Chris Cosma entwickelte schon als Kind Kosmetik für seine von Allergien geplagte Mutter. Chidobe Ogbukagu war so begeistert von Cosmas Ideen, dass der IT-Unternehmer mit seinem damaligen Werkstudenten Cosma kurzerhand ein Start-up gründete. Mit puremetics wollen die beiden von Altwarmbüchen aus nun den Markt mit nachhaltiger, veganer und plastikfrei verpackter Kosmetik aufmischen. Ein Besuch in der Produktion.
Text: Stefanie Nickel, Fotos: Tobi Wölki
Kosmetik mit Zukunft
Es gibt die Badekugel mit Zitrone-Vanille-Aroma, Ölkern und bunten Streuseln obendrauf. Die Duschpaste, die nach Apfelcrumble riecht, oder die Shampooseife in der Winterbeeren Variante. Bei puremetics in Altwarmbüchen duftet es aber nicht nur gut. Hier setzen die beiden Gründer Chris Cosma und Chidobe Ogbukagu auch alles auf Kosmetik mit Zukunft – Produkte fürs Badezimmer, die nachhaltig, vegan und 100 Prozent plastikfrei gefertigt und verpackt werden.
Abtauchen in der „Hexenküche“
Rundgang durch die Hexenküche. So heißt bei puremetics der Raum neben dem Lager. Hier stehen Behälter mit duftenden Pülverchen und Ölen auf Edelstahltischen, daneben ein kleiner Materialmixer. Es hat etwas von einem Chemielabor. Nur riecht es deutlich besser. Das hier ist der Ort, an dem Chris Cosma neue Kreationen entwickelt, hier setzt er seine Ideen um, entstehen Duschpasten, Shampoos und Duschgels in Seifenform. Einmal in der Woche versucht Cosma, einen ganzen Tag an den Edelstahltischen inmitten all der Düfte zu verbringen, denn das Ausprobieren ist aufwendig, braucht Zeit und Ruhe. „Ich tauche dann richtig ab, experimentiere, und es entstehen tolle Dinge – und auf dem Weg auch Sachen, die nicht funktionieren“, sagt Cosma und lacht.
Vor fast drei Jahren hat Cosma mit seinem Geschäftspartner Chidobe Ogbukagu puremetics am Rand von Hannover gegründet. Cosma blickte als Veganer mit einem Faible für Kosmetik schon lange kritisch auf eine Branche, die viel Gutes verspricht. Ogbukagu will mit seiner Familie möglichst nachhaltig und besonders plastikfrei leben.
Plastikfreie Kosmetik
Was die beiden Gründer nie verstehen konnten: Viele Produkte werben mit dem „Mikroplastikfrei“-Label, doch sind die meisten Kosmetika bis heute in Plastik verpackt. „Das wird irgendwann zu Mikroplastik und landet in der Natur“, sagt Chris Cosma. Zusammen sahen sie das Problem – und einen riesigen Markt.
Denn trotz aller Schulterklopferei sei auch in Deutschland die Recyclingquote bei Plastik extrem niedrig – die liegt aktuell bei etwa 15 Prozent. „Wir sind komplett plastikfrei“, sagt Cosma.Vegane Kosmetik herzustellen und diese dann ohne Plastik und auch sonst möglichst nachhaltig zu verpacken und zu Kundinnen und Kunden zu bringen, ist eine Aufgabe für sich. Viele ihrer Shampoos und Duschpflegeprodukte kommen in Seifenform daher und sind nur in Papier eingeschlagen.
Ein längerer Prozess war es hingegen, eine Lösung für Cremes zu finden. Denn es gab keine Verpackung, auch nicht aus Glas, die ohne Plastikanteil im Deckel auskommen konnte. „Ich war ständig auf Verpackungsmittelmessen unterwegs“, sagt Ogbukagu. Schließlich fand er die Lösung: Ein Tiegel aus Glas, ein Deckel aus Holz und dazwischen ein fettdichtes Papier, das dafür sorgt, dass die Creme nicht ausläuft.
