Ein kleiner Zettel, ein geheimnisvoller „Geber“, eine große Story um vermeintliche Geschenke: Das Landesmuseum widmet einem Zufallsfund Raum. In den „Wechselwelten“ ist jetzt Kriegsbeute aus China zu sehen.
Text: Heike Schmidt, Fotos: privat
Waren diese Gegenstände wirklich Geschenke? Maik Jachens, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Provenienzforschung am Niedersächsischen Landesmuseum, war skeptisch. Eine kleine Notiz im Jahrbuch des Museums von 1909/1910 hatte ihn neugierig gemacht. Fein säuberlich hatte ein damaliger Mitarbeiter verzeichnet: „Von einem ungenannten Geber wurden dem Museum folgende Gegenstände aus Tempeln des Kaiserpalastes zu Peking geschenkt: sechs, meist auf Seide gemalte Bilder (Porträts und szenische Darstellungen). Bronzefiguren und Thonplaketten: Buddha-Darstellungen. Eine Fayencefigur, eine Gottheit darstellend.“
Graf Königsmarck im Krieg
Maik Jachens Neugier war geweckt. Er forschte nach. Der „Geber“ blieb zwar ungenannt, aber schnell stellte sich heraus: Es war kein Geringerer als Friedrich Wilhelm Adolf Graf von Königsmarck, der im so genannten „Boxerkrieg“ von 1900/1901 in China an der Seite der alliierten Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, USA, Japan, Italien, Österreich-Ungarn gegen China gekämpft hatte. Denn was heute kaum bewusst ist: China stand unter Kolonialherrschaft.
Krieg der Kolonialherren
Doch mit der Zeit hatte sich eine chinesische Geheimgesellschaft gegründet, die gegen den kolonialen Einfluss aus dem Westen durchaus mit Gewalt vorging. Weil die Mitglieder dieses Widerstandes Kampfsportarten praktizierten – also mit den Fäusten kämpften –, wurden sie von den Europäern „Boxer“ genannt. Der Konflikt eskalierte, als die Boxer in Peking den deutschen Gesandten ermordeten. Die Kolonialmächte schlossen sich zusammen und schickten Truppen nach Peking. Im August 1900 eroberten sie die Stadt, die sie anschließend plünderten – und auch Königsmarck war dabei.
Stücke aus der verbotenen Stadt?
In einer kleinen, aber sehr feinen Ausstellung in den „Wechselwelten“ des Landesmuseums ist jetzt ein Teil dieser Gegenstände zu sehen. Kaum größer als ein 20 Quadratmeter großer Raum ist die Ausstellungsfläche, auf der die kleinen Skulpturen und Rollbilder zu sehen sind. Dies sind allerdings nicht die Originale. Diese sind zu stark beansprucht. „Durch das zusammen- und wieder entrollen haben sie starke Gebrauchsspuren“, erklärt Jachens. Der Notiz von 1909 zufolge sollten sie aus dem Kaiserpalast stammen. „Wir denken dabei an die verbotene Stadt“, sagt der Kurator der kleinen Ausstellung: „Doch es gab eine Vielzahl an Palästen.“ Auf einer Karte, die das alte Peking darstellt, sind diese Paläste markiert. Daher sei fraglich, ob die Rollbilder wirklich aus dem Kaiserpalast stammen. Sicher ist hingegen, dass es sich um Beutekunst handelt.
Rückgabe an China?
„Unsere Ausstellung möchte dazu einen Beitrag leisten, dass die Ereignisse von 1900 nicht in Vergessenheit geraten und ihre Spuren in der Öffentlichkeit sichtbarer werden“, betont Prof. Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover: „Für die von Graf Königsmarck übergebenen Objekte ist zu sagen, dass das Landesmuseum Hannover bestrebt ist, in Gespräche mit den zuständigen Stellen in China einzutreten, um über den weiteren Umgang mit ihnen zu beraten.“ Sofern es gewünscht sei, sollen die Objekte nach China zurückgeführt werden. Derzeit ist das Museum im Gespräch mit dem Auswärtigen Amt in Berlin.
Die kleine Ausstellung kann im Rahmen des regulären Museumsbesuchs angeschaut werden. Nähere Informationen unter Landesmuseum Hannover (landesmuseum-hannover.de).
Ein Stückchen Europa in Asien: „China hinter Glas“
Im Landesmuseum ist noch eine weitere Ausstellung mit dem Thema China zu sehen. Die Ausstellung „China hinter Glas“ ist noch bis zum 16. April in der Willy-Brandt-Allee 5 zu sehen.