„Zauberland“ heißt der Name der kleinen Insel Juist zwischen Borkum und Norderney aus dem Friesischen übersetzt. Eine sehr treffende Beschreibung, wie nobilis-Autorin Luisa Verfürth beim Kurzurlaub herausgefunden hat: Denn Juist fasziniert mit seiner ganz besonderen Atmosphäre und zahlreiche Attraktionen.
Text & Fotos: Luisa Verfürth
Tatsächlich ist Juist aufgeladen von einem ganz eigenen Zauber. Der mag auch daran liegen, dass auf dieser Ostfriesischen Insel keine Autos erlaubt sind. Was nicht bedeutet, dass man hier nicht mobil ist: Pferdekutschen befördern auf der Insel quasi alles, was nicht auf einen Gepäckträger oder unter den Arm passt. Selbst die Abfallwirtschaft Juist fährt Kutsche – herrlich entschleunigt.
Deshalb bietet es sich auch an, das Auto bei Anfahrt auf den großen dafür vorgesehenen Parkplätzen in Norddeich abzustellen und dann auf Fähre oder Flugzeug umzusteigen. Bei der Fähre hat man die Wahl zwischen Express (45 Minuten) oder der normalen Fähre (90 Minuten). Auf inselflieger.de kann man sich aber auch einen Platz in der zwölf Plätze großen Maschine sichern, die einen in sieben Minuten per Flugtransfer auf die Insel bringt. Und gar nicht einmal so teuer. 43 Euro kostet der Flug One Way und ist mit 40 Euro für die Express-Fähre auf preislich vergleichbar.
Eine schöne Unterkunft auf Juist zu finden – kein Problem. Sie noch zu bekommen allerdings schon. Juist ist beliebt. Und im Sommer oft weit im Voraus ausgebucht.
Nur 1.571 Insulaner sind tatsächlich mit festem Wohnsitz auf der Insel gemeldet, während sich in Ferienappartements und Hotelzimmern circa 7.000 Gästebetten befinden. Um die eine Millionen Übernachtungen zählt das schlanke, zarte Inselstück pro Jahr.
Wer es besonders luxuriös mag, für den ist das Strandhotel Juist vielleicht genau die richtige Adresse. 1898 als Vorreiter der deutschen Seebäder-Architektur erbaut und vorerst als Kurhaus geführt, trägt es heute den treffenden Namen „weißes Schloss am Meer“. Neben sehr geschmackvoll gestalteten Doppelzimmern bietet das Hotel auch Galerie-Außenappartements mit stolzen fünf Metern Raumhöhe und einer Größe von 40 Quadratmetern. Auch Suiten vom Segment Junior (34 Quadratmeter) bis Grand (83 Quadratmeter) stehen in dem historischen Strandhotel zur Verfügung.
Kommt man auf der Insel an, heißt es laufen, Pferdekutsche oder am besten direkt gleich ein Fahrrad mieten, denn das braucht man. Fahrradverleihe gibt es an jeder Ecke mit Angeboten für Elektrofahrräder, Cruiser, Kinderräder, Anhänger oder ganz klassische gute alte Drahtesel. Ich verfalle einem in Schlumpfblau und bezahle faire zehn Euro für einen treuen Begleiter für die nächsten 24 Stunden.
Natürliche Schönheit so weit das Auge reicht
Hat man sein Apartment bezogen und ein Fahrrad organisiert, kann es losgehen. Theoretisch kann man auf Juist eigentlich nichts falsch machen. Selbst wenn man einfach losradelt, wird sich die Insel ganz von selbst mit ihren Reizen vor einem entfalten.
Ich entscheide mich als Erstes für eine Exkursion auf dem Otto-Leege-Pfad. Otto Karl Georg Leege (1862–1951) war ein deutscher Pädagoge und Naturwissenschaftler. Er gilt als Vater der ostfriesischen Vogelschutzinsel Memmert. Nach ihm wurde ein ein Kilometer langer Holzweg benannt, der sich von den südlichen Salzwiesen zur nördlichen Sand- und Strandseite schlängelt. Läuft man seine Stufen entlang, wird man viele der Naturwunder dieser Insel zu sehen und zu hören bekommen.
