstallmeister Dr. Axel Brockmann gefragt, wie sich die Corona-Zeit auf die Aktivitäten des Celler Landgestüts auswirkt und ob in diesem Jahr wieder öffentliche Veranstaltungen geplant werden.
Text: Beate Rossbach Fotos: Lovely Moments/Laura Herale
Herr Dr. Brockmann, auf der idyllischen Gestütsanlage mit den historischen Gebäuden, der Reithalle und den Stallungen wirkt alles so ruhig. Es ist kaum ein Pferd und keine Menschenseele zu sehen. Befindet sich hier alles im Lockdown?
Dr. Brockmann: Nein, das liegt daran, dass Sie genau in der Mittagspause gekommen sind. Besuchen Sie uns morgens, dann sieht es hier anders aus. Wir beginnen um 6 Uhr mit der täglichen Arbeit. Dann werden die Pferde versorgt, geritten, trainiert und ins Freie gebracht. Außerdem haben wir hier noch bis August Gäste der Polizeireiterstaffel Hannover. 32 Polizeipferde und zwei Polizeikatzen bewohnen den kompletten Spörckenstall. Die Polizisten beginnen morgens ihre Arbeit, fahren zu ihren Einsätzen und sind durch den Schichtdienst den ganzen Tag auf dem Gestüt.
Wie viele Gestütspferde bzw. Hengste leben hier denn aktuell?
Dr. Brockmann: Im Landgestüt haben wir zurzeit einen Bestand von insgesamt 128 Pferden. Das sind über 70 gekörte Deckhengste sowie junge Hengste aus der eigenen Aufzucht in unserem Gestüt Hunnesrück. Sie sind bereits angeritten, und wir werden in den nächsten Monaten schauen, zu welchen Prüfungen sie im Herbst angemeldet werden können. Außerdem halten wir einige gut ausgebildete ältere Hengste als Lehrmeister für unsere Auszubildenden und einige prominente Hengst-Senioren wie Londontime und Don Frederico. Sie sind nicht mehr im Einsatz, verbringen aber hier im Gestüt ihren Lebensabend.
Seit der Gründung im Jahr 1735 durch König Georg II. ist das Celler Landgestüt die Wiege der Hannoveraner Pferdezucht. Die ausgewählten und geprüften, also „gekörten“ Zuchthengste geben ihre guten Gene weiter. Vom Frühjahr bis in den Sommer sind die Hengste dann auf sogenannten Deckstationen im Einsatz. Erklären Sie bitte kurz für unsere Leser und Leserinnen, die nicht alle in der Pferdewelt zu Hause sind, wie das heute abläuft.
Dr. Brockmann: Im Zuge der Globalisierung gibt es heute im Vergleich zu früher einige Änderungen und überregionale Vernetzungen. Schon anfangs, im Königreich Hannover und der späteren preußischen Provinz Hannover, deckten die Hengste im Natursprung und waren auf weit über hundert Deckstationen im ganzen Land verteilt. Heute arbeiten wir vorwiegend mit künstlicher Besamung, sowohl mit Frisch- als auch mit Tiefkühlsperma. Wir haben eigene Besamungsstationen hier in Celle und in unserer Hengstprüfungsanstalt in Adelheidsdorf. Andere Besamungsstationen befinden sich in Verden und Ankum. In Celle, Adelheidsdorf und auf den Stationen wohnen die Hengste in geräumigen Boxen. Sie werden neben ihrem Deckeinsatz geritten, trainiert und möglichst auch im Turniersport gezeigt. Im Juli, nach der Decksaison, kommen sie wieder zurück.
Dann würde das Gestütsteam normalerweise mit den Vorbereitungen für die beliebten Hengstparaden beginnen. Auf die und andere schöne Events müssen wir seit letztem Jahr wegen der Pandemie leider verzichten. Dabei hatte sich das Landgestüt doch vor einigen Jahren gerade in dieser Richtung neu orientiert?
Dr. Brockmann: Richtig. Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte haben wir uns immer mehr für Publikum geöffnet. Wir leben hier traditionell in einem Pferdeland, das der Reitpferdezucht und dem Reitsport eng verbunden ist. Daher ist es wichtig, dass der Bekanntheitsgrad des Landgestüts Celle auch in die Breite geht. Wir müssen erklären, wer wir sind, was wir hier machen und was genau diese Institution ist. Das ist uns mit unseren Führungen und Veranstaltungen wie dem Sommervergnügen bei den Hengstparaden, mit dem Weihnachtsmarkt und als Gastgeber von interessanten Veranstaltungen wie einem historischen Fahrturnier sehr gut gelungen. Damit gewinnen wir neue Fans und Freunde, und die Besucherzahlen sprechen für sich.
Und auch die große allgemeine Enttäuschung über die aktuellen Ausfälle. Aber wir würden uns hier nicht treffen, wenn Sie nicht über Alternativen nachgedacht hätten?
Dr. Brockmann: Den Weihnachtsmarkt müssen wir in diesem Jahr leider noch absagen, die Planungen wären zu vage. Aber es wird wieder ein Sommervergnügen geben, nur anders. Wir werden unsere Schaunummern nicht auf der historischen Gestütsanlage hier in Celle vorführen. Daher haben wir den sonst bestens gepflegten Paradeplatz im Moment lieber eingezäunt und lassen dort Zuchtstuten mit Fohlen grasen. Das Sommervergnügen 2021 veranstalten wir mit einem neuen Konzept vom 3. bis 5. September in Adelheidsdorf, auf unserem 32 Hektar großen Heidegelände, komplett im Freien, mit vielen abwechslungsreichen Schaunummern, einem großen Gastronomie- und Ausstellungsbereich, einem Areal für Kinder, alles mit entsprechenden Abständen und Hygienekonzepten und dem Titel „Hengste, Heide, Handwerkskunst“.
Die Karten für die Hengstparaden sind stets heiß begehrt. Wie sieht es in diesem Jahr aus? Muss man sich jetzt schon anmelden?
Dr. Brockmann: Dadurch, dass wir keine festen Sitzplätze haben werden, gibt es einen freien Verkauf und Tageskassen. Details werden wir noch rechtzeitig ankündigen.
Sie haben verraten, dass das Landgestüt auch ein eigenes Museum plant. Wann können wir damit rechnen?
Dr. Brockmann: Museum hört sich so groß an, sagen wir eine Ausstellung. Ich hoffe, noch in diesem Jahr. Wir haben viele Schautafeln, Modelle und Exponate zum Gestüt, zu unserer Arbeit und den Pferden aus dem Pferdemuseum Verden übernommen. Wir wissen genau, was wir ausstellen und zeigen möchten, suchen aber noch nach einem passenden Raum, in dem die Sammlung permanent gut aufgehoben ist und optimal präsentiert werden kann.
Sie haben verraten, dass das Landgestüt auch ein eigenes Museum plant. Wann können wir damit rechnen?
Dr. Brockmann: Museum hört sich so groß an, sagen wir eine Ausstellung. Ich hoffe, noch in diesem Jahr. Wir haben viele Schautafeln, Modelle und Exponate zum Gestüt, zu unserer Arbeit und den Pferden aus dem Pferdemuseum Verden übernommen. Wir wissen genau, was wir ausstellen und zeigen möchten, suchen aber noch nach einem passenden Raum, in dem die Sammlung permanent gut aufgehoben ist und optimal präsentiert werden kann.