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Feinstes vom Kaliberg

02. April 2024

Auf Augenhöhe mit Garnelen: Die Nobilis hat das preisgekrönte Start-up-Unternehmen Aquapurna besucht. Hier wachsen die kleinen Krebstiere ohne Chemie und Antibiotika auf.

Leckere, gesunde Garnelen aus Aquakultur von einem Wunstorfer Kalibergwerksgelände? Stammen die auch Gambas genannten Krebstiere aktuell hauptsächlich aus China, Südostasien und Ecuador, kommen sie auch vom Fuße des Wunstorfer Kaliberges. Die Nobilis hat dort das junge Start-up-Unternehmen Aquapurna besucht, das zu Europas größter Garnelenzucht heranwächst. Nachhaltig, ohne Chemie- und Antibiotikaeinsatz – und sogar schon preisgekrönt.

Warmwassergarnelenzucht mit nachhaltiger Energiequelle

„Man friert im Winter nicht wirklich als Garnelen-Farmer“, lacht Aquapurna-Mitgeschäftsführer Florian Gösling zur Begrüßung. Beim Öffnen der Tür schlägt dem Besucher tropisch-feuchte Warmluft entgegen. Das kommt vom 29 Grad warmen Wasser in den Zuchtbecken. Ein spürbarer Grund, warum Florian Gösling mit David Gebhard genau hier das gemeinsame Unternehmen angesiedelt hat. Denn für die Zucht von Warmwassergarnelen gibt es energiesparende Voraussetzungen: Als Synergie-Effekt erwärmt industrielle Abwärme aus dem Kalibergwerk die zahlreichen Garnelenzuchtbecken.

Im Eingangsbereich der Produktionshalle besteht sogar die Möglichkeit, den in einem Schaubecken hin und her schwimmenden Garnelen auf Augenhöhe ganz nahe zu kommen. Sonst sind die in der rund 900 Quadratmeter großen Produktionshalle gezüchteten und „Gamba Zamba“ benannten Krebstiere im strömenden Beckenwasser nur entfernt zu beobachten. Aquapurna geht mit ihnen und seinen 15 Mitarbeitern neue Wege in der Aquakultur.

Die Entstehung einer nachhaltigen Garnelenzucht

„Wir lieben Garnelen! Wenn wir dazu auch noch etwas für unseren Planeten tun können – umso besser“, werben die Firmen-Chefs für ihre vom Ei bis zum erwachsenen Tier komplett aus Deutschland stammenden Garnelen. Begonnen hat die Geschichte des Start-up-Unternehmens mit der Garnelenleidenschaft von Maschinenbauingenieur Gösling und seinem Freund, Rechtsanwalt Gebhard. Ihre Idee: Garnelen selbst züchten zum bezahlbaren Preis, jedoch ethisch einwandfrei und nachhaltig.

Nachdem Kali+Salz im Jahr 2018 in Wunstorf-Bokeloh die Arbeit auf seinem Firmengelände beendet hatte, bot sich bei dem dort entstehenden gewerblichen Innopark die Möglichkeit, ein eigenes Aquakulturzentrum aufzubauen. Neben dem kostensparenden Abwärmewasser sorgte Gösling mithilfe von Experten für die benötigte Meersalzgehalt-Rezeptur für die Gamba-Zucht. Denn das Kali-Salzwasser ist dafür ungeeignet. Ebenso zum Einsatz kommt eine von ihm konzipierte Anlage, die mittels Schaumbildung für die erforderliche Beckenwasser-Hygiene sorgt. Beim gemeinsamen Rundgang liest er zum Testen der Wasserqualität die von Sensoren dazu registrierten Informationen ab.

Ohne Antibiotika und chemische Zusätze

„Unsere nachhaltige regionale Züchtung ohne Antibiotika erlaubt außerdem den Verzicht auf Tiefkühltransporte um die halbe Welt – keine zerstörten Mangroven oder kaputte Meeresböden“, freut sich Gösling und stellt fest: „Das ist Genuss mit gutem Gewissen!“ Für den innovativen Ansatz zur ersten Garnelenfarm ohne Antibiotika- und Chemikalien-Einsatz ist Aquapurna bereits Sommer 2023 beim Niedersächsischen Digitalisierungspreis Agrar und Ernährung mit 3.500 Euro Preisgeld ausgezeichnet worden.

Statt Garnelen im Larvenstadium aus den USA einzufliegen, züchtet Aquapurna diese selbst. Mit ausgesuchtem Tag- und Nacht-Rhythmus, im sanft mit Rotlicht abgedunkelten Raum und mit abgestimmtem Futter werden Elterntiere zu regelmäßiger Eiablage motiviert – ohne, wie zum Teil weltweit praktiziert, Weibchen ein Auge abzutrennen, damit sie auf diese unethische Weise zu verstärkter Eiablage angeregt werden.

Vom Meer direkt auf den Teller

Für das ideale Wachstum der sich bis zu 30-mal häutenden jungen Garnelen sorgen ein angemessenes Futterangebot und kontrolliert sauberes fließendes Wasser– ihrem natürlichen Umfeld im offenen Ozean nachempfunden. Tiefgefroren werden sie dann als „Gamba Zamba“-Delikatesse an Supermärkte zwischen Bokeloh, Bielefeld und Braunschweig geliefert und landen fein zubereitet auch in Restaurants am Steinhuder Meer auf dem Feinschmecker-Teller. Rund vier Tonnen Garnelen erzeugt die Garnelenfarm aktuell im Jahr. „Die Nachfrage ist aber viel größer – wir sind regelmäßig ausverkauft. Dabei ist unsere Vision, dass eigentlich keine Garnelen mehr importiert werden müssen“, sagt Gebhard.

Da passt es, dass das Unternehmen K+S Wunstorf nun auf den Geschmack gekommen ist und sich bei Aquapurna mit einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag engagiert. Mit zwei rund 18.000 Quadratmeter großen Produktionshallen soll hier Europas größte, modernste und zugleich nachhaltigste Indoor-Garnelenfarm entstehen – mitsamt 50 neu geschaffenen Arbeitsplätzen und einer geplanten Jahresproduktion von rund 800 Tonnen Garnelen. Der Markt ist da: Pro Kopf wurden 2022 in Deutschland mehr als 1,5 Kilogramm Garnelen verzehrt. Für den nachhaltig guten Geschmack besteht da noch viel Luft nach oben.

Text und Fotos: Torsten Lippelt

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