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Die Pracht der Frauen

30. August 2022

Niki de Saint Phalle ist ihr Thema. Sie – das ist die Autorin, Dozentin und Journalistin Gabriela Jaskulla aus Hannover. Sie hat jetzt einen Roman herausgebracht, eine Hommage an die im Jahre 2002 verstorbene Künstlerin. Doch dahinter steckt noch mehr: eine Liebeserklärung an große Kunst und starke Frauen.
Text: Fenja Basen  Fotos: Lorena Kirste
Gabriela Jaskulla, wissenschaftliche Leiterin der Fachhochschule des Mittelstands, steht auf dem Schild vor dem Büro in der Lister Straße in Hannover. Die 60-Jährige sitzt auf ihrem Stuhl – in der Hand hält sie ihr Buch: Die Romanbiografie „Niki de Saint Phalle und die Pracht der Frauen“. Gabriela Jaskullas Gesicht umschmeicheln Locken. Sie lacht. „Das ist es“, sagt sie und schwenkt das Buch in die Luft.
Der Roman handelt von der Malerin und Bildhauerin Niki de Saint Phalle und ihrem Leben. Es ist ein Werk über die Pracht der Frauen, die Schönheit des Weiblichen und über das wahre Leben der Niki de Saint Phalle.
Die Künstlerin ist in Hannover und der Region keine Unbekannte. Die meisten Menschen kennen von Niki de Saint Phalle aber vermutlich nur die bunten, dicken Nanas. Das Buch von Gabriela Jaskulla zeichnet jedoch ein weniger fröhliches Bild von der Künstlerin.
„Ein herumgeschubstes Kind. Das war es. Das war die Künstlerin“, schreibt Jaskulla in ihrem Werk. Die Kindheit von de Saint Phalle war von tragischen Ereignissen geprägt. Unter anderem wurde die Künstlerin – wie sie später sagte – von ihrem Vater missbraucht. Und auch in den darauffolgenden Jahren wurde ihr psychischer Zustand nicht besser, sodass sie schließlich im Alter von 22 Jahren einen Nervenzusammenbruch hatte. Die Kunst wurde zum Ventil ihrer Erlebnisse.

Eine innige Beziehung zu Hannover

Niki de Saint Phalle verband eine über 30-jährige Freundschaft mit Hannover. So sagte sie zuletzt im Herbst 2000, zwei Jahre vor ihrem Tod: „I have a very special feeling for Hanover“. Niki de Saint Phalle gelang der künstlerische Durchbruch in den Fünfzigern, nachdem sie an den Ausstellungen der internationalen Gruppe „Nouveaux Réalistes“ teilnahm.
Seitdem wurde de Saint Phalle viel beachtet: Vor allem durch ihre Filme „Daddy“ und „Camélia et le Dragon“ sowie den Ausstellungen in allen wichtigen Museen der Welt, erlangte die Künstlerin großen Ruhm, aber auch Kritik.
Die drei bunten, voluminösen Nanas aus Polyester am hannoverschen Leineufer hatten 1974 Proteststürme von Einwohnern ausgelöst, brachten aber auch die erste lebhafte Diskussion über Kunst im Raum.
Und das war nicht das letzte Projekt, welches de Saint Phalle für die niedersächsische Landeshauptstadt erschuf: Seit Ende der Neunziger arbeitete sie daran, die Grotte in den Herrenhäuser Gärten neu zu gestalten. Sie verstarb ein Jahr vor der Fertigstellung. Aber die von ihr gefertigten Pläne und zahlreiche Informationen ihrer Mitarbeiter ermöglichten es dennoch, ihre Arbeit zu beenden.

