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75-Jahre Heise: So sieht Veränderung aus

29. August 2024

Wie ist es eigentlich, wenn man als Vater und Tochter gemeinsam im Familienunternehmen arbeitet? Ist es Fluch, Verantwortung oder auch Vergnügen? Gab es Alternativen dazu? Ein Vater-Tochter-Interview mit Ansgar und Johanna Heise von der gleichnamigen Mediengruppe.

Herr Heise, Sie führen seit 1999 die Heise Group in der dritten Generation. Gab es für Sie jemals eine Alternative, in das Familienunternehmen einzusteigen? Hatten Sie andere Wünsche, andere Pläne?

Ansgar Heise: In meiner Kindheit wollte ich erst Bauer, später dann Kapitän zur See werden. Aber mit 16 Jahren habe ich gemerkt, dass die Chancen und die Freiheiten in einem Familienunternehmen viel, viel größer sind. Also nein, für mich gab es keine echte Alternative.

Es ist doch sicherlich nicht immer einfach, wenn man in eine solche Firma hineingeboren wird. Man bekommt ja auch Probleme mit. Oder?

Ansgar Heise: Stimmt. Das Unternehmen sitzt von Geburt an mit am Tisch und ist auch immer Thema, in guten wie in schlechten Zeiten. Die Katastrophen des Alltags spiegeln sich in einem Unternehmen genauso wider wie die schönen Seiten des Lebens. Es ist einfach wichtig, dass das Gute überwiegt, und dass man das Gefühl hat, das Unternehmen ist erfolgreich und es geht nach vorn. Von daher sehe ich das nicht als problematisch, sondern als unternehmensinhärent.

Botschafter des Wandels

Ihre Töchter sind inzwischen mit jeweils sechs Prozent am Unternehmen beteiligt. Ihre Tochter Johanna gestaltet es aktiv mit. Wie kam es dazu? Was war der Anlass? Gibt es dafür den einzigen, richtigen Zeitpunkt?

Ansgar Heise: Meine Töchter sind alle volljährig. Von daher war der Zeitpunkt richtig gewählt. Zudem kann man nicht früh genug damit anfangen, die Unternehmensnachfolge für die nächste, die vierte Generation zu regeln und zu gestalten. Ich glaube, das Schlimmste ist, wenn man damit zu lange wartet. Ich bin ja auch recht früh in das Unternehmen – man muss fast sagen – hineingestolpert. Am Ende hat es mir sehr viel genutzt. Junge Menschen bringen neuen Schwung in die Firma. Und so wird es auch mit meinen Töchtern sein. Sie bringen neuen Schwung und neue Ideen mit. Sie sind das Abbild der Veränderungen, die wir in unserem Zusammenleben, in unseren wirtschaftlichen Prozessen gerade erleben. Von daher können sie diesen Wandel als Botschafter gut rüberbringen und neue Schwerpunkte setzen.

Johanna, Ihr Vater hat in einem Interview gesagt, seine Töchter sollten selbst entscheiden, wann sie ins Unternehmen einsteigen. Wann war für Sie der richtige Zeitpunkt?

Johanna Heise: Den richtigen Zeitpunkt gibt ja irgendwie nie. Ich wollte aber schon immer ins Unternehmen. Dass das jetzt so früh gekommen ist, hätte ich aber nie gedacht. Ich wollte eigentlich erst einmal woanders arbeiten und dort Erfahrungen sammeln. Aber dann ist alles anders gekommen. Ich habe ein Semester meines Masterstudiums in London verbracht. Da die Stadt relativ teuer ist, dachte ich, es wäre doch ganz gut, als Werkstudentin zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das habe ich dann bei heise gemacht. Zuerst erledigte ich relativ bürokratische Aufgaben. Doch dann standen wir vor der Situation, dass es auch für uns immer schwerer wurde, Mitarbeiter zu gewinnen. Mein Vater gab mir die Chance, ein Employer-Branding aufzusetzen. Doch wer Mitarbeiter für sich gewinnen möchte, der muss auch wissen, wofür er eigentlich steht. Also habe ich eine Corporate Identity geschaffen. Damals dachte ich, das ist in vier Monaten durch – ist es aber immer noch nicht.

Nicht alles ist planbar

Geschickt eingefädelt, Herr Heise. Die Tochter finanziell kurzgehalten, so dass sie arbeiten muss, und dann rutscht sie automatisch ins Unternehmen hinein. War das so geplant?

Ansgar Heise: Geplant war das nicht. Das kann man gar nicht. Kein Unternehmen ist ein total geplanter Organismus. Da passiert so viel, was sich plötzlich ergibt. Da öffnet sich eine Chance, ein „window of opportunity“, und es zeigt sich eine ganz andere Welt. Das ist so, wie wenn man über einen Pass fährt: Du siehst ein neues Tal mit einer neuen Landschaft. Klar gibt es immer ein Ziel und eine Vorstellung, wie etwas sein soll in einem Unternehmen. Aber die Ausführung selbst ist immer geprägt von unvorhersehbaren Momenten. Und diese Momente muss man nutzen.