Cosma entwickelt schon als Kind eigene Kosmetik
Chris Cosma ist der Tüftler in der Hexenküche, Chidobe Ogbukagu kümmert sich darum, die Dinge ins Rollen zu bringen. Ogbukagu, Familienvater Anfang 40, ist aber nicht nur der Mann für die Lösungen. Weil Chris Cosma in seiner Wohnung in Linden keine Badewanne hat, testet Ogbukagu in Isernhagen die Badekugeln. Ein großer Spaß, so berichtet es der Unternehmer – besonders wenn die Kinder dabei sind und ganz offen und kritisch auf Duft und Konsistenz blicken. Sein Favorit: eine Badekugel mit Ölkern, mit dem man sich einschmieren kann. „Das ist genial, da blubbert es nicht nur, sondern man hat auch noch was in der Hand“, sagt er.
Chris Cosma mischte schon als Kind Cremes und Duschgels zusammen. Seine Mutter war allergisch gegen die meisten Kosmetika – das ließ den Sohn zu Tüftler werden mit einem kritischen Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe. „Es war toll, dass ich ihr helfen konnte – einfach indem ich vieles wegließ, was in den Standard Cremes enthalten war“, sagt Cosma. Ihm war klar: Was meiner Mutter helfen kann, könnte auch vielen anderen gut tun.
Das müsste ich groß aufziehen, diesen Gedanken hatte Cosma in sich, als er vor rund sieben Jahren als Werkstudent bei einem IT-Dienstleister anfing. Und zum Glück hatte er einen Chef, der offen für abseitige Ideen war: Chidobe Ogbukagu.
Kreative Köpfe
Gleich die erste Kosmetik-Idee brachten die beiden zusammen zur Marktreife, einen Make-up-Radierer, ein Mikrofasertuch zum Abschminken, das alleine mit Wasser auskommt. Als Rossmann kurz darauf anfragt, ob sie das Tuch ins Sortiment aufnehmen können, wissen beide: Hier ist etwas möglich.
Vom Tuch rücken sie bald ab, weil es nicht ohne Plastik auskommt, und setzen alles auf das Thema nachhaltige, plastikfreie und vegane Kosmetik. Einer der Bestseller im Sortiment ist der Dusch-Fluff, eine Duschpaste, die man mit Wasser aufschäumt, gleichzeitig Peeling und Pflege. Vorteil: Die Paste kann in einen Papierbecher verpackt werden. Das spart Material und Volumen – also Rohstoffe von der Produktion bis zum Versand.
Die Nachhaltigkeit geht weiter: Die beiden sammeln bei sich und bei Unternehmen in der Nachbarschaft benutzte Wellpappe. Im Lager steht dann „Schredderick“, eine Maschine, die aus der Pappe Füllmaterial für den Versand macht.
Die Weltlage bremst das schnelle Wachstum – jetzt setzen die Gründer auf Crowdfunding
Rund 120 Produkte lassen sich heute im Online-Shop und ausgewählten Geschäften ergattern. Die Zeit scheint reif für die Ideen aus Altwarmbüchen. Doch die Weltlage macht es puremetics gerade nicht leicht. Papier ist teuer, Energie sowieso. Manche Rohstoffe kommen verspätet, vieles ist teurer geworden. Nachdem es in den ersten beiden Jahren nur bergauf ging, gab es nun Umsatzeinbußen.
Doch besonders mit einer Crowdfunding-Aktion, bei der die Gründer 400.000 Euro einsammeln wollen, soll es weiter nach oben gehen. Sie setzen bewusst auf diese Finanzierung, die die Stammkunden mit einbezieht und neue schafft. Denn wer in ein Unternehmen mit Kleinbeträgen investiert, bleibt verbunden und erzählt die Geschichte weiter. Mit dem Geld wollen sie wachsen, neue Mitarbeitende einstellen, mehr Geld für Werbung ausgeben. „Wir sind sicher: Die Zeit ist reif für eine wirklich nachhaltige Kosmetik“, sagt Chidobe Ogbukagu.