Die Faszination der Künstlerin

Auch Gabriala Jaskulla kannte Niki de Saint Phalles Geschichte zunächst nicht im Detail. Entsprechend hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen, als ihr Verlag Suhrkamp Insel ihr vorschlug, eine Romanbiografie über die Künstlerin Niki de Saint Phalle zu verfassen. Einer der Anlässe: der 20. Todestag am 21. Mai 2022.
Anfangs sträubte sich Jaskulla noch ein wenig. Aber mit der Recherche wuchs die Faszination. „Ich kannte anfangs das, was alle von ihr kennen – die Nanas, die großen bunten Plastiken. Dahinter aber steht ein Frühwerk, das viel aggressiver ist“, erklärt die Autorin ihren Erkenntnisweg. „Dieses Frühwerk kannte ich damals nicht – und verstand es auch nicht, bis ich es im Sprengel Museum in Hannover vor mir fand.“
Ein wichtiges Beispiel ist die „Hommage to Bob Rauschenberg – Shot by Rauschenberg“. Die Hommage an den damals berühmten amerikanischen Künstler ist eine Aktion aus dem Jahre 1961, bei dem dieser auf das Werk schoss.
So manifestieren ihre Schießbilder de Saint Phalles frühe Emanzipation als Künstlerin. Sie waren ein gleichermaßen zerstörerischer wie produktiver Akt der Selbstermächtigung. Jaskulla war fasziniert, nachdem sie herausfand, was de Saint Phalles Werke aussagen sollen. „Ihre Aggressivität, versteckt in eindrucksvoller Kunst. Das beeindruckte mich“, verrät die Romanautorin.
Unterstützung bei der Recherche
Eine Recherche für ein fast unbekanntes neues Projekt erweist sich oft als schwierig. Doch in diesem Fall war es anders. „Ich hatte viel Unterstützung von Herbert Schmalstieg, Ulrich Krempel und Ronald Clark”, verrät sie. Sie alle eint: Alle haben einen Bezug zu Niki de Saint Phalle. Schmalstieg aus seiner Zeit als Oberbürgermeister – er war es, der Niki de Saint Phalle zur Ehrenbürgerin machte. Krempel als Direktor des Sprengel Museums – er erhielt um die 400 Werke von ihr als Schenkung. Und Clark als ehemaliger Direktor der Herrenhäuser Gärten.
„Ohne die Hilfe und Unterstützung der drei hätte ich es nicht geschafft, das Buch so zu schreiben, wie ich es geschrieben habe“, verrät Jaskulla. „Und ich hätte ganz anders auf Niki de Saint Phalle geschaut.“ Sieben Bücher hat die Autorin schon verfasst, und trotz der wenig bekannten Informationen war es für sie, wie sie sagt, die leichteste Recherchearbeit. Und auch eine der interessantesten.
Allerdings betont die Autorin, dass das Zeitmanagement sich als kleines Problem erwies – das sie schlussendlich lösen konnte. „Was ist noch mal Freizeit?”, fragt sie und lacht. „Ich glaube, ich habe die Krankheit vieler Journalisten: nämlich, dass ich Beruf und Privatleben oft nicht trennen kann – und auch nicht will. Zum Beispiel musste ich während meiner Recherche öfter ins Sprengel Museum fahren. Ist das jetzt Arbeit oder Freizeit?” So beschreibt sie die Recherche für einen Artikel oder ein Buch wie eine schöne Reise, bei der der Weg das Ziel ist.
Für ihr Buch besuchte die Autorin verschiedene Orte und Zeitzeugen. So fuhr sie etwa nach Zürich, um mit einem Restauratorenpaar zu sprechen. Aber auch ein gemeinsames Essen und eine Wanderung waren Teil des Besuches, weshalb Jaskulla wieder die Frage im Kopf hat: „War das jetzt Arbeit oder Freizeit?”

Mit Talent für Multitasking

So oder so – das Ergebnis beeindruckt: Dadurch, dass es sich bei dem Buch um eine Biografie in Romanform handelt, fällt es als Leser oder Leserin leicht, sich in die zerbrechliche Welt der Künstlerin einzufühlen.
Der Verlag wollte, dass das Buch im Zeitraum des 20. Todestages der verstorbenen Künstlerin erscheint, also rund um den 21. Mai 2022. So musste Gabriela Jaskulla beweisen, dass sie eine Powerfrau mit Multitasking-Fähigkeiten ist. Denn wenn die gebürtige Fränkin nicht gerade an einem Buch schreibt, unterrichtet sie Studierende an der Fachhochschule des Mittelstands. Oder sie macht sich auf, um die Schönheit Hannovers zu genießen. Für sie ist Hannover eine beeindruckende Stadt der Kunst und Kultur – die oft unterschätzt wird. Weshalb sie in ihrem neuen Werk auch eine Widmung an die Stadt untergebracht hat. „Für die unterschätzten Städte“, heißt es auf einer der ersten Seiten.

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