Herr Heise, ihre Mutter Isgard Heise soll einmal zu Ihnen gesagt haben: „Denk dran, die dritte Generation, die verbraucht.“ – also das typische Buddenbrook-Phänomen. Was war der wichtigste Satz von Ihrem Vater?

Ansgar Heise: „Schütte kein schmutziges Wasser weg, wenn Du noch kein neues hast.“ Das ist ein sehr guter Spruch, wenn man ihn aus der Sicht des Unternehmers betrachtet. Wir lernen in der Management-Theorie zwar, dass man einen Schlussstrich ziehen müsse, wenn etwas nicht gut läuft. Manche Unternehmer eliminieren dann vorschnell ein Geschäftsfeld, ohne ein neues zu haben. Das ist aber nicht mein Modell. Meiner Meinung nach ist es wahnsinnig schwer, etwas Neues aufzubauen. Sicher, man muss Neues aufbauen. Aber man sollte es organisch tun. Wenn ein Geschäftsbereich immer schwächer wird, kann man ihn vielleicht optimieren, vielleicht fällt einem noch ein Kick ein, ein Relaunch oder Revival. Parallel dazu sollte man versuchen, durch das bestehende Geschäft auch etwas Neues aufzubauen. Dazu benötigt man Ruhe und Kraft – und vielleicht auch den finanziellen Background, der dieses Vorgehen ermöglicht. Da sind wir wieder am Anfang: Schmeiß nicht vorschnell weg, was Du hast.

Wachstum ist überlebenswichtig

Johanna Heise, und bei Ihnen? Was waren bislang ihre wichtigsten zwei Sätze aus dem Familienkreis?

Johanna Heise: Das ist schon ein Satz, der auch an uns weitergegeben wurde. Das Wichtigste ist Wachstum, um zu überleben. Der Markt erfordert es, immer größer zu werden.

Sie haben die Frage ja schon zum Teil beantwortet. Aber gab es jemals den Vorwurf, die Position nicht erarbeitet zu haben?

Johanna Heise: Mitarbeiter würden mir das ja nicht sagen. Wir wurden relativ bodenständig erzogen. Und ich kam ja nicht hier rein so nach dem Motto: Mir gehört das hier jetzt alles.

Herr Heise, Sie sagten, Ihr Vater sei nicht streng gewesen, und er sie hat machen lassen. Johanna, wie sieht das bei Ihrem Vater aus?

Johanna Heise: Er ist auch nicht streng. Manche Grundvoraussetzungen müssen natürlich stimmen: Disziplin, Wille und Hunger nach Erfolg, nach Neuem.  Aber wie das Ganze dann passiert und was daraus wird, das bleibt frei. Wir haben getrennte Arbeitsbereiche.

Eine ganz normale Familie

Findet man eigentlich jemals ein Ende in Bezug auf das Thema „Firma“ oder wird da viel noch Zuhause besprochen?

Johanna Heise: Wir wohnen nicht zusammen, von daher gibt es eine gewisse Distanz. Ich würde das aber nicht so als eine Belastung empfinden. Bei uns vermischen sich Freizeit und Beruf. Die ganz scharfe Grenze zwischen beidem wüsste ich nicht zu ziehen. Natürlich geht es auch bei uns um ganz normale Fragen des Lebens. Es gibt nicht nur Betriebswirtschaftliches am Esstisch. Es geht auch um das Schöne im Leben, um Themen, die einen ärgern. Wir sind da eine normale Familie. Aber es ist natürlich klar, dass das Unternehmen immer eine gewisse Präsenz hat. Es macht uns ja Freude, was wir da machen. Das ist keine Last.

Wie gehen Sie mit Konflikten um?

Johanna Heise: Da wir getrennte Wirkungsbereiche haben, gibt es kaum welche. Als ich anfing, war ein Employer-Branding oder eine CI (Corporate Identity) nicht vorhanden. Ich bin zuständig für heise venture, ich organisiere Veranstaltungen. Das gab es vorher auch nicht. Von daher habe ich viel freie Hand und eigene Bereiche. Konflikte gibt es natürlich immer – das gibt es ja in jeder Familie.

Einfach mal machen

Herr Heise, Sie haben einmal gesagt „Machen ist wie wollen, nur krasser“. Was ist darunter zu verstehen?

