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Andreas Toba: Der selbstlose Held

09. Februar 2023

Der Hannoveraner Andreas Toba ist als Held der Turner in die Olympiageschichte eingegangen. Und seine Karriere ist noch nicht zu Ende.
Text: Karen Roske, Fotos: Tom Weller

Seit den Olympischen Spielen in Rio ist Andreas Toba als „Hero de Janeiro“ berühmt. Nachdem er sich in der Qualifikation fürs Mannschaftsfinale bei der Bodenübung einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, absolvierte er trotzdem noch seine Übung am Pauschenpferd – mit der höchsten Wertung im deutschen Viererteam. Damit brachte er seine Mannschaft ins Finale, an dem er selbst jedoch nicht mehr teilnehmen konnte. „Toba ist der Held der Turner“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Bei der Bambi-Verleihung gewann er den Publikumspreis. Und in seiner Heimatstadt Hannover bekam er auf offener Straße Applaus, wenn er an seinen Krücken vorbeihumpelte.

Das war 2016. Heute ist er nicht unzufrieden damit, dass er nur noch von Insidern erkannt wird. Im Olympiastützpunkt am Maschsee wirkt er unter all den Sportlern und Betreuern, die dort ein- und ausgehen, in seiner Alltagskleidung schmal und unscheinbar. Aber beinahe jeder ruft ihm freudig zu: „Hallo, Andy!“ Und wenn er voller Überzeugung von seinen großen Werten spricht, hat er eine beeindruckende Ausstrahlung.

Für ihn selbst war die „tapfere Großtat“, wie die Bild-Zeitung seinen selbstlosen Einsatz in Rio nannte, gar nicht so außergewöhnlich. Er winkt ab: „Das spiegelt nur unsere tägliche Trainingsleistung; diese Bereitschaft zur Aufopferung ist jeden Tag da. Die Situation damals war vielleicht extrem, aber letzten Endes hätten viele andere genauso reagiert.“ Nach kurzem Zögern ergänzt er: „Nicht alle, das muss man auch sagen.“

Silber für den Turner

Als seinen größten persönlichen Erfolg bezeichnet der 32-Jährige die Silbermedaille am Reck bei der Europameisterschaft 2021 in Basel. „Das hatte niemand von mir erwartet“, erzählt er mit blitzenden Augen. „Angeblich hatte ich meinen Zenit überschritten. Ich galt als ‚zu alt und nur noch mannschaftstauglich‘, hieß es.“ Die herablassende Betonung im Zitat spricht er dabei deutlich mit. Das Reck war schon immer sein Lieblingsgerät – und bei der Begründung gerät er ins Schwärmen: „Man fliegt! Es ist das spektakulärste Gerät und macht am meisten Eindruck, das fand ich schon als Schüler cool.“ Wie viel Schweiß und Tränen dafür nötig seien, das wüssten ja nur der Trainer und er selbst.

Dank an Trainer, Eltern und Freundin

Auch diesen stolzen EM-Erfolg am Reck will er gerne teilen: „Das war ein Dankeschön für alle, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben.“ Er wird nicht müde, seinen Trainern Adrian Catanoiu und Peter Scholz zu danken, seiner Freundin und seinen Eltern. Seine Mutter zitiert er mit einem Sprichwort aus Rumänien, dem Heimatland der Eltern: „Du bist das Spiegelbild der Menschen, die dich umgeben.“ Sein Vater nahm ihn schon als Kleinkind mit in die Turnhalle und bleibt sein größtes Vorbild: Der Kunstturner Marius Toba war 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul noch für Rumänien gestartet. 1989 zog er nach Deutschland und wählte Hannover als Wohnort, weil er hier bei Andreas Aguilar trainieren konnte. Kurz darauf folgte seine Frau, Sohn Andreas kam zur Welt und später noch eine Tochter. Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney war „der Herr der Ringe“ Marius Toba der älteste aller Turner und schaffte es als einziger Deutscher ins Finale an den Ringen.

Dass Mutter und Schwester keinen Leistungssport treiben, findet Andreas Toba zum Ausgleich ganz gut. Seine Freundin Daniela Potapova dagegen hat das harte Turnerleben selbst erlebt: Sie stammt aus Berlin, war als rhythmische Sportgymnastin erfolgreich und hat ihre Sportkarriere nach den Olympischen Spielen 2016 beendet. Das Paar lebt zusammen in Hannover-Döhren.

Werte fürs Leben: Disziplin und Respekt

Andreas Toba hat neben dem Hochleistungssport studiert. Nach der aktiven Karriere möchte er als Trainer arbeiten, hat sich aber sicherheitshalber breiter aufgestellt: Seit 2016 hat er den Bachelorabschluss für Sport im Lehramt in der Tasche, 2019 folgte der Master in Sportmanagement, beides im Fernstudium in Temeswar. Nach Rumänien musste er nur für die Klausuren fahren und konnte bei Verwandten wohnen. Dort hatte Familie Toba früher alle Urlaube verbracht, auch Andreas ist in zwei Kulturen zu Hause.

Erst mit Freundin Daniela hat er andere Reiseziele angesteuert – nachdem er mit der Turnermannschaft bereits auf allen Kontinenten außer in Afrika war. In der Turnhalle hat er Freunde fürs Leben gewonnen. Seit dem gemeinsamen Training teilen sie Werte wie Disziplin, Aufmerksamkeit und Respekt. Und auch wenn die langjährigen Freunde selbst keine aktiven Turner mehr sind, haben sie Verständnis für das Leben eines Olympioniken: Der Sport geht immer vor.

Zukunft als Turner

Andreas Toba hat gerade ein Jahr mit vielen kleineren Verletzungen hinter sich – und hat es dennoch geschafft, sich zu den Wettkämpfen in Topform zu bringen. In der Bundesliga geht der TKH-Turner für Schwäbisch Gmünd-Wetzgau an den Start und sammelt zuverlässig Punkte. Mit der Nationalmannschaft steht Ende März die EM in Antalya an. Und auch 2024 in Paris will Andreas Toba wieder dabei sein. Das sind dann seine vierten Olympischen Spiele, „wenn der Körper es mitmacht“. Hannover hofft darauf.

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