Fasten ist eine jahrtausendealte Tradition und hat in nahezu allen Kulturen der Menschheitsgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt. Bis heute ist der bewusste Verzicht auf Nahrung in vielen Religionen fest verankert. Ob Fastenkuren, Heilfasten oder intermittierendes Fasten – es gibt viele Wege, vorübergehend auf Nahrung zu verzichten. Gerade erlebt das intermittierende Fasten ein Revival – es gilt als die Wunderwaffe für ein langes, gesundes Leben, soll Zellen erneuern, Fett verbrennen und überhaupt für mehr Jugendlichkeit sorgen. Was ist dran an dem Hype?
Intermittierendes Fasten
In der Schule für Diätassistenten der Medizinischen Hochschule Hannover kommt intermittierendes Fasten häufig zum Einsatz. Leiterin Sonja Nothacker hat vor allem bei Menschen, die von Diabetes Typ 2 oder Adipositas betroffen sind, gute Erfahrungen gemacht. „Wir konnten dadurch einen deutlichen Fettabbau feststellen“, sagt Nothacker. Als Faustregel empfiehlt sie: Die Zeit ohne Nahrungsaufnahme sollte länger sein als die Zeit, in der gegessen wird. Verbreitet sind die 16:8- und 14:10-Regeln, aber auch die 12:12-Methode kann bereits gesundheitsfördernd wirken.
Intermittierendes Fasten kann eine Vielzahl positiver Prozesse im Körper auslösen. „Während des Fastens schaltet der Körper in einen Reparaturmodus“, erklärt die ernährungsmedizinische Beraterin und betont, dass insbesondere die Autophagie, ein zellulärer Reinigungsprozess, angeregt wird. Dabei baut der Körper alte oder beschädigte Zellbestandteile ab und recycelt diese – ein Mechanismus, der entzündlichen Prozessen entgegenwirkt und die Zellerneuerung fördert. So schützt Autophagie vor Alterungsprozessen und wird mit der Prävention von Krankheiten wie Krebs, Neurodegeneration und Stoffwechselstörungen in Verbindung gebracht. Mit zunehmenden Alter nimmt der Prozess der Autophagie ab. Studien deuten aber darauf hin, dass er durch das Fasten angeregt werden kann.
Stoffwechsel verändert sich
Auch der Stoffwechsel verändert sich: Die Speicher für Glukose leeren sich durch das Fasten, und der Körper greift auf Fettreserven zurück. Dies kann helfen, den Insulinspiegel zu regulieren und das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes zu senken. Gleichzeitig wird die Durchblutung verbessert, was die Nährstoffversorgung in den Zellen optimiert.
Bei ihren Patienten hat Nothacker festgestellt, dass gerade Menschen mit erhöhtem Fettanteil vom intermittierenden Fasten profitieren – die Ernährungsform greift vor allem das viszerale Fett an. Dieses ist anders als das subkutane Fett nicht äußerlich sichtbar, sondern umgibt die inneren Organe, insbesondere das Verdauungssystem. Während subkutanes Fett überwiegend harmlos ist, gilt Viszeralfett als gefährlich, da es entzündliche Prozesse im Körper auslöst. Es kann die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Krebsarten oder eine Fettleber begünstigen.
Fasten behutsam ausprobieren
So könnte man intermittierendes Fasten in den Alltag einbauen: Wer ab 19 Uhr nichts mehr isst, könnte mit der 14:10-Regel um 9 Uhr frühstücken, mit der 16:8-Regel um 11 Uhr. „Es ist unbedingt wichtig, das behutsam auszuprobieren“, betont Nothacker. „Jeder Körper ist unterschiedlich, für manche Menschen ist das eine tolle Option, für andere nicht“, sagt sie. Für Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, sei die 16:8-Regel vielleicht schwer umzusetzen. Wer an Essstörungen, Untergewicht oder einer Lebererkrankung leidet, sollte darauf verzichten. Es wird angenommen, dass intensives Fasten den Menstruationszyklus oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte, da der Hormonhaushalt empfindlich auf Kalorienreduktion reagiert. Und wer fastet, sollte immer auf eine ausreichende Proteinzufuhr achten, sonst besteht die Gefahr, dass Muskelmasse abgebaut wird.
Mit kleinen Veränderungen beginnen
Ein sanfter Einstieg ins intermittierende Fasten kann mit kleinen Veränderungen beginnen: „Vielleicht startet man damit, die Schnökerei vor dem Fernseher wegzulassen und nach dem Abendessen wirklich Schluss zu machen“, sagt Nothacker. Das könne auch die Schlafqualität verbessern. Die Ernährungsberaterin empfiehlt, diesen Schritt zu planen. Denn lieb gewonnene Rituale sind oft schwer abzulegen. Statt eine Tafel Schokolade oder eine Tüte Chips vor dem Fernseher zu essen, könnte man sich eine schöne Tasse Tee kochen und für die Umstellung eine neue Tee-Mischung kaufen. „Man darf das ruhig zelebrieren“, sagt Nothacker. Intermittierendes Fasten mache man schließlich langfristig.
Ernährung anpassen
Von klassischen Diäten wie der Atkins-Diät oder der Kohlsuppen-Diät rät Nothacker ab. „Eine Diät hat einen Anfang und ein Ende, und das ist schon mal schlecht“, sagt sie. Stattdessen empfiehlt sie, die Ernährung anzupassen, wenn man Fett abbauen will. Ein kritischer Blick auf den Teller lohnt sich: Idealerweise bestehen 50 Prozent der Nahrung aus Gemüse oder Obst, 25 Prozent aus Proteinen wie Hülsenfrüchten, Tofu, Fisch oder Fleisch und 25 Prozent aus Kohlenhydraten wie Couscous, Bulgur, Nudeln oder Reis.
Fasten sei ein ganzheitlicher Prozess, bei dem Körper und Geist sich erholen können: „Es geht nicht nur darum, auf Nahrung zu verzichten, sondern auch darum, Gewohnheiten zu hinterfragen und dem Körper sowie dem Geist eine Pause zu gönnen“, erklärt Nothacker.
TEXT: Stefanie Nickel
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