Ansgar Heise: Vielleicht vorweg: Der Satz kommt gar nicht von mir. Der stammt von einem lieben Kollegen. Ich fand ihn sehr gut, weil er ausdrückt: Die Konjunktive von „ich könnte mal, ich wollte mal, ich will mal“ werden abgelöst und aktiv verstärkt durch „ich macht jetzt, ich tue jetzt, ich handle jetzt“. Das ist das krasse dabei. Der Satz besagt: „Ich springe auch einmal über etwas hinweg, was ein Risiko bergen kann.“ Das ist das Entscheidende. Unternehmensentscheidungen sind immer Risikoentscheidungen. Da ist nichts fest. Wenn man ein Unternehmen führt, versucht man, Zukunft abzubilden. Das ist immer risikobehaftet, weil Zukunft nie statisch ist. Zukunft hat immer Überraschungen parat. Wenn man zu lange zögert, dann hat man verloren. Das kostet Mut. Den muss man mitbringen.

Johanna Heise: Das hat auch das Unternehmen mitgeprägt: Dass man einfach mal machen darf und nicht so lange wartet. Damit einhergehend ist auch eine gute Fehlerkultur wichtig.

Ansgar Heise: Absolut. Man muss seine Kolleginnen und Kollegen machen lassen und nicht sofort abstrafen, wenn Fehler gemacht werden, sondern sie vielleicht sogar in ihrem Tun bestärken und sagen: „Das war ein guter Ansatz. Wir waren vielleicht einfach zu früh. Vielleicht haben wir das und das nicht richtig bedacht. Wir machen es das nächste Mal besser.“ So entwickelt sich ein Unternehmen viel stärker. Manche Unternehmen beschäftigen nur Berater. Deren ganzes Leben besteht aus Beratung, aber die kommen nicht ins Machen.

Johanna, ihr Vater ist „Familienunternehmer des Jahres“ (junge Unternehmer Hannover, 2017), „Medienmanager des Jahres“ (Kress.pro 2023) – ist das nicht etwas einschüchternd? Oder ist es eher Ansporn?

Johanna Heise: Es ist anspornend. Es ist super, was mein Vater alles erreicht hat. Es bestätigt, dass das Unternehmen in vielen Teilen wohl den richtigen Weg eingeschlagen hat. Darauf kann man ja wunderbar aufsetzen.

Stichwort Sport…

Ansgar Heise: Das Schönste ist, mit meinen Töchtern joggen zu gehen. Im Urlaub waren wir zusammen laufen. Das ist total schön. Wenn man gerne läuft, dann ist Laufen keine Belastung, sondern eine Fortbewegung, bei der man in eine Art Trance fällt. Man kann dabei ganz andere Dinge besprechen. Und das Beste ist, nach dem Joggen gemeinsam eine Tasse Kaffee zu trinken. Das kann ich nur jedem empfehlen. Das ist der absolute Kick.

Apropos kicken: Sie sind jetzt neuer Sponsor von Hannover 96. Was hat Sie daran gereizt?

Ansgar Heise: Zum einen haben wir uns in der Familie gefragt, was unser Großvater dazu gesagt hätte. Und er hätte das großartig gefunden. Zum anderen bewegt Fußball die Menschen. Es ist Sport, es ist aber auch ein wenig Show, ein sehr starkes Miteinander und kann großartige Gefühle und Momente auslösen. Ich bin da nicht der Technikexperte. Aber ich habe sehr interessiert beobachtet, wie sich der Fußball entwickelt hat. Wenn man sich ansieht, wie die Leute vor 20 Jahren gespielt haben und wie sie heute spielen, dann erkennt man einen großen Unterschied. Der Fußball ist viel, viel schneller geworden, und es ist eine ganz andere Athletik dahinter. Das finde ich faszinierend. Mich interessiert aber vor allem auch das Miteinander. Und außerdem ist Hannover 96 nicht irgendein Verein. Er ist der Traditionsverein, der hier wirkt. Es ist deine Stadt, die da auf dem Feld steht. Es ist emotional.

Gutes Stichwort: Väter und Töchtern wird ja eine besondere Beziehung nachgesagt. Herr Heise, können sie ihr überhaupt böse sein?

Ansgar Heise: Oh, das ist schwer. Ja, Väter – Töchter, das ist so, das stimmt schon, das ist etwas Besonderes. Und ich habe ja das Glück, gleich drei Töchter zu haben.

Die Heise Unternehmensgruppe ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Hanno­ver. Heinz Heise gründete es 1949. Das erste Produkt des Unternehmens war das ­Adressbuch der Stadt Bünde.

Heute umfasst die Heise Gruppe vier Geschäftsbereiche: heise connect, heise content, heise compare und heise ventures. heise connect beschäftigt sich mit regionalem Marketing für mittelständische Unternehmen. heise content steht für hochwertigen Journalismus. Im Bereich heise compare betreibt das Unternehmen Shopping- und Vergleichsportale. heise ventures unterstützt Start-ups.

Heise ist zudem mit 32 Prozent Hauptgesellschafter der Schlüterschen Mediengruppe, zu der auch die Nobilis gehört. Heise ist außerdem an Radio 21 beteiligt.

 

Text: Heike Schmidt
Fotos: Lorena Kirste

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