Zum Beispiel eine wunderbare Windharfe, die mitten auf dem Weg thronend den Wind einfängt und magisch schöne Melodien wie von selbst zaubert. Nach weiteren Stationen wie einer Wasserklangschale, dem Otto-Leege-Tor, einer Sonnenuhr und einem Regenmesser aus Holz kommt man an einer der wunderschönen schneeweißen Dünen von Juist heraus.
Erklimmt man ihren höchsten Punkt, sieht man, warum der Juister Strand als einer der schönsten gilt und inzwischen auch unter Kite-Surfern immer beliebter wird. Mit seiner Länge von drei Kilometern lädt der Hauptbadestrand einfach nur dazu ein, die Schuhe auszuziehen und losgelöst die Dünen hinunter gen Wasser zu rennen.
Vom Traditionsrestaurant zur Strandbar
Wer nach dem ersten kleinen Spaziergang und Ausflug Hunger bekommen hat, kann sich mit dem Fahrrad einmal um 180 Grad drehen und ans andere Ende der Insel radeln. Dafür sollte man allerdings ein bisschen Zeit einplanen. Die Domäne Bill liegt noch vorbei am Hammersee relativ weit westlich am Ende der Landzunge von Juist. Das schöne Restaurant, welches sich seit 1992 in der Hand von Sven und Helga Ahrends befindet, ist eines der „Muss-man-hins“ auf Juist.
Neben klassischen und traditionellen Gerichten wie Erbsen- oder Linsensuppe mit Würstchen bietet die Domäne Bill auch viele vegane Gerichte für ihre Besucher wie Kokos-Linsensuppe oder Minestrone. Nachmittags kommen die Besucher vornehmlich wegen eines Klassikers her – wegen des selbst gebackenen Rosinenstutens. Ein riesiger, leckerer Hefelaib mit Rosinen, zu dem Butter und wahlweise auch Pflaumenkompott gereicht werden.
Wie fast überall auf der Insel sitzt man hier schön in der Sonne und genießt einen unverbauten Blick über das Wasser und das Naturschutzgebiet Niedersächsisches Wattenmeer, zu dem auch die Insel Juist gehört. Wer dieses einmal genauer erkunden möchte, kann sich vertrauensvoll an Wattführer Heino wenden. Er kennt nicht nur jeden Wattwurm im Watt, sondern auch alle an Land und hat immer einen Schwenk und eine Geschichte über Juist in petto.
Frisch gestärkt kann man sich mit dem Fahrrad perfekt wieder auf den Rückweg gen Strand machen und auf ein erstes Erfrischungsgetränk bei Steimers Strandbar am Hauptstrand einkehren. Betrieben wird sie seit zwei Jahren von Thomas „Tommy“ Steimer, einem Ur-Juister und gelernten Maler und Lackierer. Steimers Vater betreibt den anliegenden Strandkorb-Verleih seit den 50er-Jahren. Tommy Steimer sagt: „Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich das hier schon viel eher machen sollen. Und nicht erst mit 46.“ Die Bar ist rustikal und das ist auch gut so. Sie passt perfekt in die Umgebung und bezaubert durch handgemachte Deko wie Sessel- und Lümmelnischen aus halben Strandkörben, Reusen, die den Weg weisen, und schöne Strand- sowie Surferutensilien. „Und im Sommer wird es hier am Strand wieder Live-Konzerte geben.“ Egal ob dem Juister Shanti-Chor zur Sommersonnenwende, einem singenden Wattführer aus Borkum mit Quetschkommode oder dem Bluesmusiker „Young old man“ aus Aurich – allen wird Steimer eine Bühne geben. Hausgemacht trifft handgemacht. Eine schöne Symbiose.
Den Sundowner genießt man am besten im Juist Royal. Ein Moscow Mule? Negroni? Gin Basil Highball? Frangelico Sour? Alles geht. Kommt mühelos angeflogen und setzt sich danieder in die Hände, die sich nach einem aufgehitzten Tag an dem abperlenden Wasser des gut gekühlten Glases erfrischen. Es fällt nicht schwer, hier einfach nur die Nase in die Sonne zu halten und tagzuträumen. Umso schwerer fallen schließlich der letzte Gang zum Strand und der Abschied – Juist fühlt sich einfach nach Wiederkommen an.
Weitere Infos, Tipps und Unterkünfte unter www.juist.de