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Kühnholds Braunlage

04. August 2021

Seit 1690 lebt die Familie von Jörg Kühnhold in Braunlage. Der ehemalige Bankberater kennt nicht nur jeden Stein im Mittelgebirge rund um die Stadt, sondern ist auch im Vorstand des Heimatmuseums. Kühnhold hat der nobilis die schönsten Ecken seiner Region gezeigt.
Text: Marleen Gaida Fotos: Lorena Kirste
Das Wichtigste erklärt uns Jörg Kühnhold gleich einmal vorneweg: Beim Wörtchen Braunlage liege die Betonung auf dem -lage mit einem langen „a“ und nicht auf dem Wort „Braun“. Das ist dem 54-Jährigen wichtig. Genauso wichtig ist es ihm, innerhalb von vier Stunden möglichst die schönsten Ecken seiner Region zu zeigen. Also geht es im Eiltempo über Stock und über Stein. Mit dabei immer die kleine rote Tasche an Kühnholds Handgelenk, in der sich das Kartenmaterial befindet.

Leichte Wanderung zum Jermerstein

Als Erstes geht es zum Jermerstein. Eine Felsformation mit markanten Klippen inmitten des Naturschutzgebiets nordwestlich von Braunlage. Das Gebiet grenzt im Westen und im Norden an den Nationalpark Harz. Für eine leichte Wanderung, die auch Kindern Spaß machen könnte, parkt man am besten nahe der Kleinen Bodestraße oder geht von Braunlage aus zu Fuß. Am Jermerstein angekommen, haben Wanderer einen schönen Ausblick über die Achtermannshöhe, den Brocken und den Wurmberg und können auch noch etwas über die Geschichte der Region lernen. In der Region erzählt man sich, dass der Jermerstein in der vorchristlichen Zeit der Harzer Bevölkerung als eine Kultstätte für den Gott Irmin und als Versammlungsplatz diente. „Solche Orte haben Menschen schon immer fasziniert. Die Sachsen glaubten bis ins 8. Jahrhundert an Naturgottheiten und huldigten ihnen vermutlich hier am Jermerstein.“ In der Jetztzeit eignet sich das Gebiet eher für spannende Abenteuer-Trails durch verwildertes Gelände oder aber zum Geocaching – das Areal sei bei der Szene sehr beliebt.

Auf zum Wurmberg

Wieder rein ins Auto, fahren wir direkt zum Wurmberg. Von hier aus kann man nicht nur sehen, was die Region zu bieten, sondern auch, welche Probleme sie zu bewältigen hat. Stichwort: Borkenkäfer. Dieser macht auch vor dem von den sogenannten „Kulturfrauen“ nach dem Krieg mühsam gepflanzten Fichtenwald nicht halt. „Durch die klimatisch bedingte Trockenheit der Monokultur kann  er sich bestens ausbreiten“, erklärt Kühnhold, der  die Entwicklung mit Sorge betrachtet. Der Klimawandel sei hier am höchsten Bergs Niedersachsens voll zu spüren. Und nicht nur Wasser fehle, sondern auch Kälte, das Ski- und Schlittenfahren sei hier ohne künstliche Beschneiung schon lange nicht mehr möglich. Der Wintersporttourismus, der ohne große Schneekanonen anders als in Kühnholds Kindheit nicht mehr funktionieren würden, sei aber existenziell für die Region. Als der 54-Jährige noch Schüler war, sei Skisport ein Unterrichtsfach gewesen, und die Saison dauerte von Oktober bis März. Der Klimawandel sei für ihn daher unverkennbar im Gange: „Im Vergleich zu früheren Jahren ist auch am Wurmberg die Temperatur in den Wintermonaten mittlerweile um zwei bis vier Grad höher.“ Das Ausweichen auf Funsportarten wie Mountainbiken und Tretrollern könnte eine Ausweichmöglichkeit sein. Für eine Vergrößerung der Naturschutzgebiete sei er dennoch nicht. „Braunlage braucht die Möglichkeit zur Ausdehnung – nur so können wir junge Menschen hier halten und Perspektiven schaffen.“

Bremker Wasserfall

In den angrenzenden Wäldern um Braunlage gibt es laut Kühnhold auch viele „Kraftorte“, wie zum Beispiel den Bremker Wasserfall. Für Kühnhold ist der Grenzbach zu Sachsen-Anhalt, der am Wurmberg entspringt, der „perfekte Ort der Stille“. Auch wenn die Idylle des Ortes trügt: Vor weniger als 40 Jahren bildete der Bachverlauf die Staatsgrenze der DDR. Viele Flüchtlinge versuchten, an dieser Stelle durch das Waldstück in die BRD zu gelangen, und scheiterten nicht selten an dem patrouillierenden Grenzpersonal. Wer zum Kraftort will, fährt am besten mit dem Auto in Richtung Hexenritt und läuft ab geeigneter Stelle zu Fuß oder nimmt den Wanderweg von Braunlage (siehe Karte).

Weiter zum Adamsblick

Wieder zurück am Auto, fahren wir dorthin, wo Besucher einen fantastischen Blick, den sogenannten Adamsblick, über Braun­lage und das Mittelgebirge mit Rehberg, Achtermann, Wurmberg, Winterberg und Hohneklippen haben. Für den genussvollen Ausblick steht für Besucher auf der Hasselkopfwiese eine Bank bereit. „Sehen Sie nur“, sagt Jörg Kühnhold, „wie herrlich Braunlage im Tal der Bode eingebettet ist. Was für ein fantastischer Ausblick auf einen bunten Ort“, schwärmt er. Aber die Wiese sieht nicht nur gut aus, sie lässt auch wirksame Kräuter sprießen, jene, die von den Schweizern erfolgreich zu einem bekannten Bonbon verarbeitet werden. Auf der Wiese des Hasselkopfhügels fühlen sich auch Tiere wohl. Tierärztin Katharina Kohlrusch lässt hier ihre Esel, Pferde und das Harzer Rote Höhenvieh weiden und in friedlicher Koexistenz das saftige Gras verschlingen.

Heimat- und FIS-Skimuseum Braunlage

Zurück im Ort, nahe des Kurparks Braunlage, zeigt uns Kühnhold seinen zweitliebsten Ort, gleich nach Bergwiese und Wasserfall – das Heimat- und FIS-Skimuseum Braunlage, in dessen Vorstand er ist. Und auch hier hat der 53-Jährige eine überraschende Information parat: Ob wir wüssten, dass in Braunlage der Langlauf erfunden wurde? Nein? Der Forstmann Arthur Ulrichs (gest. 1927 in Braunlage) ließ hier nach norwegischem Vorbild die ersten Harzer Skier bauen und führte somit als Erster das Skifahren in Deutschland ein. Auch das Schulfach Skifahren (ab 1890) ist auf ihn zurückzuführen, war er es doch, der es an den Schulen einführte. Dies alles dokumentiert das FIS-Ski­museum, wobei FIS für „Fédération Internationale de Ski“ steht und zeigt, dass es vom internationalen Skiverband anerkannt ist. Ein Besuch in dem urigen Häuschen lehrt Besucher anschaulich die Historie des Wintersports in Deutschland.

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