Der NDR-Moderator hat ein Buch zur selbstironischen Ehrenrettung mittelalter Männer geschrieben. Darin erfahren seine Leidensgenossen, dass sie mit ihren Midlife-Symptomen nicht allein sind. Und Frauen lernen die Macken der Männer von einer ganz anderen Seite kennen.
Text: Karen Roske Fotos: Lorena Kirste
Wir Männer über 50 erwarten von uns selbst, immer alles im Griff zu haben. Aber das ist nicht so“, stellt Hinnerk Baumgarten fest. Und er ergänzt gut gelaunt: „Das muss auch gar nicht sein!“ Mit seinem Buch will er den dafür Beweis antreten: „Younger sän ewer. Da geht noch was!“ heißt sein Erfahrungsbericht, in dem er so schonungslos ehrlich wie selbstironisch von den Höhen und Tiefen seines Lebens erzählt. Vorab sei gesagt: Sein Buch hat mehr Tiefgang, als der Titel vermuten lässt. Mit dem Spruch aus dem Comedyklassiker „Dinner for One“ spielt er darauf an, dass seinesgleichen sich viel jünger fühlt und auch gern so gibt – als sei 50 wirklich das neue 30.
So ist der 54-jährige Hinnerk Baumgarten hocherfreut, wenn er Komplimente für sein Aussehen bekommt. Aber wenn er im selben Atemzug von Jüngeren gesiezt wird, schon weniger. Er muss einsehen, dass er beim Sport nicht mehr so mithält wie früher und hinterher Gelenksalbe braucht. Durchgemachte Nächte bezahlt er neuerdings mit einem bösen Kater. Beim Sex kommt es zum ersten „Hänger“. Unversehens ist er im besten Alter für unangenehme Krebsvorsorgeuntersuchungen. Und dann stirbt auch noch sein Vater. Einzig in der Liebe bleibt er ewig jung – und das heißt: ungestüm, aber oft auch unsicher und manchmal schrecklich unbeholfen.
Eine Liebe mit Hindernissen
Wie ein Roadmovie zieht sich seine turbulente On-off-Fernbeziehung zu Joanna aus Danzig durch das Buch. Die Kapitel „Was bist du bereit, für deine Liebe zu tun?“ Teil 1 bis 7 enden meist mit einem veritablen Cliffhanger: Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht? So schafft der Blumenkavalier es gleich mehrmals, einen als formvollendet geplanten Heiratsantrag zu verbocken.
Aber im Corona-Lockdown gibt er alles, um seiner Angebeteten über geschlossene Grenzen hinweg seine Liebe zu beweisen. Er findet heraus, dass man im Rahmen des gewerblichen Güterverkehrs ohne Quarantäne nach Polen ein- und ausreisen darf. Mithilfe von Freunden entwickelt er einen ausgefuchsten Plan und meldet allen Ernstes in Hannover seine Firma „Hinnerk Baumgarten Express Logistik“ an. Nach erheblichem Organisationswand und mit ordentlich Muffensausen schafft er es tatsächlich, ganz legal mit Lieferwagen, Gewerbeschein und echten Frachtpapieren zu seiner Joanna zu fahren. Und dann kommt er nach abermaliger Zitterpartie an der Grenze auch noch rechtzeitig zurück, um bei „Bingo“ im NDR-Fernsehen vor der Kamera zu stehen.
Mit Promis auf dem roten Sofa
Hinnerk Baumgarten arbeitet seit 2004 beim NDR, zunächst in seiner Heimatstadt Hannover. Dann wechselte er nach Hamburg. Seit 2006 gehört er zum Moderatorenteam der Vorabendsendung „Das!“, bei der er abwechselnd mit Bettina Tietjen und Inka Schneider Prominente auf dem mittlerweile sprichwörtlichen roten Sofa interviewt. Nachdem er mit der Radioarbeit aufgehört hatte, war Zeit zum Schreiben übrig. Sein Co-Autor, der Schauspieler und Bestseller-Autor André Dietz, fand an Baumgartens Texten nichts zu verbessern. Aber zusammen haben sie die Gliederung entwickelt, die das Buch interessant macht durch einen rasanten Wechsel zwischen tragikomischen Liebesabenteuern, ergreifender Hommage an den Vater und Gedanken über die Endlichkeit, detailgetreuen Berichten von Darm- und Blasenspiegelungen sowie empathischen Erinnerungen an innige Erlebnisse mit seiner Tochter.
Missgeschicke und mediale Gewitter
Von all den Namen, die in Hinnerk Baumgartens Buch auftauchen, seien etwa 70 Prozent echt. Darunter sind ein paar Promis und viele private Freunde. Alle Gefragten sind einverstanden gewesen, dass er hier aus dem Nähkästchen plaudert. Die restlichen Protagonisten hat er verfremdet, weil er keinen Kontakt mehr zu ihnen hat – oder keine unnötige Konfrontation riskieren will.
Die bekannten Konflikte und Missgeschicke spart er keineswegs aus. „Bis heute vergeht ungelogen kaum ein Tag, an dem ich nicht auf die Geschichte mit Katja Riemann angesprochen werde“, bekennt er. 2013 war es, als sein Gespräch mit der Schauspielerin auf dem roten Sofa gründlich schiefging und ein mediales Gewitter auslöste. Heute sei er froh über diese Erfahrung: „Es ist die Erfahrung, was in einer Livesendung mit Menschen passieren kann, und es ist die Erfahrung, wie es ist, plötzlich mitten im medialen Sturm zu stehen. Ohne etwas zu erfahren, kann man nichts lernen.“
Er schreibt auch über seinen sexistischen Fauxpas bei einer Livemoderation mit Heike Götz. Nachdem die Kollegin seine Bitte um Entschuldigung angenommen habe, fand er die öffentlichen Reaktionen reichlich hochgekocht.
Mit einem anderen Aufreger ist er selbst an die Öffentlichkeit gegangen: Auf Mallorca hatten ihn zwei betrunkene deutsche Urlauber krankenhausreif geprügelt und getreten, weil er sie wegen Wildpinkelns zurechtgewiesen hatte. Das Foto von seiner lädierten Visage hat er an die Bild-Zeitung geschickt. „Es gab sowieso Fotos davon“, erzählt er heute mit tadellos restaurierten Zähnen. „Bevor etwas Falsches an die Öffentlichkeit kommt, erzähle ich, wie es wirklich war. Mir muss das nicht peinlich sein.“
Im Übrigen habe seine Tochter ihren Segen für die teils intimen Geschichten in diesem Buch mit den Worten erteilt: „Kein Problem, Papa, mir ist so schnell nichts peinlich. Wahrscheinlich habe ich das von dir.“