Zum Inhalt springen

Das geht unter die Haut

04. Februar 2024

Im Exzellenzcluster PhoenixD an der Leibniz Universität Hannover arbeitet ein Physikerteam an einem besonderen Scanner. Der soll Hautkrebs künftig ohne Skalpell schnell und unkompliziert erkennen – eine echte medizinische Revolution.

Es klingt wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film: Ein Kleinbus steht neben einer Baustelle an einer Straßenkreuzung. Die Tür geht auf. Im Inneren steht ein Scanner. Einige Bauarbeiter gehen hinein und werden wie am Flughafen gescannt. Nur dass dieser Scanner nicht metallische Gegenstände findet, sondern innerhalb von Sekunden sagen kann, ob die in der Sonne Arbeitenden Hautkrebs haben oder nicht. Ohne Gewebeprobe, ohne Skalpell und idealerweise ohne medizinisches Personal vor Ort.

Meilenstein in der Hautkrebserkennung

Science-Fiction? An der Leibniz Universität Hannover arbeitet ein Physikerteam um Prof. Bernhard Roth daran, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Roth sitzt in einem schmucklosen Besprechungsraum im Hannoverschen Zentrum für Optische Technologien (HOT). Auf der anderen Straßenseite, im Georgengarten, genießen die Menschen die Herbstsonne, während Physiker Roth erzählt, wie er das Diagnoseverfahren bei schwarzem Hautkrebs revolutionieren will. Er und sein Team entwickeln ein Gerät, das von außen erkennen kann, ob das Gewebe etwa eines Leberflecks gut- oder bösartig ist und wie weit es eingewachsen ist. „Es fühlt sich gut an, an etwas zu arbeiten, dass so relevant für die Gesellschaft ist“, sagt Prof. Roth.

Beim Hautkrebs ist es wie bei allen Krebsarten: Je früher man ihn erkennt, desto besser kann er behandelt werden. Viele Hautkrebsfälle werden heute zu spät erkannt. Das liegt auch daran, dass das Diagnoseverfahren recht langwierig und fehleranfällig ist. Betroffene müssen Verdachtsstellen zuerst finden, dann einen Termin bei einem Spezialisten vereinbaren. Es folgen der chirurgische Eingriff, eine Auswertung im Labor, danach meist noch Folgeeingriffe.

Es wäre also ein Meilenstein, wenn der Scanner, an dem Prof. Roth und sein Team forschen, in die Anwendung ginge. „Nach einem Scan könnten Ärzte ihren Patienten direkt sagen, ob es sich bei ihrer Hautveränderung um einen bösartigen Tumor handelt und sofort mit der Therapie beginnen“, so Prof. Roth. „Das könnte Tausende Leben retten.“ Auch die Behandlungskosten könnten deutlich gesenkt. Diese liegen zwischen wenigen tausend Euro in Stadium I und mehreren hunderttausend Euro in fortgeschrittenen Stadien.

Die Forscher im Exzellenzcluster PhoenixD entwickeln ein Gerät, das von außen erkennen kann, ob zum Beispiel ein Leberfleck gut- oder bösartig ist.

Eine echte Innovation

Wirklich leicht zu verstehen, ist die neue Technologie nicht. Im HOT werden drei lichtbasierte Verfahren miteinander kombiniert, die recht sperrige Namen haben. Wie ein Ultraschall (jedoch mit Licht anstelle von Schallwellen) arbeitet die Optische Kohärenztomografie – und analysiert die Beschaffenheit dünnerer Hautmale. Für die dickeren Hautmale ist die Optoakustik zuständig, die mithilfe eines Lasers eine Schallwelle im Körper erzeugt. Die Raman-Spektroskopie, als drittes Verfahren, streut Licht durch die Haut – und hinterlässt so einen „Fingerabdruck“, der Auskunft gibt über die Gut- oder Bösartigkeit des Leberflecks. „Unser Ansatz ist eine echte Innovation, da er den Ärzten alle notwendigen Informationen schnell und berührungslos zur Verfügung stellt“, sagt Roth.

Noch ist der Scanner im Versuchsstadium. Das Gerät ist etwa so groß wie ein Toaster und würde aktuell etwa 120.000 Euro kosten. Damit ist er für dermatologische Kliniken bereits sehr interessant. Der Prototyp wird aktuell in der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Universitätsmedizin Rostock getestet.

Doch der Weg, bis in jeder Hautarztpraxis ein handliches Gerät steht, ist weit. Der Prototyp muss weiterentwickelt werden, er soll kleiner und günstiger werden. Roth arbeitet im Exzellenzcluster PhoenixD daran, den Scanner eines Tages auf die Größe eines Smartphones schrumpfen zu lassen. Und dann muss er auch mit klinischen Studien getestet werden. Zulassung als Medizinprodukt und damit reif für die Praxis? Nicht vor 2030, schätzt Roth, der übliche Zeitraum in der Medizin.

Auswertung der Daten am Bildschirm: Professor Bernhard Roth (links) und sein Mitarbeiter Anatoly Fedorov Kukk sichten die Bilder.

Helfen soll die KI

Es ist also tatsächlich vorstellbar, dass in ein paar Jahren die Krankenkassen mit einem wie oben beschriebenen mobilen Scanner besonders gefährdete Menschen besuchen – und vor Ort für Klarheit sorgen. „Es ist unser Ziel, dass die Untersuchungen künftig nicht mehr ausschließlich von einem Arzt durchgeführt werden müssen, sondern auch von nicht-medizinischen Personal“, sagt Roth. Der Arzt käme erst bei der finalen Diagnose und Therapie ins Spiel. Helfen soll dabei Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Mit Blick auf schon heute fehlende Fachkräfte könnte so echter Fortschritt in die Breite gehen – oder wie Roth es formuliert: „Demokratisierung der Technik zu bezahlbaren Preisen“.

Schon heute gibt es Apps, die mit der Smartphone-Kamera erkennen wollen, ob ein Mensch Hautkrebs hat. Was die können? „Nicht besonders viel!“, sagt Forscher Roth. Aber das könnte sich in einigen Jahren durchaus ändern – es wäre eine nächste Revolution im Kampf gegen den Hautkrebs.

Text: Stefanie Nickel, Fotos: Henning Scheffen

ÄHNLICHE ARTIKEL